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INTERVIEW

„Nach der Pandemie werden wir noch besser dastehen”

„Nach der Pandemie werden wir noch besser dastehen” (FOTO: Igor Ripak)

Nach den massiven Lockerungen haben wir mit dem Wiener Bürgermeister, Michael Ludwig, über die Lage in der Hauptstadt sowie Prognosen für das Leben in der Stadt nach der Krise gesprochen.

KOSMO: Wien ist nicht mehr die lebenswerteste Stadt der Welt. Sie ist sogar auf dem 12. Platz gelandet. Was ist passiert?
Michael Ludwig: Es gibt mehrere Rankings, bei welchen Wien nach wie vor Spitzenplätze einnimmt. Bei diesem konkreten Ranking, welches Sie erwähnen, sind alle europäischen Städte zurückgefallen. Das hängt ganz stark mit den Auswirkungen der Coronakrise zusammen. Corona hat in allen Ländern, die jetzt bei diesem Ranking an der Spitze sind, eine geringere Rolle als in Europa gespielt. Das wird mit der angespannten Situation im Gesundheitsbereich, aber natürlich auch mit dem völligen Entfall der Kulturszene und den starken Einschränkungen in der Gastronomie durch die Lockdown-Maßnahmen argumentiert. Ich gehe davon aus, dass wir, wenn diese Krise im Gesundheitsbereich überwunden ist, wieder ganz intensiv die Bereiche stärken, für die wir auch weltweit bekannt und beliebt sind.

Die SPÖ wünscht sich eine Reform des Staatsbürgerschaftrechtes und hat einen konkreten Vorschlag gemacht. Sie meinten jedoch, dass sich nicht alle innerhalb der SPÖ damit „in Punkt und Beistrich” identifizieren könnten. Wie sieht es mit Ihnen persönlich aus?
Überall dort, wo es eine innerparteiliche Demokratie und nicht vorgeschriebene Meinungen gibt, ist es natürlich so, dass es verschiedene Zugänge gibt. In der SPÖ haben wir uns im Wesentlichen auch deshalb auf diesen Vorschlag verständigt, weil wir der Meinung sind, dass das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht strenger ist als in den meisten anderen europäischen Ländern. Es ist natürlich nicht vorgesehen, dass man die Staatsbürgerschaft verschleudert. Ganz im Gegenteil: Der Wert der Staatsbürgerschaft soll bestehen und deutlich gemacht werden. Wir sind aber der Meinung, dass es eine gewisse Gleichheit im Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft geben soll, egal aus welchem Land man kommt. So sehr Österreich auf KünstlerInnen oder SportlerInnen, die in den verschiedenen Nationalmannschaften tätig sind, zurecht stolz ist, so sind wir in der Sozialdemokratie auch stolz auf jene Menschen, die als UnternehmerInnen, PflegerInnen, oder BauarbeiterInnen tätig sind.

„Eine gewisse Gleichheit im Zugang der österreichischen Staatsbürgerschaft soll gegeben sein, egal aus welchem Land man kommt.” (FOTO: Igor Ripak)

Jetzt haben sich im Ausland lebende Österreicher in die öffentliche Diskussion eingeschaltet und verlangen, unter anderem, die Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft. Wie steht die SPÖ zu diesem Thema?
Staatsbürgerschaft ist immer mit Rechten, aber auch mit Pflichten verbunden. Es ist wichtig, dass dies immer auf Gegenseitigkeit beruht bzw. dass diese Frage mit den jeweiligen Staaten, wo eine Doppelstaatsbürgerschaft möglich ist, geklärt wird, damit wiederum klar ist, was diese Doppelstaatsbürgerschaft mit sich bringt. Deswegen sind wir immer bei diesem Thema eher zurückhaltend. Wir haben jetzt, zum Beispiel, jenen Menschen und deren Nachkommen, die vom Naziregime verfolgt wurden, die österreichische Staatsbürgerschaft angeboten als Entgegenkommen für Familien, welche besonders hart gelitten haben. Das sind sehr oft Personen, die die Staatbürgerschaft eines anderen Landes haben und damit auch zu einer Doppelstaatsbürgerschaft kommen.

„Es ist noch ein weiter Weg, bis wir sicherstellen können, dass sich das Virus nicht weiter verbreiten kann.”

Dr. Michael Ludwig

Sind Sie auch der Meinung dass wir wieder zur Normalität zurückkehren können?
In Wien sind 1,55 Millionen Menschen geimpft und davon rund 620.000 bereits zum zweiten Mal. Derzeit sind mehr als eine Million Menschen auf unserer Plattform registriert. Sie wollen alle geimpft werden und das ist auch sehr gut so. Wir haben also doch einen weitgehend sicheren Schutz. Trotzdem ist das aber erst ein Bruchteil der gesamten Wiener Bevölkerung. Deshalb denke ich, dass es noch ein weiter Weg bis dahin ist, jenen Prozentsatz der Bevölkerung durchzuimpfen, um sicherzustellen, dass sich das Virus nicht weiter verbreiten kann. Aktuell kommen mit der Delta-Mutation neue Herausforderungen auf uns zu und umso wichtiger ist es, dass weite Teile der Bevölkerung sehr schnell geimpft werden.

Das im letzten Jahr ins Leben gerufene Festival „Kultursommer” findet auch heuer statt. Was erwartet uns in diesem Jahr?
Der „Kultursommer Wien” ist ein Festival, um das uns mittlerweile weltweit beneidet wird. Heuer bieten wir ab Anfang Juli ein vielfältiges Kulturprogramm an 40 Standorten in der ganzen Stadt an. Es werden 1.000 verschieden Acts mit 2.000 verschiedenen KünstlerInnen und mit ganz unterschiedlichem künstlerischen und kulturellen Hintergrund stattfinden. Wir werden erstmals auch eine eigene Clubschiene unter der Donaustadtbrücke einrichten, wo man auch ganz laut sein kann, weil es dort keine Anrainer gibt. Hier wollen wir die Clubszene unterstützen, stehen in Kooperation mit DJs und wollen jungen Menschen die Gelegenheit bieten, so richtig abzutanzen.

2,1 Milliarden Euro werden in Wien pro Jahr investiert und heuer zusätzlich 600 Millionen, um die Coronakrise zu überwinden.

Coronakrise hat viele Lebensbereiche stark getroffen. Welche Maßnahmen sind für die Erholung der Wiener Wirtschaft, aber auch der Bevölkerung geplant?
Wir investieren pro Jahr rund 2,1 Milliarden Euro in Wien und jetzt zusätzlich 600 Millionen Euro in den Wirtschafts- und Arbeitsmarktbereich, um die Coronakrise gut zu überwinden. Wir bauen auch ganz viele leistbare Wohnungen, aber wir konzentrieren uns auch auf die Unterstützung der Wirtschaft und des Tourismus. Wir haben zurzeit drei Busstandorte in Wien, die allerdings schon in die Jahre gekommen sind und wir wollen einen internationalen Busterminal bauen. Das Zweite ist, dass wir eine Veranstaltungshalle für internationale Sport- und Kulturveranstaltungen für 20.000 BesucherInnen im dritten Bezirk bei St. Marx errichten werden. Das soll natürlich für die Wiener Bevölkerung sein, aber auch für unsere Touristen. Außerdem werden wir auch eine Mehrsporthalle im Prater errichten. Ich will damit sagen, dass wir auch schon sehr stark an die Zeit nach der Coronakrise denken und starke Signale setzen, dass es nicht nur weiter geht, sondern, dass wir vielleicht noch besser als vor der Krise aussteigen werden.