Hinter dem stillen Blick auf leuchtende Bildschirme verbirgt sich eine Entwicklungsfalle für die Kleinsten. Die digitale Beruhigungspille hat ihren Preis.
Wir sind Zeugen eines massiven Technologieeinsatzes bei Kindern – oft unter dem Deckmantel von Bildung und Unterhaltung. Natürlich gehören elektronische Geräte zu unserem Alltag, und selbstverständlich wecken sie die kindliche Neugier. Ob wir am Computer arbeiten, telefonieren, Nachrichten schreiben oder Filme schauen – schon Babys werden von diesen glänzenden Objekten magisch angezogen. Das eigentliche Problem beginnt jedoch erst, wenn das Kind selbst zum aktiven Nutzer wird.
Kleinkinder und sogar Babys konsumieren heute überwiegend Lieder, Zeichentrickfilme und diverse Videoclips. Das Phänomen ist immer gleich: Das Kind wird plötzlich ruhig, still und scheinbar konzentriert. Diese vermeintliche Aufmerksamkeit kann stundenlang anhalten. Anstatt sich zu bewegen und die reale Welt zu erkunden, verharrt das Kind in unnatürlicher Reglosigkeit – mit weitreichenden Folgen für die motorische Entwicklung und Körperhaltung.
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In diesem frühen Alter versteht es die Inhalte nicht und lernt nichts Substantielles. Was ein Baby tatsächlich wahrnimmt, ist lediglich ein hektischer Wechsel greller Bilder. Die zusätzliche Scrollfunktion fördert einseitig die Daumenentwicklung, während die für die Feinmotorik wichtige Ausbildung des Zeigefingers vernachlässigt wird.
Der ständige Bildwechsel und das Scrollen durch Inhalte wirken sich nachweislich negativ auf die Aufmerksamkeitsspanne aus. Obwohl es den Anschein hat, als wäre das Kind lange konzentriert, führt der permanente Reizwechsel tatsächlich zu einer weiteren Verkürzung der ohnehin begrenzten kindlichen Aufmerksamkeit. Das Resultat: ein ständiges Verlangen nach neuen, immer intensiveren Reizen.
Fehlende Interaktion
In der zwischenmenschlichen Kommunikation senden wir Botschaften sowohl verbal als auch nonverbal. Unser Gegenüber nimmt gleichzeitig Worte, Sprachmelodie, Rhythmus und Tempo wahr, beobachtet aber auch Mimik, Gestik und Körperhaltung. Während des Gesprächs achten wir auf die Reaktionen unseres Gesprächspartners. Bemerken wir Unaufmerksamkeit oder Verständnisschwierigkeiten, passen wir unsere Kommunikation entsprechend an.
Wir bemühen uns um einen gleichberechtigten Austausch und versuchen, die Interaktion aufrechtzuerhalten. Echte Kommunikation ist stets ein wechselseitiger Prozess.
Medieninhalte auf elektronischen Geräten hingegen fördern ausschließlich passives Konsumieren. Alles ist vorproduziert und läuft in einem vorgegebenen Tempo ab – völlig unabhängig davon, ob das Kind folgen kann oder nicht. Hat das Kind verstanden? Konnte es mithalten? Hat es die Möglichkeit, selbst etwas beizutragen? Bei dieser Form der Beschäftigung fehlt jegliche Wechselseitigkeit.
Indem wir Kinder regelmäßig elektronischen Medien aussetzen, beeinträchtigen wir ihre ganzheitliche Entwicklung erheblich – betroffen sind Fein- und Grobmotorik, Sprachentwicklung sowie die Aufmerksamkeitsfähigkeit.
Eine Studie des Cincinnati Children’s Hospital Medical Center belegt die neurologischen Konsequenzen: Bereits mehr als eine Stunde täglicher Bildschirmzeit führt bei Kindern zu einer Verringerung der weißen Gehirnmasse – mit negativen Auswirkungen auf Sprach- und Schreibfertigkeiten. Diese strukturellen Veränderungen können zu erheblichen Verzögerungen in der Sprachentwicklung führen.
Elterliche Ausreden
Eltern rechtfertigen die Nutzung elektronischer Geräte häufig mit verschiedenen Argumenten:
„Wir sind auch so aufgewachsen und es hat uns nicht geschadet“ – Das stimmt so nicht. YouTube existiert erst seit 2005, und Smartphones, die das Streamen von Videos ermöglichen, sind kaum älter als ein Jahrzehnt.
„Nur fünf Minuten Ruhe“ – In der Realität sind es nie nur fünf Minuten, sondern deutlich mehr. Das Smartphone fungiert als kostengünstiger, aber entwicklungsschädlicher Babysitter. Würden Eltern die tatsächliche Bildschirmzeit ihres Kindes messen, wären viele erschrocken.
„Es soll Englisch lernen“ – Keine Sprache wird durch einseitige Kommunikation erlernt. Spracherwerb findet durch Interaktion mit anderen Menschen statt. Das Auswendiglernen von Farben, Zahlen oder des Alphabets in einer Fremdsprache ist kein funktionales Lernen und kann im Alltag kaum angewendet werden.
„Es soll die richtige englische Aussprache hören“ – Passives Zuhören reicht für den Erwerb einer korrekten Aussprache nicht aus.
„So lernt es verschiedene Dinge“ – Kinder lernen am effektivsten durch Bewegung und eigene Erfahrungen. Nur so erwerben sie funktionales, anwendbares Wissen, das als Grundlage für weiteres Lernen dient.
„Alle geben ihren Kindern Geräte“ – Viele Eltern tun es, aber längst nicht alle!
„Alle Kinder haben ein Telefon/Tablet“ – Einige ja, aber bei weitem nicht jedes Kind!
„Besser Fernsehen als Smartphone“ – Der Effekt ist derselbe: Das Kind bleibt passiver Konsument vorgefertigter Inhalte.
„Ich wusste nicht, dass es schadet“ – Diese Aussage erscheint wenig glaubwürdig, da die Medien regelmäßig über die Risiken berichten. Die Schädlichkeit übermäßiger Bildschirmzeit ist mittlerweile allgemein bekannt.
Keiner dieser Gründe rechtfertigt den Einsatz elektronischer Geräte im frühen Kindesalter. Digitale Medien können gute Helfer sein, werden aber schnell zu schlechten Herrschern.
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