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REPORTAGE

Öffnung der Gastronomie: Vino Laguna

Vino Laguna_Miroslav Grujić (FOTO: iStock/Symbolfoto, KOSMO)

Eine Branche, von der wir alle überzeugt waren, dass sie zu den wenigen gehörte, die die Menschheit immer brauchen würde, war die Gastronomie, und gerade die erlebte in der Pandemie den vollständigen Zusammenbruch. KOSMO hat nachgefragt, wie die Gastronomen aus dieser mehrmonatigen Finsternis herauskommen und was sie erwartet…

Die größte Pandemie des 21. Jahrhunderts hat den gesamten Planeten nicht nur gesundheitlich, sondern auch wirtschaftlich und psychisch getroffen. Die Folgen sind unüberschaubar, und obwohl der Lockdown jetzt erst einmal zu Ende ist, kommt das Schlimmste erst noch: Wer durch die Pandemie wie sehr geschädigt wurde, wird man erst in den kommenden Monaten sehen. Wie Gastronomen die siebenmonatige Pause überlebt haben und wie sie nach der Öffnung zurechtkommen werden, haben wir Miroslav Grujić, den Inhaber des Lokals „Vino Laguna” gefragt.

„Mein ganzes Leben lang habe ich mehrere Jobs gleichzeitig gehabt und sechs Jahre davon nebenbei noch mein Lokal geführt. Vor dem zweiten Lockdown war ich über 20 Jahre in einer Firma beschäftigt. Dann kam der Lockdown, ich habe die Kündigung bekommen und das Lokal mussten wir auch schließen. Der Staat hat uns mit Finanzhilfen für die Fixkosten unterstützt, und so konnten wir den Jänner und Februar überbrücken. Aber das Vino Laguna ist in dieser Zeit zu meiner einzigen Einnahmequelle geworden. Mit der Unterstützung konnte ich die Fixkosten zahlen, die ich hatte, aber
ich hatte nichts zum Leben. Dank meiner Frau und meinen Kindern haben wir es irgendwie geschafft, da durchzukommen. Den Kellner habe ich behalten, denn unser Lokal ist klein und von den Stammgästen abhängig, die sich mit ihm verbunden fühlen. Außerdem ist er Student, und auch für ihn ist dies die einzige Einnahmequelle. Darum konnte ich ihn nicht hängen lassen, denn der junge Mann hat im Falle einer Kündigung keinen Anspruch auf Sozialhilfe.

Ich habe Angst, dass wir am Ende des Krieges noch fallen können.

Miroslav Grujić

Ehrlich gesagt mache ich mir mehr Sorgen um die Zeit, die nach der Öffnung kommt. Bisher haben wir es geschafft, über die Runden zu kommen, aber ich habe Angst, dass noch Strafen auf uns zukommen, wenn sich einer der Gäste nicht an die Maßnahmen hält, denn in dieser Situation ist jede Strafe für uns fatal. Das ist, als wenn jemand einen ganzen Krieg überlebt hat und dann am Ende des Krieges fällt.

Wenn ich die Hilfe, die wir von Österreich bekommen haben, mit anderen Staaten vergleiche, glaube ich, dass die Situation hier relativ gut war. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht einmal, woher der Staat so viel Geld hat. Aber ich habe Angst, dass uns das später auf den Kopf fällt. Österreich ist ein klassischer kapitalistischer Staat, was bedeutet, dass das Geld, das man bekommt, ausgegeben werden muss. Während des Lockdowns haben wir alle Anträge auf Finanzhilfen gestellt und das war für uns ausgesprochen kompliziert. Für die Gastronomen, die das alles über ihre Steuerberater gemacht haben, war es leichter, aber auch sehr teuer. Auf der einen Seite haben wir Geld bekommen, aber auf der anderen Seite waren wir gezwungen, es sehr schnell wieder auszugeben. Ich glaube, es ist noch zu früh, über die Folgen zu sprechen, denn die wird man erst später sehen.

Auf der einen Seite haben wir finanzielle Hilfe bekommen, aber auf der anderen Seite waren wir gezwungen, das Geld sehr schnell wieder auszugeben.

Miroslav Grujić

Außer den Finanzen waren diese sechs Monate für mich psychisch viel schwerer als finanziell. Ich hatte fast die Lust verloren, weiterzumachen. Zum Glück habe ich es geschafft, in dieser Zeit einen Job zu finden, den ich mag, und das hat mich ins Leben zurückgebracht. Die Unterstützung meiner Frau, der Kinder und meines Kellners hat mich tatsächlich am Leben gehalten. Die Gäste waren für uns auch eine große Unterstützung, denn sie haben uns regelmäßig angerufen, sich nach uns erkundigt usw. Die ganze Zeit waren wir im Kontakt mit ihnen. Dies ist ein kleines Lokal und es ist meine Seele, keine Fabrik zum Geldmachen. Das Laguna gehört uns allen, nicht mir alleine.

Nach der Öffnung werden wir hinsichtlich der aktuellen Maßnahmen so arbeiten, wie wir müssen, aber das Konzept bleibt gleich: Am Wochenende braucht man eine Reservierung, unter der Woche nicht. Es tut mir leid, dass wir aufgrund der vorgeschriebenen Distanz nicht alle Menschen hereinbitten und bewirten können. Das trifft kleine Lokale wie meines besonders, denn die Leute können nicht so spontan kommen wie früher. Außerdem kommt der Sommer, die Menschen werden sich nach dem Kaffeehaus an öffentlichen Orten treffen und das könnte die Zahl der Infizierten sehr in die Höhe treiben. Ich habe Angst, dass dieser Anstieg der Infektionen dann uns Gastronomen angelastet wird. Ich hoffe nicht, dass das passiert, denn vor dem zweiten Lockdown hatten wir keinen einzigen gesicherten Fall. Ich fürchte mich vor Strafen und großen Kontrollen, denn es besteht die Befürchtung, dass der Staat über die Strafen das Geld wieder hereinbringen will, das er während des Lockdowns als Hilfen ausgezahlt hat.

Ich appelliere an die Geduld der Gäste, damit wir nicht am Ende der Pandemie, wenn wir schon fast am Ziel sind, noch fallen.

Miroslav Grujić

In jedem Fall lautet mein Appell an die Gäste, dass sie, wenn sie es schon bisher ausgehalten haben, noch ein bisschen geduldig sind und sich nicht über uns ärgern, wenn ich sie nicht bewirten kann, weil kein Platz mehr ist. Das kommt uns genauso zugute wie ihnen. Ich will das Laguna nicht für mich selber erhalten, sondern für meine Gäste. Die Gäste müssen uns helfen, die Maßnahmen einzuhalten, die wir einfach einhalten müssen. Bisher hatten wir noch nie Probleme mit Gästen, daher glaube ich, dass wir auch jetzt ein gutes Verhältnis haben werden. Ich appelliere an ihre Geduld, damit wir nicht am Ende der Pandemie, wenn wir schon fast am Ziel sind, noch fallen. Das wäre es nicht wert. Es gibt eine Zeit für alles und wir können alles nachholen.”