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KOMMENTAR

Schule: Wer hat Angst vor den Ausländer-Kindern?

Schule Bildung
Die Diskussionen um Brennpunktschulen flauen nicht ab. (Foto: iStock/Symbolbild)

Der „Standard“ hat in einem Artikel festgehalten, dass das Milieu für die Schule wichtiger sei als der Migrationshintergrund. Jedoch wird der Erfolg in der Schule dem sogenannten Ausländer-Faktor zugeschrieben.

Diskussionen rund um Brennpunktschulen in Wien flauen nicht ab. Dass Kinder dort auch lernen müssen und dass es ihnen womöglich, unter schwierigen Umständen nicht besonders gelingt, blendet die Politik aus. Das „sozioökonomisch komplizierte Schülerklientel“ schneidet leistungsmäßig schlecht ab und dient als Abschreckungsmittel. Laut Standard haben an einer Wiener Volksschule deutschsprachige Kinder bildungsaffiner Eltern ein Risiko von fünf Prozent, schlecht Lesen und Schreiben zu lernen. An einer Brennpunktschule sind es 25 Prozent. Als Kind mit einem Migrationshintergrund, anderer Alltagssprache als Deutsch, Eltern mit Pflichtschulabschluss und geringer beruflicher Position, hat man an einer Brennpunktschule eine 45-prozentige Chancen Lesen und Rechnen zu lernen.

Es kommt nicht auf die Herkunft an
Wie gestaltet sich die Zukunft dieser Kinder, wenn ihnen die Grundvoraussetzungen in der Volksschule nicht mitgegeben werden? Wie geht ein Bildungssystem damit um? Kinder auf ihre Nationalität zu reduzieren ist wohl der schlechteste Ansatz. Denn die Herkunft eines Kindes sagt nichts über die jeweilige Lebenslage aus. Soziale Vielfalt gibt es nicht nur unter den Österreichern. Denn Eltern mit einem Migrationshintergrund arbeiten nicht ausschließlich auf Baustellen. Das Leben einer österreichischen Akademikerfamilie unterscheidet sich vermutlich nicht von einer bosnischen, kroatischen, serbischen oder türkischen Akademikerfamilie. Es sind diese Faktoren, die über Herkunft und Beruf hinaus verbinden und prägen.

Soziale Milieus sind die wichtigsten Eckpfeiler für die Bildungspolitik, die bewusst mit Vielfalt umgeht. Der Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft wurde abermals empirisch bestätigt, weshalb die Bildungsabschlüsse der Eltern mit einbezogen werden müssen. Zu sagen, dass alle türkischen Eltern ungebildet sind, wäre schlichtweg falsch, denn die Situation im Herkunftsland ist eine andere. Dass drei Viertel der türkischstämmigen Frauen in Österreich nur einen Pflichtschulabschluss oder gar keinen Abschluss haben, ist eine Folge der Arbeiterkräfteanwerbung. Das hat weder etwa mit der Nation noch mit der Religion zu tun. Man holte sich einfache Arbeiter für Tätigkeiten, die Österreicher nicht übernehmen wollten. Deutsch-oder Wertekurse gab es keine.

„Antislawismus“ auch vertreten
Doch nicht nur die türkischen Ausländer haben mit Vorurteilen zu kämpfen. Ein ausgeprägter  „Antislawismus“, der den Ostblock-Staaten allgemeine Rückständigkeit anheftet, verbreitete sich rasant. Zahlen belegen, dass Menschen aus slawischsprachigen Ländern teilweise höher akademische Abschlüsse haben, als die Einheimische. Blickt man auf die AHS-Quoten, so besucht jedes zweite Kind mit polnischen (katholisch geprägt) oder ägyptischen Wurzeln (muslimisch geprägt) ein Gymnasium, während jedes Dritte österreichische Kind diesen Sprung schafft. Lediglich ein Viertel der serbischen Kinder und nur jedes sechste türkische Kind geht in ein Gymnasium. Auch bei Migranten wird, wie bei Österreichern, der Bildungsweg vererbt. Statt Panikmache könnte die Politik eine Durchmischung in den Schulen anstreben, statt Abschottung. Eltern aus bildungsfernen Schichten könnten mehr in den Schulprozess ihrer Kinder einbezogen werden. Das Potential der Mehrsprachigkeit muss endlich positiv besetzt und sollte nicht als Defizit betrachtet werden. Kinder besuchen die Schule, um zu lernen und nicht um voneinander Angst zu haben.