Im Nationalrat entbrannte eine hitzige Debatte über die Wiener Sozialhilfe, bei der die FPÖ während der von ihr initiierten „Aktuellen Stunde“ am Donnerstag scharfe Kritik übte. Die Freiheitlichen bezeichneten das Wiener Sozialsystem als „soziale Hängematte für illegale Einwanderer und Asylanten“, wobei ein Abgeordneter mit der Verwendung eines NS-Begriffs für Empörung sorgte.
Wahlkampf im Parlament
Die bevorstehende Wien-Wahl warf deutliche Schatten auf die parlamentarische Auseinandersetzung. Während die SPÖ in der „Aktuellen Europastunde“ die Vorzüge des sozialen Wohnbaus in der Bundeshauptstadt hervorhob und Vizekanzler Andreas Babler Wien als Musterbeispiel in diesem Bereich präsentierte, nahm die Debatte in der anschließenden „Aktuellen Stunde“ eine konfrontative Wendung.
FPÖ-Mandatarin Dagmar Belakowitsch prangerte an, dass Menschen aus dem arabischen Raum angeblich nicht arbeiten würden und Österreich lediglich „zum Abkassieren“ aufsuchten. Sie stellte dies in Kontrast zur arbeitenden Bevölkerung, die den Sozialstaat finanziere, aber bei Einsparungen zur Kasse gebeten werde. Belakowitsch verwies auf steigende Budgetzahlen und wachsende Arbeitslosigkeit, bevor sie ihre Rede mit einem Wahlaufruf für die FPÖ bei der bevorstehenden Wien-Wahl am Sonntag abschloss.
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Regierungsposition
Sozialministerin Schumann entgegnete, dass die Regierung an Verbesserungen arbeite und verwies auf die im Regierungsprogramm verankerte „Sozialhilfe NEU“, die österreichweit einheitliche Standards schaffen solle. Das zentrale Ziel sei, beschäftigungsfähige Personen rasch wieder in Arbeitsverhältnisse zu bringen.
ÖVP-Mandatar Michael Hammer unterstrich, dass die Sozialhilfe „ganz oben auf der Tagesordnung“ stehe und forderte Sanktionen für jene, die nicht arbeiten wollten. Schumann präzisierte, dass die durchschnittliche Bezugsdauer bei neun Monaten liege und stellte klar, dass Asylwerberinnen und Asylwerber keinen Zugang zur Sozialhilfe hätten, sondern lediglich Grundversorgung erhielten. Asylberechtigte hingegen könnten Sozialhilfe beziehen, müssten aber dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und Integrationsmaßnahmen absolvieren.
Der grüne Abgeordnete Markus Koza kommentierte die aufgeheizte Debatte mit einem resignierten „owei owei owei, Wahlkampf ist“. Er widersprach der Darstellung der Sozialhilfe als „soziale Hängematte“ und verwies auf die Zusammensetzung der Empfänger: Zwei Drittel seien entweder zu alt, zu jung oder zu krank für eine Erwerbstätigkeit oder würden bereits arbeiten.
NS-Begriff im Parlament
Für besondere Aufregung sorgte dann die Rede des FPÖ-Abgeordneten Peter Wurm, der den Begriff „Umvolkung“ verwendete. Wurm behauptete, alle Vorhersagen Jörg Haiders seien eingetroffen: „Ein Anstieg der Kriminalität, Umvolkung, Kollaps des Sozialsystems.“ Er erklärte Österreich für „pleite“ und „bankrott“ mit „leeren Kassen auf allen Ebenen“.
Zudem führte er Zahlen an: „Aus dem Asylbereich herausgerechnet, ist durch eine Anfragebeantwortung von SPÖ-Sozialministerin Schumann zu entnehmen, dass 80.000 Personen Sozialhilfe beziehen, sich 30.000 in der Grundversorgung befinden, 47.000 beim AMS gemeldet sind und 8.000 Personen Pflegegeld in Anspruch nehmen.“
Der Rechtsextremismus-Sprecher der Grünen, Lukas Hammer, kritisierte daraufhin scharf, dass Nationalratspräsident Walter Rosenkranz nicht sofort eingeschritten sei: „Ein Abgeordneter der FPÖ verwendet in seiner Rede bewusst den Begriff ‚Umvolkung‘ – einen eindeutig belasteten Ausdruck aus dem Vokabular des Nationalsozialismus“, der auf die systematische Vertreibungs- und Vernichtungspolitik der Nazis Bezug nimmt. Doch anstatt sofort einzuschreiten, bleibt eine Reaktion von Nationalratspräsident Walter Rosenkranz aus.“
Rosenkranz hatte nach Wurms Rede lediglich angemerkt, er müsse sich die Konnotation des Begriffs ansehen. Sowohl der Duden als auch das Österreichische Wörterbuch weisen jedoch klar auf die NS-Herkunft des Begriffs hin. Trotz eines ausdrücklichen Hinweises durch SPÖ-Abgeordneten Jan Krainer erfolgte kein Ordnungsruf.
Hammer bezeichnete Rosenkranz‘ Reaktion als „mehr als befremdlich“ und fügte hinzu: „Es sollte zum Grundwissen eines Nationalratspräsidenten gehören, dass der Begriff ‚Umvolkung‘ tief in der nationalsozialistischen Ideologie verwurzelt ist.“
Laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes ist der Begriff eindeutig dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch zuzuordnen und beschreibt die von den Nationalsozialisten betriebene, gewaltsame Veränderung der Bevölkerungsstruktur durch Vertreibung und Vernichtung. Eine kurze Internetrecherche über Ursprung und Verwendung dieses Begriffs würde zudem schnell Klarheit schaffen. Hier gibt es keinen Graubereich.
Der aktuelle Vorfall ist nicht der erste seiner Art im österreichischen Parlament. Bereits 2018 musste ein FPÖ-Abgeordneter nach ähnlichen Vorfällen mit rechtsextremen Codes und NS-belasteten Begriffen vom Nationalratspräsidium zur Ordnung gerufen werden.
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