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Postenschacher

Vertrauen erschüttert”: Empörung nach Diversion für ÖVP-Klubchef Wöginger

Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft
(FOTO: zvg.)

Der Prozess gegen ÖVP-Klubobmann August Wöginger und zwei Finanzbeamte wegen Amtsmissbrauchs endete am Dienstag mit einer überraschenden Wendung: Das Landesgericht Linz entschied sich für eine diversionelle Erledigung.

Alle drei Angeklagten müssen lediglich Geldbußen entrichten, das Verfahren wird eingestellt, sofern innerhalb von zwei Wochen kein Einspruch erfolgt. In diesem Fall blieben die Betroffenen ohne Vorstrafe.

Walter Eichinger, Sprecher des Landesgerichts Linz, erläuterte, dass eine Diversion weder einem Schuldspruch noch einem Freispruch gleichkomme, sondern eine alternative Verfahrensbeendigung darstelle. Allerdings wird eine solche diversionelle Erledigung im Register vermerkt.

Kritik am Urteil

Diese gerichtliche Entscheidung stößt auf deutliche Ablehnung bei Martin Kreutner, einem renommierten Anti-Korruptionsexperten, der die österreichische Anti-Korruptionsbehörde ein Jahrzehnt lang führte. Kreutner äußert erhebliche Bedenken gegenüber der richterlichen Einschätzung eines nur geringen Schadens und warnt vor den weitreichenden Konsequenzen solcher Urteile.

Nach seiner Auffassung könnte diese Entscheidung das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen, die Regierung und das demokratische System nachhaltig erschüttern. Der daraus resultierende Vertrauensverlust stelle eine ernsthafte Gefahr dar, die umgehend adressiert werden müsse, um das öffentliche Vertrauen in eine gerechte Rechtsdurchsetzung zu bewahren.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte dem ÖVP-Klubobmann vorgeworfen, sich des “Postenschachers” schuldig gemacht zu haben. Konkret soll Wöginger beim damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, für einen Parteifreund interveniert haben, um diesem die Position als Vorstand des Finanzamts Braunau-Ried-Schärding zu verschaffen – zum Nachteil einer besser qualifizierten Bewerberin.

In einem ORF-Interview zeigte sich Kreutner verwundert über den Verlauf: “Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist mit der klaren Aussage in den Prozess gegangen, Postenschacher sei kein Kavaliersdelikt. Und dann, zwei Stunden später, wird es de facto bestätigt, dass es mehr oder weniger ein Kavaliersdelikt sei. Das ist etwas verwunderlich.” Dies sei besonders befremdlich angesichts eines Geständnisses von Thomas Schmid und eines Gerichtsurteils zugunsten der übergangenen Bewerberin.

Reaktionen der ÖVP

Nach der Entscheidung erklärte Wöginger, er habe Verantwortung übernommen und vertraue in die Gerichte – “damit ist die Sache für mich erledigt”. Auch ÖVP-Bundeskanzler Christian Stocker zeigte sich zufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens.

“Dass August Wöginger den Gerichtssaal heute als unbescholtener Mann verlässt und das Strafverfahren damit beendet ist, freut mich nicht nur als sein Freund, sondern auch als Bundesparteiobmann der Volkspartei sehr”, ließ er in einem Statement am Dienstag verlauten. Für ihn und die Volkspartei sei die Angelegenheit damit abgeschlossen.

Eine Diversion im österreichischen Strafrecht kann verschiedene Formen annehmen: neben einer Geldbuße kommen auch gemeinnützige Leistungen, ein Tatausgleich oder eine Probezeit mit spezifischen Auflagen in Betracht. Diese rechtliche Option besteht für Erwachsene seit dem Jahr 2000.

Voraussetzungen für eine diversionelle Erledigung sind, dass das betreffende Delikt mit maximal fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, der Sachverhalt vollständig geklärt wurde und die beschuldigte Person Verantwortung übernimmt.

Zudem dürfen keine spezial- oder generalpräventiven Bedenken gegen diese Form der Verfahrensbeendigung vorliegen, und die Schwere der Schuld darf das Maß bei durchschnittlichen Straftaten nicht überschreiten.