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REPORTAGE

„Warum sollte ich aufhören zu koksen? Ich habe ja alles unter Kontrolle!“

Symbolbild. (FOTO: iStockphoto)

Dem österreichischen Drogenbericht von 2018 zufolge konsumiert man hierzulande weniger Amphetamine und Extacy, jedoch mehr Cannabis und Kokain. Laut „Statista“ hat sich am Alkoholkonsum im Zeitraum von 2007-2017 wenig getan: Die Pro-Kopf-Konsumation von alkoholhaltigen Getränken hat geringfügig abgenommen und beläuft sich derzeit auf ca. 11,8 Liter jährlich.

Bei der Einnahme von Opiaten erreicht Österreich laut dem „Standard“ und der „Presse“ global eine unrühmliche Spitzenposition. Der nationale Konsum von Opiaten ist einer der höchsten weltweit.

Befragt man (ehemalige) Drogenabhängige zu ihrem Werdegang wird schnell klar, dass niemand direkt mit Opiaten begonnen hat, sondern der Weg zu den gefährlichsten Rauschmitteln, vielmehr ein schleichender war.

Meinen Recherchen zufolge, geht intensive Drogenkonsumation in vielen Fällen mit psychologischen Problemen einher. Ich frage mich hierbei, ob das Einnehmen von Rauschmitteln die Folge von psychischen Problemen ist oder umgekehrt, ob mentale Dysfunktionen erst durch den Suchtmittelkonsum zustande kommen.

Zu diesem Anlass habe ich im Auftrag von KOSMO einen ehemaligen Studienkollegen interviewt, um einen persönlichen Einblick in den Werdegang eines Konsumierenden zu erlangen.

Die Einladung zur Party

Mario* (Name von der Redaktion geändert) begrüßt mich mit einem lockeren Handschlag, auf den eine Umarmung folgt. Wir haben zusammen studiert und sind sozusagen ehemalige „Uni-BFFs“. Wir haben im Laufe des Studiums viel Zeit miteinander verbracht und kennen uns somit recht gut. Er ist für seine Verhältnisse sehr elegant gekleidet, vielleicht sogar etwas overdressed für das eigentlich locker angesetzte Interview. Nach kurzem Smalltalk bat ich ihn darum, mir seine Geschichte von Anfang an zu erzählen.

Er berichtet mir von seiner Kindheit, die er in einer niederösterreichischen Gemeinde verbrachte. Der 25-jährige wuchs mit seinen Eltern und einer 12 Jahre jüngeren Schwester in einem schönen Einfamilienhaus mit Garten auf. Rückblickend stellt Mario fest, dass er alle Voraussetzungen hatte, um eine glückliche Kindheit und Jugend zu erleben. „Ich war sehr sensibel und introvertiert. Dadurch tat ich mir oft schwer Freundschaften zu schließen. Die Gesellschaft von Gleichaltrigen hat mich aus irgendeinem Grund nicht sehr interessiert. Ich wollte lieber mit Erwachsenen reden, da diese höflicher und netter zu mir waren“, erklärt er mir, während er die Ärmel seines etwas zu großen Hemdes hochkrempelt.

Auf die Frage wie alles begann, fuhr er folgenderweise fort: „Als ich 16 Jahre alt war, hatte ich genug von meinem Dasein als braver, schüchterner Musterschüler. Ich merkte, dass ich jemand sein wollte, der cool ist und viele Freunde um sich herum hat. Der Einser-Schüler, der sich brennend für Astronomie interessierte, konnte sein gleichaltriges Umfeld nicht beeindrucken, somit musste ich (zwanghaft) meine Interessen und mein Aussehen den damaligen Idealen eines coolen Teenagers anpassen.“

Meiner Meinung nach kann man sich nicht verstellen, zumindest nicht für einen längeren Zeitraum. Ich äußere meinen Unmut zu dieser Thematik ihm gegenüber, worauf er mir antwortet, dass er mir zustimme. „Nüchtern war dies nicht möglich. Auf einer auf dem Balkan typischen Zelt-Hochzeit in Serbien habe ich zum ersten Mal Alkohol konsumiert. Es gefiel mir auf Anhieb, da meine Hemmschwelle sank und ich weniger über meine Handlungen nachdachte. In diesem Zustand war es problemlos möglich den coolen Macker zu spielen“, ergänzte er mit einer etwas traurigen Stimme, fast schon so als würde er den damals eingeschlagenen Weg bereuen. Seinen Blicken zufolge kann ich zunehmend feststellen, dass ihm dieses Kapitel seines Lebens unangenehm ist. Ich fragte ihn, ob wir fortfahren könnten, was er umgehend bejahte. Ich setzte das Interview fort und bat ihn darum, näher auf konkrete Berührungspunkte mit Drogen einzugehen.

“Heute weiß ich, dass Marihuana alles andere als harmlos ist.”
Mario

„Ich bin einer dieser Menschen, die nur Extreme kennen. Normalerweise geht man nicht davon aus, dass jemand der einmalig Alkohol trinkt, sofort süchtig wird und ständig nach Rauschzuständen sucht. In meinem Fall fühlte es sich aber so an. Dies hatte zwei Gründe. Zum einen, das Gefühl im Rausch der Alleskönner zu sein und zum anderen die vorher nie dagewesene Gruppenzugehörigkeit. Schnell kam auch Marihuana ins Spiel, das ja nur ‚eine leichte Droge sein soll und somit keine vermeintliche Gefahr darstellt. Heute weiß ich, dass Marihuana alles andere als harmlos ist. Die Kombination von Hochprozentigem und Joints nutzte ich zu Selbsttherapiezwecken gegen meine Ängste“, schildert er mir mit dem Anschein, enttäuscht über sich selbst zu sein. Mario meint, dass er bis dahin noch alles unter Kontrolle hatte. Er hält einen Moment inne und trinkt einen Schluck Wasser aus einer Tasse, die ich ihm vorbereitet habe.

Die Party ist im Gange

Seine Stimmlage wird nun ruhiger und sein Sprechtempo wird langsamer, während er die Karten auf den Tisch legt:“Die Büchse der Pandora wurde geöffnet, als ich zum Studieren nach Wien in eine WG zog. Anfangs ging ich oft mit Verwandten auf die Ottakringer Straße fort.

„Ich hatte keine Präferenz für bestimmte Getränke – Hauptsache Rausch“, erklärte mir mein Gesprächspartner. (FOTO: iStockphoto/Symbolbild)

Eigentlich war ich überhaupt nicht der Typ für diese Lokalitäten. Ich war ein Fan der sogenannten ‚Narodnjake‘, weshalb ich mich dort musikalisch gesehen wohlfühlte. Das Publikum betreffend, war ich aber alles andere als glücklich. Die Mentalität, andere Partygäste aufgrund ihres Aussehens beziehungsweise Verhaltens zu verurteilen, war überhaupt nicht das, was ich unter Ausgehen verstand. Bei all diesen Anlässen habe ich intensiv Alkohol konsumiert. Ich hatte keine Präferenz für bestimmte Getränke – Hauptsache Rausch. Nach einiger Zeit hatte ich genug von der Jugo-Community und suchte nach anderwärtigen Möglichkeiten ausgiebig feiern zu gehen. Mein Mitbewohner fragte mich, ob ich ihn nicht zu einer der Parties seiner Freunde begleiten wollte. Nach meiner Einwilligung gingen wir hin. Mir gefiel die Stimmung, da die Leute dort sehr offen und nett waren. Ich empfand die Leute als sehr angenehm. Mit ihnen konnte man auch tiefsinnige Gespräche führen.“

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