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INTERVIEW

„Ausgrenzung von Migranten schwächt die Pandemie-Bekämpfung und schadet allen“

(FOTO: Christian Lendl)

Das Migrationsthema wird in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie immer wieder sehr heftig diskutiert. Sei es nun die Maßnahmen-Disziplin, vermeintliche Viruseinschleppungen aus dem Ausland oder die Belegung der Intensivstationen von „Nicht-Österreichern“. Was an diesen Vorwürfen wirklich dran ist und weshalb in Österreich eine „Wir und die Anderen“-Gegenüberstellung herrscht, fragten wir Kulturwissenschaftlerin und Migrationsforscherin Dr. Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität Wien.

KOSMO: Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Österreich überschlugen sich Pressekonferenzen und neue Informationen nahezu. Ist diese unglaublich große Menge an Informationen überhaupt zu Migranten durchgedrungen?
Judith Kohlenberger: Wie Sie vielleicht wissen, muss ich meine Antwort mit einem üblichen abwägenden Satz beginnen: „DIE Migranten“ gibt es nicht. Deshalb lässt sich hier auch kein pauschales Urteil fällen, da Menschen mit unterschiedlichen Herkunftsländern ganz unterschiedlich von der Pandemie betroffen sind, dem Informationsfluss unterschiedlich ausgesetzt waren und auch ganz unterschiedliche Ressourcen hinsichtlich der Möglichkeiten, sich zu informieren, mitbringen. Grundsätzlich muss man festhalten, dass es bis dato wenig empirische Befunde über die Wahrnehmung von MigratInnen gibt – ob sie sich gut informiert fühlen, ob sie selbst Lücken erkennen und dergleichen. Was ich sehr wohl konstatiere ist, dass die Informationen, die im ersten Lockdown auf Deutsch für die Gesamtbevölkerung herausgegeben wurden, erst verspätet, lückenhaft und sogar fehlerhaft an migrantische Communities in den Erstsprachen kommuniziert wurden.

Wie ist der heutige Stand der Dinge?
Heute, mehr als ein Jahr danach, funktioniert der Informationsfluss immer noch nicht optimal. Beispielsweise scheint mir unverständlich, weshalb die sehr umfangreiche und gute Website „Österreich impft“, mit Fragen und Antworten zum durchaus angstbesetzten Thema Impfen, weiterhin nur auf Deutsch verfügbar ist. Technisch ist es ein Leichtes, Flaggen für die entsprechenden Sprachen zu integrieren, um dann mit einem Klick die Version der Website in einer anderen Sprache zu öffnen. Auch an verfügbaren ÜbersetzerInnen sollte es nicht mangeln. Zwar gibt es übersetzte Informationen zur Impfung, die sind jedoch oft verkürzt und  auf ganz anderen Kanälen und Websites als jenen für die deutschsprachige Gesamtbevölkerung zu finden. Das sendet kein inklusives Signal und ist eine Form der Ungleichbehandlung bei der Gesundheitskommunikation.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, handelt es sich hierbei um eine politische bzw. institutionelle Kritik. Wie beurteilen Sie die Anstrengungen einiger Medien, Vereine und dergleichen, sprachlich gleichberichtigte Informationen anzubieten?
Eines möchte ich schon vorausschicken: Meines Erachtens ist es die Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass gerade in einer Krise alle Menschen gleich gut informiert sind. Dies beinhaltet eben auch mehrsprachige Informationen. Hierbei gibt es Nachbesserungspotential auf verschiedenen Ebenen. Wir wissen seit langem, dass Österreich ein Migrationsland bzw. eine Einwanderungsgesellschaft ist. Gerade zu Beginn der Pandemie habe ich deutlich wahrgenommen, dass sehr viele Strukturen und Vereine, die im Zuge des Fluchtherbsts 2015 entstanden sind, viele Lücken gefüllt haben. Sie haben für Übersetzungen gesorgt, mit Medien zusammengearbeitet und dergleichen. Der Vorteil dieser Organisationen lag darin, dass sie in direktem und engem Kontakt mit ihren Mitgliedern sind. So konnte man via Social Media und Telefon direkt nachfragen. Diese Form der sozialen Teilhabe, die die Zivilgesellschaft gefördert hatte, springt dort ein, wo strukturelle Versäumnisse und Sprachbarrieren vorhanden sind. Das weiß man auch aus der Forschung. Wenn ich zum Beispiel die Nachrichten aus der ZIB inhaltlich nicht vollständig erfassen kann, da mein Sprachniveau noch nicht ausreicht, dann kann ich über Freunde und Bekannte sowohl aus der Community, aber auch aus der Mehrheitsgesellschaft diese Barrieren überwinden. Die Kehrseite ist, dass nun viele Fehler in der Integrationspolitik der vergangenen Jahrzehnten offenbart werden. Dort, wo die soziale Inklusion schlecht funktioniert hat und institutionell nicht gefördert wurde, entstehen Lücken, die nicht so schnell gefüllt werden können.

„Informationen, die im ersten Lockdown auf Deutsch für die Gesamtbevölkerung herausgegeben wurden, wurden erst verspätet, lückenhaft und sogar fehlerhaft an migrantische Communities in den Erstsprachen kommuniziert.“

Dr. Judith Kohlenberger

Oftmals wird von „wichtigen Migrantensprachen“ gesprochen, in welche man die Informationen alsbald übersetzen sollte. Welche Sprachen sind das?
Das ist schwierig zu beantworten, da ich niemanden ausschließen möchte. Auf einer gewissen Ebene ist das eine Abwägungsfrage, welche Ressourcen der Staat für eine Übersetzung bereitstellen kann und muss. Sprachen der in Österreich anerkannten Minderheiten und Volksgruppen sollten auf jeden Fall abgebildet sein.  Im Ballungsraum Wien, wo Themen wie „Sind Migranten stärker betroffen oder nicht?“ immer wieder zyklisch hochkommen, ist die Gruppe der Personen mit türkischem Hintergrund eine ganz wesentliche. Gleiches gilt für BKS, also Menschen mit Wurzeln in Bosnien, Kroatien und Serbien. Arabisch und Farsi wären auch zwei sehr wichtige Sprachen, da neuangekommene Geflüchtete oft noch eine Sprachbarriere haben. Nach zwei oder drei Jahren in Österreich sind Vokabel wie „Infektionsrate“ und dergleichen schwer oder gar nicht verständlich.

Meiner Erfahrung nach sind neben Übersetzungen auch Nachrichten in einfacher Sprache vor allem für Menschen, die gerade erst Deutsch lernen, von großer Wichtigkeit. Zahlreiche Rückmeldungen bestätigten das auch: Entweder konsumiert man Informationen in der Erstsprache oder in einfachem Deutsch. Letzteres hat den Vorteil, dass es eine inklusive Botschaft an alle Menschen mit Migrationshintergrund sendet, ungeachtet der Herkunft. Häufig hilft es auch, nicht nur das gesprochene Wort im Radio oder Fernsehen zu hören, sondern Untertitel zu haben. Viele Migranten verfolgen den ORF als seriöseste und fundierteste Quelle sehr gerne, steigen jedoch auf die Social-Media-Kanäle des Öffentlich-Rechtlichen um, da man dort die Inhalte mit Untertitel finden kann. Dies sind vermeintlich kleine Dinge, mit welchen man viel bewirken kann.

Apropos Social Media: über welche Kanäle informieren sich Menschen mit Migrationshintergrund am häufigsten?
Derzeit steht die Aussage im Raum, dass Migranten vor allem Social Media benutzen, was wegen dort kursierender Falschnachrichten ein Problem sei. Man muss dies jedoch differenziert betrachten. Tatsächlich ist es so, dass sich viele Menschen mit Migrationshintergrund über Qualitätsmedien aus Österreich informieren möchten, jedoch Sprachbarrieren haben. Daher weichen sie dann auf Social-Media-Kanäle z.B. des ORF, oder auf die angesprochenen Übersetzungen von Organisationen aus der Zivilgesellschaft aus. Hier muss man zwischen den konsumierten Inhalten unterschieden werden. Nicht alles was im Internet oder auf WhatsApp kursiert, muss sofort eine Verschwörungserzählung sein. Es können sehr wohl auch gute und fundierte Informationen seien, die man über Social Media konsumiert.

„Daten aus anderen OECD-Ländern zeigen, dass es unter Migranten eine stärkere Betroffenheit gibt. Ich würde sagen, dass das eine stärkere Schutzbedürftigkeit bedeutet, wir also über Vulnerabilität sprechen müssen.“

Dr. Judith Kohlenberger

Es gibt jedoch noch eine weitere, besonders wichtige Bevölkerungsgruppe, die man mit Sozialen Netzwerken oft nur schlecht erreichen kann: ältere Personen mit Migrationsbiographie, die nicht selten noch aus der sogenannten „Gastarbeitergeneration“ stammen. Oft geht dies mit einem niedrigen Bildungsniveau einher, vor allem ältere Frauen sind so vom Informationsfluss abgetrennt. Diese Gruppe zu erreichen, ist schwer. Die Betroffenen sind auf ihre Kinder und Enkelkinder angewiesen, um am neuesten Stand zu bleiben. Social Media erreichen sie kaum. Dabei sollte gerade auf ältere Menschen ein  Fokus gelegt werden, da sie zur Corona-Risikogruppe zählen.

Viele Studien belegen, dass Migranten öfter an Covid19 erkranken. Worin liegt dies begründet?
In Österreich ist die Datenlage dazu schlecht. Vor kurzem sind interne Daten des Gesundheitsministeriums kursiert, wobei aus dem Ministerium selbst zu hören war, dass diese Daten nur lückenhaft und nicht durchgehend erhoben werden. Es gibt Daten aus anderen OECD-Ländern, die zeigen, dass Migranten stärker betroffen sind. Ich würde sagen, dass das eine stärkere Schutzbedürftigkeit bedeutet, wir also über Vulnerabilität sprechen müssen. Dafür gibt zwei Gründe: Der eine ist die berufliche Exponiertheit, da Migranten in systemkritischen und -relevanten Berufen überrepräsentiert sind – sowohl im niedrig qualifizierten und prekären als auch im hochqualifizierten und akademischen Sektor, wie z.B. der akademischen Krankenpflege. Aufgrund ihrer Tätigkeit sind sie dem Virus viel stärker ausgesetzt als Personen mit anderen Berufen. Gleichzeitig wissen wir, dass eher die einheimische und nicht die migrantische Bevölkerung die Möglichkeit zum Home Office besitzt. Außerdem haben wir in Österreich eine starke Verschränkung von ethnischer und sozialer Herkunft. Der sozioökonomische Hintergrund spielt eine wichtige Rolle. Dies zeigt sich schon darin, wer als „Migrant“ bezeichnet wird. Da meinen wir nicht die größte Gruppe, die Deutschen, oder einen Diplomaten, der bei der UN arbeitet, obwohl beide von der Definition her „Migrationshintergrund“ haben.

„Migranten sind in Wien bei weitem keine Minderheit. Wenn sie ausgegrenzt werden, dann wird die der Pandemie-Bekämpfung bzw. -Eindämmung nicht so rasch voranschreiten, wie sie könnte“, betonte Dr. Judith Kohlenberger. (FOTO: MWÖ)

Wir meinen Menschen aus einkommensschwachen oder armutsgefährdeten Haushalten, unter welchen Migranten überproportional repräsentiert sind. Das hat unterschiedliche, stark strukturelle Gründe – unter anderem auch das bewusste Anwerben von niedrigqualifizierten Arbeitskräften als „Gastarbeiter“, verbunden mit dem schwierigen Bildungsaufstieg in Österreich. Das ist ein wichtiger Risikofaktor, der auch in den gesundheitlichen Bereich hineinspielt. Man weiß, dass Menschen aus armutsgefährdeten Haushalten häufiger chronisch krank sind. Dazu gibt es in der Medizinsoziologie sehr gute und aussagekräftige Studien. Menschen, die im untersten Fünftel der Bevölkerung leben, haben ein zwei- bis dreifach so hohes Risiko, an einer chronischen Erkrankung, wie Asthma oder Krebs, zu leiden, als Menschen im obersten Fünftel. Ebenfalls sind MigrantInnen im urbanen Raum häufiger auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen und die Familien – vor allem bei Geflüchteten – sind tendenziell größer. Somit setzt sich eine Infektionsquelle innerhalb der Familie auch vermehrt als Haushaltscluster fort. Auch ein schlechterer Gesundheits- bzw. Informationszugang ist einer der vielen Faktoren, die in diese komplexe Situation hineinspielen. Prinzipiell glaube ich, dass man hinter den „Migrationshintergrund“ schauen muss, um Ursachen zu finden, da dieser Begriff oft ungenau verwendet wird.

Münzt sich das höhere Risiko an Covid19 zu erkranken auch auf die Anzahl von MigrantInnen auf der Intensivstation um?
Wenn man mehr Raten an Corona-Positiven hat, dann hat man auch mehr schwerere Verläufe. Der größte Risikofaktor für einen schweren Verlauf ist jedoch die Armut. Einkommensschwache leiden statistisch häufiger an Vorerkrankungen und haben somit ein höheres Risiko, einen schweren Covid19-Verlauf zu haben. Viele empirische Studien zeigen, dass Armut im Körper chronischen Stress erzeugt. Das kann man anhand vieler Biomarker nachweisen, unter anderem am Cortisol. Diese Situation sorgt auch dafür, dass chronische Krankheiten, wie Bluthochdruck, etc. entstehen.. Das führt dann dazu, dass man bei einer Infektion mit dem Coronavirus eher ins Spital oder gar auf die Intensivstation muss.

Sollte man dann nicht die Impfstrategie anpassen und jene impfen, die in Risikoberufen, prekären Arbeitsverhältnissen an der vordersten Front stehen?
Ich glaube, dass es eine wahnsinnig schwierige Diskussion ist und ich bin froh darüber, nicht in der Impfethik-Kommission sitzen zu müssen. Eine Anpassung des Impfplans ist erst sinnvoll, wenn genügend Impfstoff da ist. Derzeit ist die größte Schwierigkeit, dass das Vakzin nicht im Übermaß vorhanden ist. Bis zu einem gewissen Grad sind Risikoberufe bereits im jetzigen Impfplan vorgereiht. Das medizinische Personal wurde zum Beispiel in der ersten Priorisierungsstufe geimpft. Da waren bereits viele Menschen mit Migrationshintergrund darunter. Was schon ein Thema werden sollten, vor allem hinsichtlich der Öffnungen, sind zunehmend sehr stark exponierte Menschen, die vom Alter her noch nicht an der Reihe sind. Dazu gehören etwa Angestellte in der Gastronomie und dem Tourismus, wo MigrantInnen überrepräsentiert sind. Sinnvoll ist es auf jeden Fall, Personen, die einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind, zu priorisieren. Hier geht es aber primär um die Art der beruflichen Tätigkeit und nicht um migrantischen Hintergrund.

Oft steht der Vorwurf im Raum, dass Migranten weniger oft testen gehen. Gibt es hierzu empirische Beweise?
Ich habe hierzu keine Daten, weshalb ich keine Mutmaßungen anstellen möchte. Was man jedoch weiß, ist die Tatsache, dass Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen – abgekoppelt vom Migrationshintergrund – unter einem unbewussten oder gar explizit ausgedrückten Druck vonseiten des Arbeitgebers stehen, sich nicht testen zu lassen. Dies wird mir unter anderem aus der Baubranche zugetragen, wo Arbeiter nicht zum Corona-Test gehen, da im Falle eines positiven Resultats die gesamte Baustelle stillstehen würde. In den meisten Branchen, wo solch ein Druck herrscht, arbeiten viele Menschen mit Migrationshintergrund. Dies war jedoch auch schon vor Corona ein Problem.

„Die unzureichenden mehrsprachigen Informationen vonseiten des Staates senden kein inklusives Signal und sind eine Form der Ungleichbehandlung bei der Gesundheitskommunikation.“

Dr. Judith Kohlenberger

Während der Corona-Krise kam immer wieder der „Wir und die Andren“-Diskurs auf. Wie erklären Sie sich das und warum flammen diese Diskussionen immer so stark auf?
Die Gründe dafür liegen, wie bei so vielen Dingen, die wir während der Corona-Pandemie beobachten, in einer Zeit lange davor. Österreich ist durch einen stark defizitorientierten Integrations- und Migrationsdiskurs gekennzeichnet. Menschen mit Migrationshintergrund bzw. Geflüchtete sind oft „die Anderen“, obwohl sie schon seit Generationen hier leben und ihren Beitrag leisten. Das wird nun aktiviert. Die Pandemie wirkt wie eine Art Brennglas, die soziale Probleme stärker hervorbringt und sie sichtbar macht. Das kann in einer Reflexhandlung schnell zu einer Art der Sündenbockpolitik führen. Kulturgeschichtlich zeigt sich eine starke Verknüpfung von „der Seuche“ mit den „Anderen“ : „WIR sind gesund. Die Anderen bringen uns die Krankheit.“ Während der HIV-Epidemie brachte Jörg Haider die Diskussion auf, dass alle Migranten, die nach Österreich kommen, einen HIV-Test machen müssen. Bei HIV ist, wie bei vielen anderen Pandemien auch, einiges schiefgelaufen und man hat wenig für die jetzige Krisensituation gelernt.

In Österreich sind MigrantInnen als „die Anderen“ stark stigmatisiert. Während man beim ersten Lockdown auf das „Wir“ und die Solidarität gesetzt hat, wurde rasch klar, dass man mit dem „Wir“ nicht alle mitgemeint hat. Wenn man das „Wir“ so eng fasst, dann schadet man im Grunde allen. Migranten sind in Wien bei weitem keine Minderheit. Wenn sie weiterhin ausgegrenzt werden, dann wird die Pandemie-Bekämpfung bzw. -Eindämmung nicht so rasch voranschreiten, wie sie könnte. Der Grund dafür liegt auf der Hand: das Virus wählt nicht nach Herkunftsland, sondern springt einfach von Wirt zu Wirt.

Wirkt sich dieses „Wir und die Anderen“ auch auf die Corona-Maßnahmen aus?
Im Sommer fand ich es sehr befremdlich, nach welchen Kriterien Reisewarnungen ausgesprochen wurde. Kroatien hatte ähnlich hohe Infektionszahlen wie Montenegro oder andere Balkanländer. Dennoch konnten Österreicher ihren Urlaub in Kroatien ohne Reisewarnung verbringen. Hintergrund war wohl die EU-Mitgliedschaft Kroatiens und die Tatsache, dass das Land bei den Österreichern als Urlaubsdestination sehr beliebt ist. Man hätte aus der Situation aber auch positive Integrationspolitik mit für Zielgruppen spezifisch gestalteten Informationen machen können – dies wurde als Wunsch auch vielfach rückgemeldet. Man könnte zum Beispiel auf die Frage eingehen, wie man sicherstellen kann, dass Migranten ihre Familie im Herkunftsland unter sicheren Bedingungen besuchen können. Jeder möchte sicher reisen und niemand möchte seine Liebsten anstecken, oder infiziert nach Österreich zurückkehren. Man müsste Parameter und Informationen bereitstellen, um sicheres Reisen zu ermöglichen und Migranten nicht als gesonderte Gruppe adressieren, die nicht in ihre Herkunftsländer reisen darf. Da kann man an kleinen Schrauben drehen, um die Debatte aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten

Was bedeuten diese Debatten für den Alltag von Menschen mit Migrationshintergrund hierzulande?
Aus vielen empirischen Studien wissen wir, dass Diskriminierung und Rassismus in Krisen zunehmen. Während Corona kam es auch vermehrt zum „racial profiling“ . Migrantisch gelesene Menschen werden in der Öffentlichkeit häufiger angehalten, da sie vermeintlich gegen Maßnahmen verstoßen würden, und sie werden höher und häufiger bestraft. Die eine Sache ist, vom Polizisten auf einen Corona-Regelverstoß hingewiesen zu werden, die andere, ob man dafür bestraft wird oder nicht. Das heißt natürlich nicht, dass der einzelne Polizist rassistisch ist. Oft gibt es strukturelle Hintergründe. Eine geflüchtete Frau, die noch nicht gut Deutsch spricht, kann sich nicht so gut erklären wie eine Österreicherin. Oft fehlen die sprachlichen Ressourcen, um zu begründen, warum man sich nach der Ausgangssperre noch außer Haus befindet und dergleichen. Solche Erfahrungen führen aber dazu, dass die Motivation von Menschen mit Migrationshintergrund schwindet, den „national effort“, also die österreichweiten Anstrengungen zur Pandemiebekämpfung, mitzutragen.