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Mudschahedin

Wie der radikale Islam nach Bosnien kam und bis heute blieb

Bosnien Terror
(Foto: iStockphoto/Kosmo Grafik)

KOMMENTAR

Die Geschichte der Radikalisierung des Islam in Bosnien-Herzegowina ist eine beunruhigende Entwicklung, die bis heute Auswirkungen auf das Land und die Region hat. Auch wenn der Islam in diesem Balkanland als besonders liberal und europäisch gilt, wächst seit Jahrzehnten die Anzahl an Anhängern radikal-islamistischer Ideologien.

In den 1990er Jahren, während des Zerfalls Jugoslawiens und der folgenden Kriege, begann sich der Einfluss des radikalen Islam in Bosnien zu manifestieren. Die Bildung des „Mudschahedin-Bataillons“ im Jahr 1992, hauptsächlich aus arabischen Freiwilligen, markierte einen Wendepunkt. Zuerst handelte es sich nur um ein paar Dutzend Kämpfer aus Afghanistan, dem Iran und anderen arabischen Ländern. Sie schlossen sich damals dem Krieg an, um ihre muslimischen Glaubensbrüder in Bosnien vor den serbischen Paramilitärs zu schützen.

„Agressiver als die Einheimischen“

Als sich jedoch die Kriegsgeschehnisse im Jahr 1993 zuspitzten und auch Kroaten vermehrt teilnahmen, wuchsen die Mudschahedin zu einem paramilitärischen Bataillon mit mehreren Hundert Mitgliedern an, die den „Ungläubigen“, also Nicht-Muslimen, den Krieg erklärten.

Nachdem kroatische Milizen im April 1993 rund 120 Bosnier in Ahmici massakrierten, waren die Mudschahedin an zahlreichen Repressalien beteiligt. Zwei Monate später vertrieben sie im Kloster Guca Gora fast 200 Kroaten, die von britischen Truppen der Vereinten Nationen evakuiert wurden. Anschließend betraten sie die Kapelle, entweihten die religiösen Kunstwerke und filmten sich dabei.

Britische UN-Truppen kämpften im Sommer 1993 in Guca Gora und anderswo gegen das Mudschahedin-Bataillon. Vaughan Kent-Payne, damals Major und Kommandeur einer Kompanie britischer Truppen, die an diesen Schlachten beteiligt war, sagt, die ausländischen Kämpfer seien „viel aggressiver“ gewesen als die einheimischen bosnischen Truppen und hätten häufig das Feuer auf die weiß lackierten Fahrzeuge der UN eröffnet.

Wahhabismus fasste Fuß

Als der Krieg endete, mussten gemäß dem Friedensabkommen von Dayton alle ausländischen Kämpfer das Land verlassen und wurden 1996 ordnungsgemäß abgezogen. Einige von ihnen blieben jedoch in Bosnien, gründeten Familien und verbreiteten das radikale Gedankengut unter der einheimischen muslimischen Bevölkerung.

Die Anwesenheit der Mudschahedin in Bosnien war nicht nur ein Ergebnis des Konflikts, sondern auch einer ideologischen Verschiebung. Der sittenstrenge Wahhabismus, der zur Staatsreligion in Saudi-Arabien wurde, fand unter Bosniaken immer mehr Anhänger. Obwohl die ultra-frommen Anhänger dieser Strömung in Bosnien eine Minderheit sind, haben sie dennoch Einfluss auf die Auslegung des Islams in der Region.

Die meisten IS-Kämpfer pro Kopf

In den 1990er Jahren ereignete sich in Zentralbosnien-Herzegowina etwas, das die Menschen bis heute inspiriert und erklärt, warum dieses Land heute im Verhältnis zur Bevölkerung mehr Männer im Dschihad bzw. für die IS kämpfen als die meisten anderen Länder Europas.

Einer der Brennpunkt-Orte in Bosnien ist das Dorf Gornja Maoca in den bosnischen Bergen. Etwa 200 Menschen leben hier. Hier wehten IS-Fahnen, von hier aus zogen Kämpfer nach Syrien. Auch der Mann, der auf die US-Botschaft in Sarajevo schoss und „Allahu akbar“ rief, lebte hier. Die bosnischen Behörden sehen darin mittlerweile ein Sicherheitsproblem, aber die Dorfbewohner zeigen sich selbstbewusst und hoffen auf den EU-Beitritt. Aber auch andere Orte wie Ošve, Bosanska Bojna oder Dubnica sind berühmt-berüchtigt. Auch dort soll islamistisches Gedankengut gepflegt und verbreitet werden. Die radikalen Ideologien beschränken sich jedoch nicht nur auf abgelegene Ortschaften, sondern haben auch die Hauptstadt Sarajevo bereits im großen Stil erreicht. Auch dort sind immer häufiger Anhänger wahhabitischer/salafistischer Gruppen zu finden.

Der Balkan als Tor nach Europa

Auch wenn das Problem des radikalen Islams bereits seit dem Jugoslawienkrieg besteht, beschäftigten sich die bosnisch-herzegowinischen Institutionen mit den gewaltbereiten strenggläubigen Muslimen erst seit dem Syrienkrieg. Als offensichtlich wurde, dass sich eine nicht zu unterschätzende Anzahl junger Bosniaken dem IS angeschlossen hat, wurde das Kämpfen im Ausland bzw. die Anstiftung zu Auseinandersetzungen mit Waffengewalt unter Strafe gestellt. Gleichzeitig wurden die IS-Rückkehrer entweder verurteilt oder stehen unter starker Beobachtung durch die Polizei.

Dass ein radikaler Islam vom Balkan nicht nur ein Problem Bosniens, bzw. anderer Länder der Region darstellt, sondern auch Österreich und andere EU-Länder bereits erreicht hat, zeigen auch zahlreiche Beispiele von Hasspredigern und islamistischen Gewalttätern mit Wurzeln in Bosnien, Serbien oder dem Attentäter von Wien, der aus Mazedonien stammte.

Auch wenn man glauben möchte, dass Islamisten vor allem aus dem Nahen Osten stammen, so sollte man auch den Balkan keinesfalls aus den Augen lassen. Es ist von entscheidender Bedeutung, den traditionellen, moderaten Islam in Bosnien-Herzegowina zu schützen und zu bewahren, um die Sicherheit und Stabilität des Landes, aber auch ganz Europas zu gewährleisten.“

Anmerkung der Redaktion:
Dieser Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider.
Nicht die Meinung der KOSMO Redaktion.