Während Israel und Iran am Rande eines offenen Krieges stehen, zeichnet sich eine humanitäre Katastrophe ab, die alle bisherigen Flüchtlingskrisen in den Schatten stellen könnte.
Die Trump-Administration erwägt offenbar ernsthaft eine militärische Unterstützung Israels im Konflikt mit dem Iran. Politische Indikatoren und Marktentwicklungen deuten auf eine wachsende Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios hin. In der öffentlichen Debatte finden die potenziellen Folgen einer solchen Intervention jedoch kaum Beachtung – insbesondere die humanitären Konsequenzen.
Ein Zusammenbruch der iranischen Regierung und ein daraus resultierender Bürgerkrieg könnten zur größten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg führen.
Der Iran birgt ein deutlich höheres Destabilisierungspotenzial als Syrien. Mit über 92 Millionen Einwohnern – fast viermal mehr als Syrien vor Kriegsbeginn – würde selbst bei vergleichbarer Fluchtquote eine Massenbewegung von mehr als 23 Millionen Menschen entstehen. Dies würde die weltweite Flüchtlingspopulation um mehr als 70 Prozent erhöhen. Hinzu kommen etwa 3,5 Millionen afghanische Flüchtlinge, die bereits im Iran leben und ebenfalls fliehen würden. Die Gesamtzahl könnte somit 25 Millionen überschreiten.
Der syrische Bürgerkrieg, der 2011 begann, führte bereits Ende 2012 zur Flucht von über 700.000 Menschen. Bis 2021 stieg die Zahl der Flüchtlinge auf 6,8 Millionen, während weitere 7,4 Millionen Syrer innerhalb des Landes vertrieben wurden. Zeitweise befand sich fast die Hälfte der syrischen Bevölkerung nicht mehr an ihren Heimatorten. Diese Krise verursachte massive humanitäre, wirtschaftliche und politische Verwerfungen – besonders in den Nachbarstaaten und Europa. Manche Analysten sehen in den Ängsten vor syrischen Flüchtlingen sogar einen Faktor für Donald Trumps Wahlsieg 2016.
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Iranische Fluchtfaktoren
Im Unterschied zu Syrern verfügen Iraner über bessere wirtschaftliche Ressourcen für eine Emigration. Das Pro-Kopf-BIP des Iran liegt nach Kaufkraftstandard dreimal höher als das syrische im Jahr 2011. Die iranische Bevölkerung pflegt tiefere kulturelle und historische Verbindungen zum Westen, und Farsi – die Hauptsprache des Landes – gehört wie Englisch und Deutsch zur indoeuropäischen Sprachfamilie, was die sprachliche Integration erleichtert.
Bereits vor einer möglichen Krise leben etwa 4,5 Millionen Iraner im Ausland – bestehende Diaspora-Gemeinschaften, die zu Anlaufstellen für neue Flüchtlinge werden könnten. Der Großteil der iranischen Bevölkerung konzentriert sich in Städten, besonders im Westen des Landes. Bei einem Zusammenbruch der Infrastruktur und öffentlichen Dienste könnten urbane Gebiete rasch zu Brennpunkten humanitärer Not werden.
Die ersten Fluchtrouten würden nach Aserbaidschan, Armenien, in den Irak und die Türkei führen – Länder, die bereits unter der Last früherer Migrationsbewegungen stehen. Obwohl die Türkei Millionen syrischer Sunniten aufgenommen hat, bleibt fraglich, ob sie gegenüber schiitischen Flüchtlingen aus dem Iran ähnlich aufnahmebereit wäre. Im Irak könnten mehrere Millionen neue schiitische Iraner das fragile politische Gleichgewicht erheblich stören.
Aktuelle Evakuierungen
An den nördlichen Grenzübergängen des Iran werden bereits Staus und chaotische Zustände gemeldet – Iraner fliehen über die Türkei, Aserbaidschan und Armenien. Befürchtungen vor nuklearen Zwischenfällen oder dem Zusammenbruch der Gesundheits- und Sozialsysteme verstärken die Panik.
Unter solchen Umständen könnte die Flüchtlingszahl sogar schneller steigen als in Syrien.
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