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INTERVIEW

Ahmed Husagić: „Nur gemeinsam sind wir die Kraft der Heimat“

FOTO: Markus Sibrawa

Ahmed Husagić war jahrelang für die SPÖ tätig und zählte zu den beliebtesten Politikern der Sozialdemokratie. Nun hat er sich dazu entschlossen, in seinem Herkunftsland politisch aktiv zu werden. Wir sprachen mit ihm über die neue Bewegung „snaga domovine“ und weshalb er Österreich verlassen hat.

KOSMO: Wieso haben Sie sich dazu entschieden, die österreichische Politik zu verlassen und Teil der neuen Bewegung „Snaga domovine“ in Bosnien-Herzegowina zu sein?
Ahmed Husagić: Es gibt mehrere Gründe, die meine Entscheidung beeinflusst haben. An erster Stelle steht der große Wunsch den Bürgerinnen und Bürgern Bosnien-Herzegowinas zu helfen, damit sie endlich ein besseres Leben führen können. Ich bin in Bosnien-Herzegowina aufgewachsen und war für die Dauer des Krieges in Sarajevo. Mit diesen Menschen habe ich gute und schlechte Momente geteilt und es ist mir nicht nur ein Bedürfnis, vielmehr fühle ich mich verpflichtet, ihnen zu helfen. Das ist auch der Beweggrund meiner Kolleginnen und Kollegen, die mit mir in dieser Bewegung sind.

Ein weiterer wichtiger Beweggrund, der auch die österreichische Gesellschaft betrifft, ist die globale politische Lage. Das Erstarken von rechtspopulistischen bis hin zu rechtsextremen Kräften in Europa setzte mit dem Krieg in Ex-Jugoslawien ein. Die Saat des Bösen, der faschistischen Bewegung, keimte und griff auf Europa über. Bis zu diesen kriegerischen Auseinandersetzungen war in Europa ein Aufwärtstrend zu beobachten- nämlich in der wirtschaftlichen Entwicklung und Einigkeit. Danach setzten desintegrative Prozesse in Europa ein. Das spiegelt sich in den Aussagen bestimmter europäischer PolitikerInnen, aber auch in den Wahlergebnissen in vielen europäischen Ländern, wider. Das Übel muss man an der Wurzel packen und eine dieser Wurzeln liegt auch am Balkan.

Die Kraft der Heimat sind die Menschen. Sowohl jene, die im Heimatland leben als auch die, die ausgewandert sind. 

Ahmed Husagić

Jetzt wo Sie eine gewisse Distanz zu Österreich haben – wie haben Sie die österreichische politische Szene als Politiker mit Migrationshintergrund erlebt?
Ich habe keine Distanz zu Österreich aufgebaut. Österreich ist auch ein Teil von mir. Hier habe ich viel gelernt, bin großartigen Menschen begegnet und bedeutende Lektionen in Sachen Menschlichkeit bekommen. Meinen Lebensmittelpunkt habe ich nun sowohl in Österreich als auch in Bosnien-Herzegowina. Politisch gesehen, bin ich und werde es auch in Zukunft bleiben, ein Teil der stolzen sozialdemokratischen Bewegung. Ich bin hoffnungsvoll, dass Antworten folgen werden, die die Sozialdemokratie in Österreich auf den Erfolgsweg geleiten- vergleichbar mit der erfolgreichen SPÖ auf Landesebene in Wien.

Sind Sie der Meinung, dass Sie mehr für Bosnien-Herzegowina tun können, wenn sie vor Ort sind, als das von Österreich aus möglich war?
In den vergangenen fünf Jahren haben wir durch humanitäre und ökonomische Projekte versucht Reformen in Bosnien und Herzegowina voranzutreiben. Wir sind jedoch zu der Erkenntnis gelangt, dass wir ohne eine direkte politische Beteiligung keine Veränderung herbeizuführen können. Das ist eindeutig der schwierigere Weg, aber der Einzige, der erfolgsversprechend ist. Die Menschen wandern aus Bosnien und Herzegowina aus und die, die bleiben leben in immer schlechteren Verhältnissen.

Was sind die großen Ziele bzw. Hauptpunkte des Programmes von „Snaga domovine”?
In erster Linie wollen wir die politische Stimmung, die sowohl in der Heimat als auch bei den Menschen in der Diaspora, die aus Bosnien-Herzegowina stammen, äußerst negativ ist, verändern. Die letzten 30 Jahre falscher nationalistische und korrupter Politik, die auf Lügen gestützt ist, haben Spuren hinterlassen. Die Menschen vertrauen nicht mehr, die Negativität dominiert. Wenn wir das Klima nicht verändern, können wir auch keine positiven Ergebnisse erwarten. Wir müssen wieder daran glauben, dass wir es schaffen können. Außerdem werden wir an konkreten Projekten arbeiten, es wird z.B. einen Reformkatalog, der all jene Maßnahmen beinhalten wird, die für eine Erholung der Gesellschaft notwendig sind, geben. Wir sind auch auf der Suche nach Menschen, die Erfahrungen in erfolgreichen Unternehmen und Ländern gesammelt und sich ihr Wissen dort angeeignet haben. Ihr Können und ihr Wissen können zu einer Wende beitragen.

Mit den bisherigen Kampagnen (Werbeplakate, etc.) forcieren Sie die Liebe zum Heimatland. Wie kann man dieses positive Gefühl innerhalb der bosnisch-herzegowinischen Bevölkerung stärken, angesichts der Tatsache, dass die Menschen dort noch mit Kriegstraumata und ethnischer Teilung zu kämpfen haben?
Die bosnisch-herzegowinische Gesellschaft kämpft mit ethnischer Teilung, die auch einer der Hauptgründe für die negative politische und wirtschaftliche Situation ist. Ich bin der Meinung, dass es an der Zeit ist, das Konzept, das für den Kriegsbeginn ursächlich war, abzulegen. Man muss sich wieder den gemeinsamen Werten widmen, die über Jahrzehnte die bosnische Gesellschaft ausmachten, nämlich Zusammengehörigkeit, Solidarität, Gleichheit, Diversität. Das Achten von allen Menschen ohne Rücksicht auf ihre Namen und ihre Herkunft. Im Grunde sind das jene Werte, die eine Gesellschaft bereichern.

Worin liegt die „Kraft der Heimat“ („Snaga domovine“) und wie kann man sie für das Gemeinwohl aller Bürger nützen?
Die Kraft der Heimat sind die Menschen. Sowohl jene, die im Heimatland leben als auch die, die ausgewandert sind.  Sie sind die Kraft, die die Lage verändern kann und da spreche ich nicht nur von der Wirtschaft, auch die Politik ist hier mitgemeint. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir nur mit gemeinsamer Kraft gewinnen können. Nur gemeinsam sind wir die Kraft der Heimat.