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AKWs

Atomkraft: Eine tickende Zeitbombe oder eine effiziente Energiequelle?

In Europa gibt es 124 Reaktoren bzw. ein viertel der weltwei-ten Reaktoren. Auf der Karte ist das Risiko der Atomstrahlung dargestellt. (FOTO: GLOBAL 2000)

Bereits seit einigen Jahrzehnten ist Atomkraft Gegenstand hitziger Diskussionen, sowohl in der Fachwelt als auch in der Öffentlichkeit. Hinter dieser Form der Energie verstecken sich viele Risiken für unseren gesamten Planeten.

In den frühen Morgenstunden des 22. März 2002, genauer gesagt um 6:24 Uhr, verzeichneten die Seismografen des Seismologischen Instituts der Republik Kroatien ein schweres Erdbeben. Das Epizentrum befand sich in Markuševac unweit von Zagreb. Die Magnitude erreichte eine Stärke von 5,5 auf der Richterskala, während im Epizentrum selbst sogar eine Stärke von 7 auf der Mercalliskala erreicht wurde. Das Beben war in ganz Kroatien zu spüren, am meisten in Rijeka, Varaždin und Slavonski Brod. Rund um das Epizentrum richtete das Erdbeben große Schäden an. Um 7:01 Uhr kam es zu einem Folgebeben der Stärke 5. Nur 40 Minuten danach wurde ein zweites, schwächeres, Nachbeben mit einer Stärke von 3,7 auf der Richterskala verzeichnet. Diese Daten stammen vom Seismologischen Zentrum Europa-Mittelmeer. Das Epizentrum der Erdbeben befand sich nordöstlich von Zagreb in einer Tiefe von sechs bis zehn Kilometer unter der Erde.

Laut kroatischen Medien handelte es sich bei diesem Erdbeben um das schwerste, welches Zagreb in den letzten 140 Jahren traf. Zahlreiche Einfamilienhäuser, Krankenhäuser und andere Gebäude wurden beschädigt. Der Schaden wird heute auf rund elf Milliarden Euro geschätzt. Das Erdbeben traf Zagreb bzw. Kroatien zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, am Höhepunkt der Coronakrise, als noch strenge Ausgangsbeschränkungen herrschten.

Nach dem in den letzten 140 Jahren schwersten Erdbeben in Zagreb stellt sich die Frage: Besteht die Gefahr einer Explosion im AKW Krško, das sich im Erdbebengebiet befindet? (FOTO: zVg.)

Neben all diesen Problemen und der Angst vor einer Infektion, beschäftigte die Bürger Kroatiens noch eine Frage: Was ist mit dem Atomkraftwerk Krško? Wurde es vom Erbeben beschädigt und welche Bebenstärke hält es maximal aus. Diese Fragen lösten eine heftige Diskussion in der Öffentlichkeit aus, die vor allem von Atomkraftgegnern geführt wurde – allen voran in Österreich, da das Land von zahlreichen AKWs umgeben ist. Warum sind Atomkraftwerke so gefährlich und warum ist die Nutzung dieser Energieart eine Bedrohung für die gesamte Welt?

Atomenergie
Atomenergie ist die Energie eines Nucleus, bzw. Atomkerns. Um sie für die Erzeugung von Strom zu nützen, muss der Kern jedoch aus dem Atom freigelassen werden. Es gibt zwei Atomreaktionen, die Atomenergie freisetzen: die nukleare Fusion und die nukleare Fission. Bei der ersten Methode werden Atome zusammengeführt, bei der zweiten gespalten. Allerdings ist es unmöglich, auf eine sichere und verlässliche Art und Weise Energie mit einer nuklearen Fusion zu erschaffen.

Atomreaktoren verwenden Uran als Treibstoff, um eine nukleare Fission durchzuführen (Uranium-Atome werden gespalten). Nuklearenergie verursacht bei der Erzeugung keine Luftverschmutzung oder einen Treibhauseffekt. Dennoch können die Folgen der Erzeugung von Atomenergie verheerend sein. Befürworter von Nuklearenergie behaupten, dass es sich um saubere und reine Energie handelt, während Gegner davon überzeugt sind, dass der Atommüll jegliche Vorteile überschattet. Zusammen mit anderen erneuerbaren Energiequellen wird auch bei der Atomenergie Strom mit wenig Kohlendioxidemission erzeugt.

Seit Beginn der kommerziellen Nutzung von Atomenergie in den 1970er Jahren wurden 64 Milliarden Tonnen schädlicher Gase weniger produziert, als wenn man ausschließlich mit fossilen Brennstoffen in Kraftwerken gearbeitet hätte. Wenn man sich einige Statistiken ansieht, so ist die Anzahl an Todesopfer, die Atomkraft forderte, geringer als jene, bei anderen Methoden der Energiegewinnung. Sowohl Kohle- als auch Öl-, Erdgas- und Hydroenergiekraftwerke verursachen mehr Todesfälle.

Während des Normalbetriebes hat ein Atomkraftwerk keine nega-tiven Auswirkungen auf die Umwelt, aber die Risiken sind zu groß.

„Während des Normalbetriebes hat ein Atomkraftwerk keine negativen Auswir-kungen auf die Umwelt. Und angesichts der Tatsache, dass es keine Treibhausgase und -partikel gibt, die die Luft verschmutzen, denke ich, dass man von einer grünen Option sprechen kann. Die Strahlung rund um das Kraftwerk ist auf ein Mini-mum natürlicher Strahlung reduziert. Gleiches gilt für radioaktive Ablässe. Dies bedeutet, dass Einwohner, die direkt am Zaun eines AKWs leben jährlich weniger als 0,01 Prozent der jährlichen natürlichen Verstrahlung aufweisen”, erklärte dr. Kreši-mir Trontl, außerordentlicher Professor an der Fakultät für Elektro- und Computer-technik in Zagreb (FER) und Vizepräsident der Kroatischen Atomvereinigung im Interview für „Al Jazeera”. Trontl erinnerte zudem daran, dass die Atomindustrie große Anstrengungen unternehme, um die Sicherheit von AKWs noch weiter zu verbessern, und betonte, dass in den letzten 30 Jahren die Wahrscheinlichkeit für einen Super-GAU in AKWs um das Tausendfache gesenkt wurde.

Allerdings sind die Gasemissionen und Sicherheit der Nuklearkraftwerke nicht die einzige Sorge, die viele plagt. Der Uran bergbau hat auch negative Folgen für die Umwelt und Menschen. Das zeigen Studienergebnisse aus einer Reihe an Ländern, von Bulgarien bis hin zu Niger. Auch nach der Schließung der Bergwerke und nach dem Versuch, das dortige Gebiet ökologisch zu erneuern, stellen diese Orte eine Einöde dar. Aufgrund von schlechten gesetzlichen Regelungen und des Desinteresses der Bergwerkbetreiber erreicht verstrahltes Material auch das Grundwasser bzw. landwirtschaftliche Flächen, die sowohl von Mensch als auch Tier genutzt werden. In einigen Fällen wurde auch nachgewiesen, dass Winde bei Grabungsarbeiten nukle-are Teilchen und Gase in der Umgebung verbreiten, insofern das geborgene Material im Freien gelagert wird. Auch gesundheitliche Folgen des Uranbergbaus wurden nachgewiesen. In Bulgarien wurde eine überdurchschnittliche Anzahl von Krebserkrankungen des Verdauungstraktes und der Lunge bei jenen Menschen verzeichnet, die an Orten unweit von Uranbergwerken leben.

Neben den Problemen, die der Uranbergbau für Menschen und die Umwelt verursachen kann, warnt dr. Tomislav Tkalec von der Laibacher Gesellschaft für nachhaltige Entwicklung „Focus” vor Atommüll. Der slowenische Experte erklärt, dass der radio-aktive Abfall aus Atomkraftwerken mehr als 300.000 Jahre unter kontrollierten Bedingungen entsorgt werden muss. Das sei ein Zeitraum, der die menschliche Zivilisation weit übersteige. „Dies bedeutet, dass wir zukünftigen Generationen gefährlichen Atommüll, mit welchem sie später über eine sehr lange Zeit zu Rande kommen müssen, um heute für 40 bis 60 Jahre genügend Ener-gie zu haben. Die Unterschiede zwischen der Nutzungsdau er und der Bürde für die Nachwelt sind immens”, so Doktor Tkalec.

Niger ist einer der fünf größten Uranproduzenten auf der Welt und 90% seiner Bevölkerung ist ohne Strom.

Abseits der negativen Auswirkungen auf die Umwelt und das Leben befinden sich Uranbergwerke vielerorts in besonders armen Gebieten. Die Tatsache, dass Niger zu den fünf größten Uranproduzenten gehört und gleichzeitig das viertärmste Land der Welt ist (Human Development Index), ist mehr als nur beunruhigend. 17 Prozent des in Europa importierten Urans kommt genau aus diesem Land, währenddessen 90 Prozent der Menschen in Niger ohne Strom leben.

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