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GESCHICHTE

Balkan Stories: Der Frühling nach dem langen Winter

(Foto: Balkan Stories)

Die Proteste nach zwei Amokläufen mit 18 Toten in Serbien haben für das Regime von Aleksandar Vučić bedrohliche Ausmaße erreicht. Am Freitag waren in Beograd bis zu 200.000 Menschen auf der Straße. Serbiens Regime tritt die Flucht nach vorne an. Reportage.

Man sieht die Straße nicht vor lauter Menschen.

Hinten Massen.

Vorne Massen.

Die Kneza Miloša im Stadtzentrum von Beograd ist am Freitag keine Straße mehr. Sie ist Protest.

Nur die Ampeln sind in Betrieb.

Niemand weiß, warum.

Eine Stadt ist auf der Straße. Man kann es nicht anders ausdrücken.

Massen an Schülerinnen und Schülern. Zwölf sind sie, dreizehn, vierzehn.

Sie haben keine Lust, auf sich schießen zu lassen.

Kann man verstehen.

Veteranen der Proteste gegen Slobodan Milošević, die teils zehn Jahre und länger im politischen Winterschlaf waren.

Studenten, Pensionisten, Eltern, und eine kleine Delegation Minenarbeiter von Jedinstvo Kolubara.

Als sie im Jahr 2000 begannen, sich an den Demonstrationen gegen Milošević zu beteiligen, stürzte das Regime.

Diesmal sind es nur eine Handvoll Männer aus der Mine.

Aber eine Handvoll, die Hoffnung macht.

(Foto: Balkan Stories)

Als sie mit ihren Fahnen die Demo am Ausgangspunkt vor dem Parlament betreten, beginnt die Masse zu klatschen.

Die Handvoll Kumpels aus Kolubara könnte eine Masse werden, wenn die Proteste weitergehen, hoffen so manche hier.

Und es ist ja auch erst der dritte Freitag, an dem man auf der Straße steht.

„Rettungsauto“ ruft irgendwer von hinten.

Die Masse bildet augenblicklich eine Rettungsgasse.

Ohne nennenswerte Verzögerung fährt das Rettungsauto mit Baulicht vorbei.

Die Menschen klatschen.

Eine in dieser unüberschaubaren Masse ist Nada.

„Ich bin heute extra aus München hierher geflogen, um zu protestieren“, sagt sie.

Nada lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland. Dass sie jemals an einer Demonstration in Beograd teilgenommen hätte, daran kann sie sich gar nicht erinnern.

„Was in diesem Land passiert, ist furchtbar“, sagt sie. „Es muss sich etwas ändern.“

Es ist etwas zerbrochen im Reich von König Aleksandar.

Die zwei Amokläufe mit 18 Toten innerhalb von nur zwei Tagen Anfang Mai haben breite Teile der Bevölkerung aus der politischen Apathie gerissen – vor allem der Massenmord an einer Grundschule im Stadtzentrum von Beograd.

Zehntausende waren bei ersten Protesten auf der Straße.

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