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BALKAN

Balkan Stories: Peron 1, Bahnhof Mostar

(FOTO: Balkan Stories)

Bahnsteig 1 am Bahnhof Mostar zeigt täglich, wie heruntergekommen der Eisenbahnverkehr im gesamten ehemaligen Jugoslawien ist. Verantwortlich sind wie üblich Privatisierungswahn, Korruption und Nationalismus.

Es ist gegen sechs Uhr früh. Ich stehe am Bahnsteig 2 des Mostarer Bahnhofs.

Der Zug nach Sarajevo sollte bald kommen. Der Bahnsteig ist einigermaßen voll mit Reisenden. Viele sind Touristen.

Was ich am Bahnsteig gegenüber sehe, mag ich kaum glauben.

(FOTO: Balkan Stories)

Das sind keine Autos, die auf einen Autoreisezug warten würden. Derlei gibt es nicht in Bosnien.

Bahnsteig 1 am Bahnhof Mostar ist ein Parkplatz.

Das entbehrt nicht einer gewissen Logik.

Wenn es keine Züge gibt, kann man die Betonfläche genausogut anders nützen. Das ist bosnische Pragmatik.

Und es fahren auch nur zwei Züge am Tag von diesem Bahnsteig ab.

Beide kommen aus Sarajevo. Einer gegen neun in der Früh, einer gegen neun am Abend.

Der Abendzug ist der einzige Zug, der Sarajevo mit dem Ausland verbindet.

Er fährt nach Ploče in Kroatien.

Das kommt für bosnische Verhältnisse einem Wunder gleich. Diese Anbindung an die Welt gibt es erst seit dem Vorjahr wieder.

Dass es zwischen Sarajevo und Mostar, der zweitgrößten Stadt des bosnjakisch-kroatischen Teilstaats Federacija, nur zwei Zugverbindungen pro Tag gibt, sagt ohnehin alles über den Eisenbahnverkehr in Bosnien aus, das die Szene am Bahnsteig 1 des Mostarer Bahnhofs nicht sagt.

Auch diese Verbindungen sind nach halbwegs seriösen Maßstäben ein Witz.

Strecke wurde ausgebaut – aber wozu?

Die Strecke durch die Berge der Hercegovina mag malerisch schön sein – die Fahrt ist unerträglich langsam.

(FOTO: Balkan Stories)

Nur an ganz wenigen Stellen fährt der Zug schneller als 100 km/h.

Und das, nachdem die Strecke jahrelang wegen massiver Aufrüstungen geschlossen gewesen war, damit die beiden modernen Zuggarnituren dort überhaupt fahren konnten.

Um die Sache unterhaltsamer zu machen, kann man an den meisten Haltestellen auf der Strecke offiziell nur aus- und nicht einsteigen. Zumindest laut Homepage der Eisenbahn der Federacija.

Viel Spaß, auf deren Seite herauszufinden, wann man von Jablanica nach Sarajevo oder Mostar fahren kann. Man erfährt nur die Ankunftszeiten.

Etwas schrullig, wenngleich typisch, wirkt auch der Umstand, dass der Bahnhof von Jablanica Jablanica Grad heißt. Er liegt mitten im Wald, kilometerweit von der Stadt entfernt.

Eine Busverbindung in die Stadt wird es eher nicht geben.

Zumindest einen Vorteil haben die spärlichen Bahnverbindungen zwischen Mostar und Sarajevo: Die Fahrt ist etwa eine Stunde schneller als die schnellste Busverbindung.

Dafür verkehren zwischen den beiden Städten stündlich Busse.

Vom Bahnhof Sarajevo aus gibt es pro Tag auch nur knapp drei Dutzend Verbindungen pro Tag – beide Richtungen zusammengerechnet, wohlgemerkt.

Die meisten sind der Regionalverkehr auf der Strecke zwischen Sarajevo und Zenica. Das ist die einzige halbwegs genutzte Bahnstrecke Bosniens.

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