Österreichs Bildungssystem zeigt eine bedenkliche Schieflage: Ausgerechnet an Mittelschulen mit den herausforderndsten Schülern unterrichten häufiger unqualifizierte Lehrkräfte.
Die OECD-Lehrerstudie Talis (Internationale Lehrerstudie) zeigt, dass Lehrkräfte an Mittelschulen trotz herausfordernder Bedingungen häufiger Fächer unterrichten müssen, für die sie keine entsprechende Ausbildung besitzen. In Mittelschulen ist der Anteil an Schülern mit Lernschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten oder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien deutlich höher als in der AHS-Unterstufe. Während in der AHS-Unterstufe nur 16 Prozent der Lehrkräfte angeben, dass mehr als 30 Prozent ihrer Schüler Lernprobleme haben, liegt dieser Wert in Mittelschulen bei 42 Prozent.
Besonders problematisch: In Mittelschulen unterrichten 21 Prozent der Lehrkräfte Fächer, für die sie nicht oder nur teilweise qualifiziert sind – im Vergleich zu lediglich 7 Prozent an AHS. Diese fachfremd eingesetzten Pädagogen verfügen zudem seltener über eine reguläre Lehrerausbildung. Stattdessen haben sie oft verkürzte, fachspezifische oder reine Fachausbildungen absolviert.
Dieses Problem tritt verstärkt an Schulen auf, die von Kindern aus bildungsfernen oder einkommensschwachen Familien besucht werden, und ist in städtischen Gebieten häufiger anzutreffen als in ländlichen Regionen. Der Übergang ins Gymnasium nach der Volksschule erfordert mindestens die Note „Gut“ in den Fächern Deutsch, Lesen und Mathematik. Diese Zugangsbeschränkung spiegelt sich in der Schülerstruktur wider: AHS-Lehrer berichten von deutlich weniger leistungsschwachen Schülern als ihre Kollegen an Mittelschulen.
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Herausfordernde Klassenzusammensetzung
An Mittelschulen geben deutlich mehr Lehrkräfte an, dass über 30 Prozent ihrer Schüler Schwierigkeiten mit der Unterrichtssprache haben. In jeder zehnten Mittelschulklasse haben mehr als 90 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund. Ein Viertel der Mittelschullehrer unterrichtet Klassen, in denen über 30 Prozent der Schüler aus sozioökonomisch benachteiligten Familien stammen, die zu Hause oft keine ausreichende Lernunterstützung erhalten können.
Auch Verhaltensauffälligkeiten sind an Mittelschulen verbreiteter – 18 Prozent der Lehrer berichten von Klassen mit mehr als 30 Prozent verhaltensauffälligen Schülern, während es an AHS nur 6 Prozent sind. In Österreich zeigt sich zudem ein deutliches Gefälle zwischen jungen und erfahrenen Lehrkräften. Berufsanfänger mit weniger als fünf Jahren Unterrichtserfahrung unterrichten häufiger Klassen mit über 30 Prozent leistungsschwachen Schülern als ihre dienstälteren Kollegen (38 gegenüber 29 Prozent).
Erfahrene Lehrer fehlen
Auch bei Klassen mit mindestens zehn Prozent Kindern, die Probleme mit der Unterrichtssprache haben oder verhaltensauffällig sind, werden öfter Junglehrer eingesetzt. Andreas Schleicher, Bildungsdirektor der OECD, vertritt die Ansicht, dass gerade an schwierigen Schulstandorten die erfahrensten Lehrkräfte unterrichten sollten. Bei der Online-Pressekonferenz zur Veröffentlichung der Studie zeigte er sich „desillusioniert“, da in den 54 teilnehmenden Ländern und Regionen meist das Gegenteil der Fall ist.
„In vielen Ländern bekommen die erfahrensten Lehrer die einfachste Aufgabe und die mit weniger Erfahrungen die schwierigste“ – obwohl die Herausforderungen durch Sprachprobleme und speziellen Förderbedarf international zugenommen haben.
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