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KOMMENTAR

Bosnien-Herzegowina ist der neue Vatikan: Zwischen Religion und Scheinheiligkeit

Bosnien Wahlen
Einige Wähler haben ihre eigenen Kandidaten vorgeschlagen. (Foto: zVg.)

Die Wahlen in Bosnien-Herzegowina haben auch positive Ergebnisse hervorgebracht. Denn die Wahlbeteiligung war besser als erwartet und nur einer, von möglichen drei Separatisten, ist Teil der dreiköpfigen Präsidentschaft geworden.

Nach dem Wahlsonntag gibt es auch gute Nachrichten, denn knapp 54 Prozent der 3,4 Millionen wahlberechtigte Bosnier haben ihre Stimmen abgegeben. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und vorherrschenden Armut vermuteten einige Beobachter eine geringe Wahlbeteiligung. Die bosnischen Wähler verhinderten auch, dass der katholische Dragan Čović und der orthodoxe Milorad Dodik, zwei bekannte Separatisten, nicht gleichzeitig im Präsidentschaftsamt sitzen.

Die beiden Herren, die immer wieder mit der Abspaltung der von ihnen kontrollierten Landesteile drohen, hätten das ethnisch fragmentierte Bosnien von innen zerstört. Diesmal konnte sich jedoch nur Dodik durchsetzen. Čović verlor seinen Platz im Staatspräsidium an seinen Kollegen Željko Komšić. Dieser stammt aus der linksdemokratischen „Demokratischen Front“, der sich für ein Gesamtbosnien einsetzt. Milorad Dodik war in den 90er Jahren auch nur ein Geschäftsmann, dem es um schnell verdientes Geld ging. Somit stellt sich hier auch die Frage, wie lange es dauern wir bis Čović sein wahres Gesicht zeigen wird. Die bosniakischen Wähler stimmten für den muslimischen Šefik Džaferović aus der SDA Partei. Hier änderte sich nach den Wahlen genau gar nichts. Denn Džaferović ist der verlängerte Arm von Bakir Izetbegović. Somit herrschen die „religiösen“ Parteien des Landes.

Keine Lösungen für Bürger
Für Juden, Roma, Atheisten, anders-denkende oder –gläubige gibt es keine wählbare „Alternative“ bzw. Opposition, von denen sie auf politischer Ebene vertreten werden. Die religiösen Parteien, die weder der Kirche noch einer Moschee unterstehen, predigen keine moralischen Inhalten und liefern auch keine Lösungen für die Probleme der Bürger.  Sie wurden schlichtweg durch den Friedensvertrag von Dayton installiert, um den Krieg zu beenden. Seit dem wählen die Bürger die angeordneten religiösen Parteien. Die Arbeitslosigkeit in Bosnien-Herzegowina liegt bei 25 Prozent, jährlich wandern mehrere Tausende Menschen aus dem Land aus und die Armut steigt weiter an. Die unfähige Bürokratie, Korruption, schlechte Wirtschaft usw. wären eigentlich Probleme die gleichzeitig mehrere Länder tragen könnten. Doch das ist der Alltag in Bosnien-Herzegowina.

Angela Merkel als bosnische Präsidentin
Nach 22 Jahren und acht freien Wahlen kam es zu keinem Fortschritt im Land. Es stellt sich die Frage, ob sich die Menschen Bosnien-Herzegowinas bewusst sind, was ihre Stimme wert ist. Bilder von kreativen Stimmzetteln kursieren derzeit in den sozialen Netzwerken. Einige Wähler schlugen Kandidaten wie Angela Merkel, Husref Musemić, Luka Modrić und Mo Salah vor. Verständlich, dass man die prekäre Lage auch mit Humor betrachten muss. Doch die nationalistisch lechzenden Politiker nutzen den Status Quo zu ihren Gunsten. Sie spielen mit der Bevölkerung und die Wähler lassen sich von ihren Versprechungen blenden.

Diaspora fürchtet Vorankommen
Das Land lebt von der Großzügigkeit der Diaspora. Es scheint, als ob nahezu alle Bosnier nach ihrer Auswanderung andere Staatsbürgerschaften angenommen hätten. Deshalb können sie nicht mehr von ihrem Stimmrecht in der alten Heimat Gebrauch machen. Fürchtet die Diaspora ein Vorankommen Bosniens? Die Preise würden steigen, somit würden die Zahnarzt-und Friseurbesuche wesentlich teurer werden als jetzt. Internationale Akteure, die Bosnien so reformieren, dass es als demokratischer Staat funktionieren kann, wären die Lösung. Doch wäre käme da in Frage? China, Russland, Saudi Arabien, Türkei, EU oder die USA? Derzeit haben die internationalen Player in Bosnien nur wirtschaftliche Interessen und diese halten sich in Grenzen. Dass die Bevölkerung nach wie vor an demokratischen Werten festhält, haben die Wahlbeteiligung und die Massendemonstration für David und Dzenan gezeigt.