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REPORTAGE

AMS-Betrug: „Die Schwarzarbeit hat mein Leben zerstört“

Ružica (45)
Meine Probleme begannen, als ich arbeitslos wurde. Ich meldete mich beim AMS und bekam Arbeitslosengeld. Damit hätte ich, da ich alleine lebte, gerade auskommen können, aber nur, wenn ich keinen Kredit hätte abzahlen müssen. Ich habe sofort angefangen, eine neue Arbeit zu suchen, aber ich hatte kein Glück. Monate gingen ins Land und aufgrund meiner finanziell beengten Situation ging es mir psychisch immer schlechter. Ich besuchte Kurse vom AMS, die mir nicht halfen. Jeden Morgen musste eine ganze Armee von uns in den Kursen erscheinen, denn jedes Fehlen hätte den Verlust der finanziellen Unterstützung bedeutet. Aber Arbeit gab es keine.

Rettung erschien in Form einer Firma, die eine Mitarbeiterin meines Profils suchte, aber nur auf Honorarbasis. Ich konnte nicht wählerisch sein, sondern akzeptierte die angebotenen Bedingungen. Ich arbeitete so viel wie möglich und verdiente Beträge, die mein Budget erheblich verbesserten, die aber alleine zum Leben auch nicht reichten. Darum blieb ich weiterhin beim AMS gemeldet, jetzt bereits auf Notstandshilfe, und erhielt das Existenzminimum. Die neue Situation machte mich zufrieden und entspannt, und langsam zahlte ich den Freunden die Schulden zurück und fand das Leben wieder schön. Unterbewusst verdrängte ich den Gedanken an die Honorarnoten, die ich jeden Monat unterschrieb, und dachte, dass das Finanzamt nicht darauf kommen würde.

ÖSTERREICH

gehört noch immer zu den Ländern mit einem geringen Anteil an Schwarzarbeit.

Leider erhielt ich eines Tages einen eingeschriebenen Brief, in dem stand, dass ich für das Jahr 2015 Steuerschulden in Höhe von 6.430 Euro hatte. Was soll ich sagen, in dem Moment brach für mich die Welt zusammen. Ich hatte dieses Geld nicht und wusste nicht, was ich tun sollte. Und was am schlimmsten war: Ich war sicher, dass das der Anfang meines absoluten Untergangs war. Und wirklich begann eine Lawine. Ich erhielt einen Brief von Krankenkasse SVA, die einige tausend Euro für die Kranken- und Pensionsversicherung forderte, denn sie behandelten mich als selbständige Unternehmerin. Die endgültige Katastrophe brachte ein Brief vom AMS, in dem ich des Betrugs beschuldigt wurde. Es hieß, wir würden uns vor Gericht wiedersehen, sofern ich nicht bis zu einem gewissen Datum die gesamte Summe von fast 10.000 Euro, die ich im letzten Jahr parallel zu meinen Honoraren bezogen hatte, auf ihr Konto zurückzahlen würde.

Worte reichen nicht aus, um meinen damaligen Zustand zu beschreiben. Ich wusste nicht, was ich anfangen sollte, und ich schämte mich, irgendjemandem von dem Chaos zu erzählen, in dem ich gelandet war. Und noch schlimmer: Ich wusste, dass dieselben Forderungen auch noch für 2016 auf mich zukommen würden. Ich dachte sogar, es sei vielleicht das Beste, wegen der Schulden ins Gefängnis zu gehen, denn wenn man die beiden Jahre zusammenrechnete, kam man, einschließlich des nicht regelmäßig gezahlten Kredits, auf über 40.000 Euro. Aufgrund dieser Katastrophe begann ich, mich von den Menschen zurückzuziehen und öffnete niemandem mehr die Tür aus Angst, dass man mich aufsuchen würde, um ein Verzeichnis der Besitztümer in meiner Wohnung zu erstellen. Ich hatte bereits ernsthafte gesundheitliche Probleme, die mit Schlaflosigkeit, zitternden Händen und Depressionen einhergingen.

Eines Tages jedoch vertraute ich mich unter dem Druck meiner schwarzen Gedanken einem Kollegen an. Der lachte und sagte, ich sollte nicht verzweifeln, denn in diesem Land gäbe es für alles eine Lösung. Er erzählte mir seine Geschichte, die noch schlimmer war als meine, und empfahl mir das Büro eines Steuerberaters, der für mich einen Privatkonkurs einleiten könnte. Ich hörte auf ihn, packte meine Papiere zusammen und ging zu der empfohlenen Adresse. Zunächst zeigte der Herr, mit dem ich sprach, keinen Optimismus, vor allem, weil ich keine Arbeit hatte. Dennoch übernahm er meinen Fall und ich wandte meine ganze Kraft auf, um einen Arbeitsplatz zu finden. Ich rief Bekannte an, bat um Hilfe und hatte letztendlich Erfolg – ich fand eine Anstellung. Als ich dem Steuerberater die erste Abrechnung meines nicht allzu hohen Lohns brachte, sagte er mit viel Selbstvertrauen, dass wir es schaffen würden.

Drei Monate später stand ich zum ersten Mal in meinem Leben vor Gericht. Nach kurzer Beratung wurde entschieden, dass ich in den kommenden sieben Jahren in monatlichen Raten 12 % meiner Schulden abzahlen sollte, zu denen auch der Kredit hinzugerechnet wurde. Seitdem sind etwas mehr als zwei Jahre vergangen. Ich zahle jeden Monat 50 Euro und bin glücklich, dass die schreckliche Erfahrung hinter mir liegt. Das Ganze hat negative Auswirkungen auf mein Ansehen bei der Bank, denn ich werde bei Finanztransaktionen wie eine Bürgerin zweiter Klasse behandelt. Ich darf mich nicht mehr verschulden bzw. mein Konto überziehen und einen Kredit kann ich in meinem Leben wahrscheinlich nie mehr bekommen, aber das beunruhigt mich nicht. Im Gegenteil, ich kann wieder ruhig schlafen. Ich muss hinzufügen, dass mich diese Erfahrung zu einer korrekteren Bürgerin dieses Landes gemacht hat. Es kann mir nie wieder passieren, dass ich etwas tue, was gegen das Gesetz verstößt, nicht einmal, dass ich in den öffentlichen Verkehrsmitteln schwarzfahre.

AMS:

Bei schwerem Betrug wird sogar ein Strafverfahren eingeleitet.

Was den Grund für die Situation betrifft, in die ich geraten bin, kann ich dem Staat keine Schuld geben, denn das System war zu jener Zeit mehr als human. Menschen, die heute mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind, tun mir Leid, denn die Gesetze wurden verschärft. Der Staat hat mich nicht für die zusätzliche Arbeit bestraft, sondern nur für die Nichterfüllung meiner gesetzlichen Verpflichtungen. Ich habe versucht, das System zu betrügen, obwohl das eigentlich gar nicht meine Absicht war.