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INTERVIEW

Dr. Adnan Smajić – Vom Mediziner zum Tee-Sommelier!

Was macht ein Tee-Sommelier und aus welchem Grund hast du diesen Berufsweg eingeschlagen?
Ich habe angefangen, Tee zu trinken und schnell wurde die Idee geboren, einen Tee-Laden in Sarajevo zu eröffnen. Vielleicht war es eine Schnapsidee, aber immerhin: es war eine Idee! Für mich war von Anfang an klar, dass ich ohne besondere Kenntnisse, kein Teehaus eröffnen könnte. Auch aus meiner Aktivität als Arzt war mir bewusst, dass eine Symbiose aus Know-how und Leidenschaft elementar war, für eine erfolgreiche Tätigkeit. Es reicht aber eben nicht nur die Liebe zum Tee. Somit stand für mich fest, dass ich mir auch das nötige Spezialwissen anhand einer Ausbildung aneignen musste. Allerdings: das Sammeln von Wissen geschieht nicht nur mithilfe von Büchern. Nun war es Zufall, oder Glück? Die Tee-Akademie von Gschwendner wurde damals erst gegründet. Ich habe mich sofort angemeldet, war auf der Warteliste und habe schlussendlich mit Glück noch einen freien Platz bekommen.

Die Akademie befindet sich in der Nähe von Bonn, die mehrmonatige Ausbildung findet einmal jährlich mit 15 bis 20 Personen statt, und endet mit einer Abschlussprüfung. Der Vorteil besteht darin, dass man neben dem theoretischen Teil (Geschichte, Biologie, Physiologie etc.), die Gelegenheit hat, von einem echten Profi, einem „tea taster“ zu lernen. Tee ist schließlich eine komplexe Materie, man ist nicht nur Verkäufer. Vielmehr ist man mitverantwortlich für das körperliche und seelische Wohlbefinden seiner Kunden – denn genau darauf zielen die meisten Teesorten ab. Entscheidend für eine gute und richtige Kundenberatung ist, neben der Leidenschaft für seine Tätigkeit, ein hohes Maß an Wissen und Praxis. Meine Liebe zum Tee ist exponentiell mit dem Wissen um diese herrliche Materie mitgewachsen. Ohne die Akademie wäre es deutlich schwieriger gewesen, mein Teehaus zu eröffnen.

„Und der Name ist Programm: Tee lässt die Zeit stillstehen,
er ist ein Genussmittel aus einer anderen Epoche.“

Wie ist die Idee für „Franz & Sophie“ entstanden? Und warum dieser Name?
Im Jahr 2005 bin ich nach Bosnien-Herzegowina zurückgekehrt, zunächst habe ich in Sarajevo wieder in der Pharmabranche gearbeitet. 2011 habe ich dann den Sprung ins kalte Wasser gewagt, und mein Teehaus eröffnet. Gleich zu Beginn stand der Name fest – sogar vor meinem Businessplan und vor dem Gang zur Bank. Um ihn herum erst haben die anderen Aspekte des Unternehmerdaseins Gestalt angenommen. Und der Name ist Programm: Tee lässt die Zeit stillstehen, er ist ein Genussmittel aus einer anderen Epoche, er ist etwas Nobles, etwas Konservatives, verkörpert Nostalgie für die alte K&K Monarchie, in einer Zeit als Segelschiffe mit den Teesorten aus aller Welt nach Europa kamen. Franz (Anm. d. Verf.: Franz Ferdinand) & Sophie sind mit der Stadt Sarajevo durch ihren Tod eng verbunden. Ich bin fasziniert von ihrer Liebesgeschichte, die allen Widrigkeiten zum Trotz Bestand hatte.

Wie kommt ein Mediziner dazu, sich derart anderweitig zu orientieren? Was ist die Philosophie hinter deinem Geschäft?
Wahrscheinlich, weil ich kein guter Mediziner war, oder weil ich Medizin nicht mochte (lacht). Jedoch vermisse ich das Krankenhaus, den Arztkittel, die Umgebung, das Arbeiten als Arzt mit Menschen hat schon eine besondere Note. Leider hat sich in der heutigen Zeit vieles verändert: Geld spielt eine immer dominantere Rolle in der Medizin. Durch mein Zweitstudium in Deutschland habe ich auch einen weiteren Aspekt der Gesundheitsbranche, die Pharmaindustrie, kennengelernt. Medizin ist zudem sehr „mechanisiert“ geworden. Mir war es stets wichtig, mir einen Raum zu schaffen, in dem ich mich wohlfühle. Indem ich Menschen dieses Wohlbefinden vermittle, entstehen Verbindung und die Bindung zu meinen Kunden. Sie sollen gemeinsam mit mir in die vielfältige und stressfreie Welt der Tees eintauchen, man kann auch so wunderbare Geschichten dazu erzählen. Ich habe viel Laufkundschaft, aber auch viele Besucher, die bei mir im Geschäft teils stundenlang verweilen.

Genauso wie das Ansetzen von Tee, Zeit braucht, sollen sich auch die Leute Zeit nehmen, um den vollen Genuss mit allen Sinnen wahrzunehmen. Tee kann man nicht im Vorbeigehen konsumieren! Ich will eine besondere Atmosphäre von Ruhe, Entspannung und Gemütlichkeit schaffen – die Kunden müssen dabei aber auch mit meiner Begeisterung für klassische Musik und Jazz vorliebnehmen (schmunzelt). Aber für die meisten rundet die Musik ohnehin mein Angebot ab. Viele berichten mir, dass sie insbesondere auch die Rauchfreiheit in meinem Geschäft schätzen – gerade im rauchgeplagten Sarajevo ist meine „Insel“ eine Oase. Der Kunde soll mit Vorfreude mein Teehaus betreten und mit Vorfreude auf den nächsten Besuch mein Geschäft wieder verlassen. Es ist wie ein geschlossener Kreislauf: ich liebe meine Arbeit, der Kunde fühlt sich wohl, weil ich meine Arbeit liebe.

Galerie (5  Fotos):

Sarajevo ist bekannt für seinen bosnischen Kaffee und Bosnier legen viel Wert auf eine gepflegte Kaffee-Kultur. Ist es da eigentlich schwer, Tee zu verkaufen?
Oh absolut! Zuerst bietest du den Menschen etwas an, was sie vorher nicht kannten, und damit noch keine Erfahrung hatten. In Sarajevo beginnt der Tag mit Kaffee, man empfängt tagsüber Geschäftspartner, und abends auch Freunde mit einem Kaffee. Der Tag in Sarajevo ist auf das Engste mit diesem Getränk verbunden. Mir war bewusst, es würde recht schwierig werden, und es ist heute nach über sieben Jahren immer noch nicht leicht. Es kommen zwar immer mehr Menschen in mein Teehaus, ich friste aber nach wie vor ein gewisses Exoten-Dasein mit meinem Laden. Mittlerweile zähle ich zu meinen Stammkunden nicht nur Mitglieder der internationalen Community in Sarajevo, sondern auch Menschen aller Ethnien aus Bosnien-Herzegowina. Ja, es ist nicht leicht zu bestehen, aber die zufriedenen Gesichter meiner Kunden geben mir recht und ich würde es jederzeit wieder machen.

Autorin: Eugénie Sophie Berger ist bekennende Kosmopolitin, mit derzeitigem Sitz in Sarajevo. Sie studierte sowohl Fotografie an der Graphischen in Wien, als auch Internationale Wirtschaft in Strassburg.
Weitere Fotos aus der Fotostrecke “Adnan Tee-Sommelier” und andere Projekte der Fotografin Eugénie könnt ihr hier finden.
Im Web: www.franz-sophie.ba
Im Web: www.eugeniesophie.com,
Auf Facebook: Eugénie Sophie Photography