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REPORTAGE

Gewalt, Drogen, Nationalismus – Junge Hooligans in Wien!

(Foto: iStock/Split Second Stock)

Auf der Suche nach den treibenden Kräften der Ereignisse im Zuge der Fußball-Weltmeisterschaft hat KOSMO mit einigen Wiener Hooligans gesprochen.

Während Soziologen, Experten, die Öffentlichkeit und die Medien eine Erklärung für die unfassbaren Szenen suchen, die sich während der Weltmeisterschaft in der bekannten Wiener Balkanstraße abspielten, halten sich die Protagonisten der Ereignisse im Hintergrund und geben kaum Erklärungen zu ihren Aktionen in den Stadien und auf den Straßen ab…

Das ist verständlich, da die meisten von ihnen bei der Polizei bereits relativ dicke Akten haben und im Geiste eines kollektiven Hooligan-Kodexes ihre zahlreichen Gesetzesverstöße, die sie begangen haben, verschweigen. Dennoch hat KOSMO eine exklusive Gelegenheit erhalten, mit drei jungen Männern zu sprechen, die an Vorfällen in der Ottakringer Straße beteiligt waren, so auch in diesem Sommer nach dem Spiel Schweiz gegen Serbien (2:1). Wir erinnern uns: Damals feierten die Schweizer Spieler mit albanischen Wurzeln Xhaka und Shaquiri ihre Treffer, indem sie mit den Händen den albanischen Adler formten, was die Fans der serbischen „Adler“ erwartungsgemäß als Provokation verstanden. Direkt nach dem Spiel eskalierte die Situation: Neben den Rufen „Nož, žica, Srebrenica“ begann ein gewaltbereiter Teil der serbischen Fans auf den Wiener Straßen Polizeibeamte mit Gläsern und Feuerwerkskörpern anzugreifen. Ähnliches passierte auch nach dem Spiel Kroatien – Russland, als einige Fanfeiern für die österreichische Polizei zum Nerventest wurden.

SZENE „Die Schlägereien in Wien sind lächerlich gegenüber jenen in Belgrad.“

Ausbrüche von Frustration
Auch als Ottakring nach der Niederlage gegen die Schweiz zum Wiener Epizentrum für den Ausbruch von Wut, Gewalt und Fan-Frustration wurde, waren unsere Gesprächspartner Rambo (23), Džeki (42) und Dragan (24) mittendrin dabei. Die Burschen, deren Namen wir in diesem Text absichtlich verändert haben und die sich selber „Delije sever“ nennen, fahren schon seit Jahren zu den Spielen und richten – je nach „Form und Laune“ – gerne Chaos an. Džeki (42) zählt sich als ältestes Mitglied der Gruppe zur „alten Hooligan-Garde“. „Mit Zvezda sind wir überall hingereist, und natürlich feuern wir auch Serbien an, wenn die Nationalmannschaft spielt. Ich weiß nicht, warum sich die Leute so aufregen, wo wir doch alle wissen, dass es 2014 beim Spiel Albanien – Serbien alles hundertmal gefährlicher war – auch hier“, erinnert sich Džeki (42) an das Spiel von 2014, als die Nacht in der Ottakringer Straße mit 40 polizeilichen Anzeigen endete.

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AUSSCHREITUNGEN. Auch nach dem Ende der Fußballweltmeisterschaft ist in Wien unter den Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien aufgrund der Ausschreitungen kroatischer und serbischer Fans ein bitterer Nachgeschmack geblieben. Wie problematisch ist der Nationalismus unter den jungen Balkanern in Österreich heute?

 

 

„Am liebsten verprügeln wir Albaner, das macht uns am meisten Spaß“, fügt Dragan hinzu, der zugibt, dass er nach dem Spiel genau wie seine beiden Freunde „Nož, žica, Srebrenica“ geschrien hat. „Wer will uns das verbieten? Die sollen froh sein, dass es keine größeren Probleme gegeben hat. Wenn wir nur brüllen, ist noch alles gut“, sagt der maskierte „Rambo“, während er nach fast jedem Satz einen Schluck Rakija oder einen Zug aus seinem frisch gerollt Joint nimmt, den er, als wäre es nichts, ruhig am Donaukanal raucht. Die Passanten beachten ihn nicht, vielleicht auch deswegen, weil klar ist, dass mit diesen Burschen nicht zu diskutieren ist. „Die Loyalität in der Gruppe ist das Wichtigste. Ohne Gruppenloyalität geht gar nichts. Einmal rettet dein Kolega dich, einmal du ihn, einmal geben wir, einmal nehmen wir, verdammt noch mal. Das ist ganz einfache Mathematik“, erklärt Dragan, der oft an Schlägereien mit anderen Fangruppen beteiligt war.

Džeki (42), einer der älteren Wiener Hooligans, vertraute unserem Reporter an, dass er 7 Jahre hinter Gittern verbrachte. (FOTO: Amel Topcagic)

„Wien ist ein Zirkus gegen Belgrad“
„Hey Bruder, Wien ist ein Zirkus gegen Belgrad. Ich weiß nicht, was die hier in Wien für ein Theater machen. Sie sollten froh sein, dass sie hier sind und dass die Szene hier nicht so stark ist wie unten. Wenn wir zu einem Derby gehen, dann ist das eine vertrackte Sache, da gibt es einen echten Straßenkrieg. Wien ist lächerlich gegen Belgrad“, schließt Džeki (42), der sieben Jahre hinter Gittern saß. Obwohl er uns das alles nicht so genau erzählen will, verrät er doch, dass er die längste Strafe dafür abgesessen hat, dass er einen Polizisten ernsthaft verletzt hat. „Bruder, ich habe ihn richtig zusammengeschlagen… Aber fuck you, das hat mich drei Jahre Gefängnis gekostet“, erinnert sich Džeki an den „Zusammenstoß mit den Bullen“.

Perspektivlos
Obwohl unsere Gesprächspartner sichtlich betrunken sind und unter Drogeneinfluss stehen, ist uns nach der Stunde unseres Gesprächs eines klar: Dies sind Burschen aus problematischen sozialen Verhältnissen, die als Kinder weitgehend ohne fürsorgliche Eltern aufgewachsen sind, in ihrem Leben oft auf der Straße saßen und eine Existenz am Rande der Gesellschaft fristen. Und dass auf der Straße Nationalismus herrscht, vor allem in der Fanszene, das ist wahrlich kein Geheimnis. Auch eine weitere Sache ist klar: Diese Burschen wirken nicht, als hätten sie ein Bewusstsein, was ihre Worte wirklich bedeuten, wenn sie Hassparolen brüllen wie „Nož, žica, Srebrenica“.

Auf die Frage, wie man diese Männer aus den Fängen des Nationalismus befreien könnte, haben weder wir noch die Experten eine passende Antwort. Aber mit dem Anwachsen der rechtsradikalen Bewegung wird man sie immer dringlicher suchen müssen…

(Foto: iStock/Gillert)