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REPORTAGE

Grazer KPÖ: „Wir leben Kommunismus“

(FOTO: Johannes Polt)

Die „Yugo Fešta“
„Elke Kahr und die KPÖ haben in Graz vielen unserer Landsleute geholfen. Darum ist es auch kein Wunder, dass bei der „Yugo Fešta“ jedes Jahr Hunderte Menschen zusammenkommen. In den 70-er Jahren, zur Zeit Kreiskys, habe ich noch nicht die KPÖ gewählt, aber mit der Zeit ist mir klar geworden, dass in der heutigen Zeit nur die KPÖ wirklich die Rechte von uns Arbeitern vertritt“, sagt Zdenko Lustig, Parteimitglied und pensionierter Automechaniker mit Herkunft aus Daruvar. Die Sängerin und Schauspielerin Irina Karamarković, die im Organisationskomitee der Yugo Fešta sitzt und schon seit Jahren in der Kulturszene in Graz aktiv ist, findet auch, dass ihre „Zugänglichkeit und konkrete Hilfe“ die KPÖ in Graz zu einer so starken politischen Partei gemacht haben. „Egal, ob du alleinerziehende Mutter bist, deren Kind die Schulbücher nicht bezahlen kann, eine Person, die sich keine Wohnung mehr leisten kann, oder ob du andere existenzielle Probleme hast: Elke Kahr hört sich alles an und hat vielen sehr konkret, unbürokratisch und menschlich geholfen. Darum halten sie auch unsere Landsleute für eine Politikerin, die die Interessen der Bürger nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten vertritt“, erzählt Marković, die 1998 aus Priština nach Graz gekommen ist, um hier Jazz-Musik zu studieren.

Daniela Katzensteiner, 30: „Bei uns gibt es keine Arroganz, keine Gier und keine Eifersucht in der Partei. Und das ist das Geheimnis unseres Erfolgs.“ (FOTO: Johannes Polt)

„Fundamental anders“
Als Student ist auch Robert Krotzer (30) nach Graz gekommen, um Deutsch- und Geschichtslehrer zu werden, aber dieses Jahr musste er seinen Arbeitsplatz in der Schule verlassen. Nach dem ausgezeichneten Wahlergebnis von 20,4 Prozent KPÖ-Stimmen ist er neben Elke Kahr als zweiter Stadtrat dieser Partei ins Grazer Stadtparlament eingezogen. „Wir sind nicht Teil des politischen Establishments und wollen das auch nicht sein. Unser Verständnis von Politik ist fundamental anders und unser Handeln gründet sich auf den Marxismus.

„Früher hat man uns Kommunarden genannt, aber heute fürchtet man sich wegen unserer konkreten Resultate, etwas gegen uns zu sagen“, sagt Elke Kahr, Vorsitzende der KPÖ in Graz.

Aus der Politik wollen wir keine Show oder PR-Kampagne machen, sondern mit konkreten Schritten wollen wir aktiv den Menschen helfen. Wir wollen die politischen Werte leben, die wir auch vertreten“, sagt Krotzer, der Gesundheitsstadtrat. Auch er gibt wie Kahr zwei Drittel seines Gehalts für soziale Zwecke ab. „Die schwarz-blaue Regierung hat die Subventionen für die städtischen Gesundheitseinrichtungen um 5 Prozent gekürzt.

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Wir haben uns entschieden, ihnen das Geld, das ihnen jetzt fehlt von meinem Gehalt zu geben“, fügt der jüngste Stadtrat hinzu, der nach dem Interview mit uns losgeht, um einem Sozialmarkt in Graz neue Ventilatoren zu spenden. Bei der Yugo Fešta zapfen Krotzer, Elke Kahr sowie auch die gewöhnlichen Mitglieder der Partei stundenlang Bier für die Gäste. „Wir sind hier alle wie Brüder und Schwestern. Hier gibt es keine Unterschiede zwischen den Menschen mit oder ohne Funktion. Hier wird der Kommunismus wirklich gelebt. Es gibt keine Stars, keine Arroganz, keine Gier und keine Eifersucht“, sagt Zdenko Lustig. „Mit 16 Jahren habe ich einen Artikel über Kalteneggers soziale Aktivitäten gelesen. Seitdem schlägt mein Herz für die KPÖ“, fügt Daniela Katzensteiner (30) hinzu, eine junge Delegierte der Partei im Bezirk St. Leonhard.

Der Sozialpass
Während neugierige Politologen das Phänomen der Kommunisten in Graz immer häufiger unter die Lupe nehmen, ist es ganz klar, dass diese Partei in den letzten 20 Jahren auf lokalem Niveau ihre Position als soziale politische Kraft untermauert hat und damit auch der rechten FPÖ Terrain abgewonnen hat. Früher, in den 80-er Jahren, hat man uns Kommunarden genannt. Es gab viel Widerstand und schmutzige Kampagnen gegen uns. Aber das gibt es heute fast nicht mehr.

20,4 % hat die KPÖ bei den letzten Kommunalwahlen in Graz errungen.

Unsere Arbeit spricht für uns“, sagt Elke Kahr. Stolz betont sie, dass sich gerade die KPÖ in Graz für den „Sozialpass“ eingesetzt hat, mit dessen Hilfe Menschen mit einem Einkommen unter 1.000 Euro viele Ermäßigungen und spezielle Vorteile genießen. Neben ihrem Engagement rund um Wohnungsfragen wurde auch die Jahreskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel auf Initiative Kahrs von 399 auf 228 Euro verbilligt.

Zdenko Lustig, pensionierter Automechaniker: „In den 70-er Jahren habe ich Kreisky und die SPÖ gewählt, aber heute sehe ich nur in der KPÖ eine soziale Sensibilität.“ (FOTO: Johannes Polt)

Es ist unbestritten, dass die KPÖ sich in Graz ein Image als Partei mit direktem Nutzen für die Bürger aufgebaut hat, wie Kahr es gerne nennt. Aber das erklärt dieses Phänomen sicher nicht in seiner Gesamtheit. Die Gründe sind auch in der Tatsache zu suchen, dass die Kommunisten in Graz im Unterschied zu vielen ihrer anderen Zweige im Rest Österreichs ihr soziales Engagement in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen und nicht ihre Ideologie.

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Die Stadtregierung entschied bei der gestrigen Sitzung und zu später Stunde, dass der Name des Marschall-Tito-Platzes in der Hauptstadt geändert wird. Somit heißt es: “Auf nie mehr Wiedersehen, Tito!”

 

„Wichtig sind die Menschen und ihre Bedürfnisse. Wir sind Kommunisten und leben das auch, aber eine alleinerziehende Mutter, die ein konkretes Problem hat, interessiert sich nicht für ein Flugblatt, in dem wir erklären, wie die Welt funktioniert. Sie braucht konkrete Hilfe und da beginnt unsere Arbeit“, erklärt Elke Kahr ganz simpel. Obwohl ihr angeboten worden war, die KPÖ-Liste auf Bundesebene anzuführen, und viele Linke ihren Wechsel in die nationale Politik wünschen würden, sieht sie sich auch weiterhin in Graz. „Es ist leicht, zu kandidieren und seinen Namen auf eine Wahlliste zu setzen, aber dahinter muss ein konkreter Plan stehen. Sag niemals nie, aber ich sehe mich auch weiterhin in Graz. Hier kann ich den Menschen konkret helfen und hier sehe ich mehr Raum für konkretes Handeln als auf der Bundesebene. Jedes Engagement von mir auf Bundesebene müsste gut durchdacht sein und Hand und Fuß haben, damit es Sinn hätte“, schließt Kahr.