UNVERSTÄNDNIS. Wenn sie an die Türen klopfen, reagieren die Menschen oft unfreundlich und grob. Das ist eine übliche Form der Abwehr gegen das Unbekannte und sie ärgern sich nicht. Im Bemühen, unseren Lesern ihre Lehre näherzubringen hat KOSMO in den Alltag der Zeugen Jehovas hineingeschaut.
Bei dem jüngsten Kongress der Zeugen Jehovas im Ernst-Happel-Stadion in Wien waren unter den über 30.000 Teilnehmern auch ca. 4.000 Gläubige aus dem ehemaligen Jugoslawien. Faszinierend ist die Tatsache, dass trotz der vielen Menschen keine Polizei anwesend war, die für Ordnung sorgte, dass es keine weggeworfenen Papiere und Plastikflaschen und keine Unordnung gab. Alles funktionierte wie ein Uhrwerk und wir haben dank des Entgegenkommens von Zoran Milovanović, dem Medienbeauftragten, in Gesprächen mit Schwestern und Brüdern, wie sich die Zeugen Jehovas gegenseitig nennen, die wichtigsten Regeln dieser Religionsgemeinschaft kennengelernt.
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Die katholische Kirche in Bosnien-Herzegowina erschütterte ein Erpressungs- bzw. Sex-Eklat , welcher nicht nur einen Zölibatsbruch, sondern auch Missbrauch von Kirchengeldern beinhaltet.
Wir waren Katholiken
Die vierköpfige Familie Džeba stammt aus Mostar, lebt aber seit 1992 in Klagenfurt. Davor (47) ist Bautechniker und war bis zu seinem 21. Lebensjahr konfessionslos. Weil er aus einer gemischten Ehe stammt, hatten seine Eltern vereinbart, dass ihre Familie neutral leben wollte. „Später habe ich mich dennoch für den Glauben meines Vaters entschieden und lebte einige Jahre als Katholik. Auch bevor ich gläubig wurde, habe ich mich gefragt, ob es Gott gibt, wie er ist und was er von uns möchte. Dann habe ich begonnen, mich mit der Bibel zu beschäftigen und verstanden, dass Gott von uns erwartet, dass wir ihn ehren, und ich habe angefangen, das zu tun. Das hat zu meiner Entscheidung geführt, meine Religion zu ändern“, erzählt uns Davor über seinen Entschluss, nach seiner Ankunft in Österreich ein Zeuge Jehovas zu werden.
FEIERTAG. „Wir begehen den Todestag Jesu Christi.“
Über die Unterschiede zwischen seiner ehemaligen und der jetzigen Religion sagt unser Gesprächspartner:
„Der Unterschied liegt darin, dass wir Gottes Wort und die Botschaften, die wir daraus beziehen, wörtlich nehmen, und in der Art, wie wir uns zueinander verhalten, sei es innerhalb der Familie oder unter Freunden. Die Einigkeit und das Verhalten der Menschen haben mich fasziniert. Wir bemühen uns, das Wort, das Jesus Christus über die Heilige Schrift an uns gerichtet hat, zu erfüllen, unsere Liebe zu Gott und zu unseren Nächsten zu bezeugen und zu zeigen. So ist unser Leben ausgerichtet.“
Sonja (47) ist Hausfrau und seit frühester Kindheit katholisch erzogen. Sie hatte spirituelle Bedürfnisse, hat Gott gesucht und ihn hinterfragt, hat aber mit niemandem darüber gesprochen.
„Erst durch das systematische Bibelstudium mit den Zeugen Jehovas habe ich zufriedenstellende Antworten auf die Fragen gefunden, die ich in meinem ganzen bisherigen Leben gehabt hatte. Ich war wirklich glücklich, denn ich konnte endlich meine geistlichen Bedürfnisse erfüllen. Unser Glaube ist unsere Lebensart“, ist Sonja kategorisch.
Es ist bekannt, dass bei den Zeugen Jehovas Bluttransfusionen verboten sind. Uns hat interessiert, ob bei Sonja im Falle eines Bedarfs an Blut die Religion oder die Liebe zu ihrem Kind stärker wäre.
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„Wir lieben unsere Kinder sehr, widmen uns ihnen ganz und würden im Fall einer Notwendigkeit für sie die beste Lösung suchen. Wenn wir Bluttransfusionen ablehnen, heißt das nicht, dass wir auch andere nutzbringende Transfusionen verweigern. Die Medizin hat Fortschritte gemacht und es gibt viele blutfreie Behandlungsmethoden, mit denen die Risiken einer Bluttransfusion vermieden werden können: Reaktionen des Immunsystems, Vertauschungen der Blutgruppe bzw. menschliche Fehler. Wir bereiten uns im Voraus auf alle möglichen Situationen vor, um uns zu schützen, ohne die Regeln unseres Glaubens zu verletzen“, betont unsere Gesprächspartnerin.
Maja (27) und Danijel (18) sind den Zeugen Jehovas eigenständig und ohne Drängen ihrer Eltern beigetreten, denn das ist die Regel dieser Religion. Auf die Frage, wie sie reagieren würden, wenn ihnen ein Bursche bzw. ein Mädchen einer anderen Religionsgemeinschaft gefiele, sagen sie:
„Das ist eine hypothetische Frage und darauf kann ich nicht antworten“, meint Danijel, und seine Schwester fügt hinzu: „Das ist mir noch nicht passiert, aber aus dieser Perspektive betrachtet glaube ich, dass meine Liebe zu Gott stärker ist als jede andere. Selbst wenn ich Gefühle für einen Burschen mit einer anderen Religion entwickeln würde, glaube ich, dass ich ihm entsagen würde.“
Freude über die Taufe
Filip Milovanović (15) ist Schüler einer HTL in Wien und war freudig aufgeregt über seine Entscheidung, sich auf dem Kongress taufen zu lassen. Er betont sofort, dass alle sehen und wissen sollen, dass er sich dem Gott Jehova verschrieben hat und ihm dienen wird, und erklärt, dass seine Gemeinschaft Jesus nachfolgt, der sich taufen ließ, bevor er zu dienen begann.
„Seit frühester Kindheit lese ich im Familienkreis freiwillig in der Bibel. Das sind familiäre Studien und daneben haben wir jede Woche zwei Treffen, in denen wir verschiedene Vorträge hören und uns auf den Dienst vorbereiten. Ich gebe zu, am Anfang habe ich das etwas langweilig gefunden, aber jetzt ist das absolut nicht mehr so, und glauben Sie mir, ich gehe lieber zu diesen Treffen, als dass ich Fußball schaue. Ich liebe es, über den einen Gott zu hören. Das macht mir Mut, wenn ich einen schlechten Tag habe, denn ich kann das Gelernte im Alltagsleben umsetzen. Ich habe noch kein Interesse an Mädchen, aber wenn ich eine Freundin suche, werde ich versuchen, sie in einer unserer Versammlungen zu finden. Bei mir in der Schule gibt es keine Mädchen, so komme ich nicht die Versuchung, mich außerhalb unserer Gemeinschaft zu verlieben“, stellt Filip – für sein Alter überraschend – fest .
Wir nehmen an Kriegen nicht teil
Johannes Gamnik (53) ist Österreicher. Er lebt und arbeitet in Klagenfurt und spricht hervorragend unsere Sprache. Die hat er gelernt, als er in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts mit Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien gearbeitet hat. Er strahlt Autorität aus und hat Antworten auf alle Fragen, was auch kein Wunder ist, wenn man weiß, dass er in der Hierarchie den Titel Seelsorger trägt.
„Mein Vater war Katholik, aber er ist aus der Kirche ausgetreten und hat konfessionslos gelebt. Meine Mutter hat den Zeugen Jehovas angehört und hat auch mich von Kindheit an so erzogen. Mit 17 Jahren habe ich den Beschluss gefasst, auch Teil dieser Gemeinschaft zu werden. Meine engste Familie, einschließlich meiner Frau, gehören den Zeugen Jehovas ebenfalls an, und ich möchte betonen, dass es auch in der Nazizeit unter Hitler in meiner Familie Menschen gab, die bereit waren, ihr Leben für unsere Religion und ihre militärische Neutralität zu opfern. Denn wir Zeugen Jehovas nehmen an keinem einzigen Krieg teil und viele sind gestorben, weil sie sich weigerten, Militärdienst zu leisten“, beginnt Gamnik.
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Sex oder gar Kinder vor der Ehe? – Um Himmels Willen! Hochzeit mit jemandem, der nicht der eigenen Glaubensrichtung angehört? – Verabschiede dich schon mal von deiner Familie! Etwas in Frage stellen, das der Priester oder Imam von sich gibt? – Begrab dich am besten gleich selbst! – Unsere Bloggerin Jelena über die Unschuldslämmchen vom Balkan…
Auf die Frage, was die Funktion Seelsorger bedeutet, sagt er, dass sie wie Hirten den sogenannten „Schafen“ helfen, geistig zu wachsen.
„Das Studium der Heiligen Schrift, die Vorbereitung von Referaten, Reden… es ist viel, was ich mache. Wir singen gemeinsam, beten, und unser wichtigster Feiertag ist das Fest zu Ehren des Todes von Jesus Christus. Das Datum ändert sich immer, denn wir halten uns an den jüdischen Mondkalender, aber es ist ungefähr die erste Vollmondnacht im Frühling. Dieser Feiertag ist ähnlich wie Ostern bei den Katholiken und Orthodoxen“, erfahren wir.
Über das Verhältnis zu anderen Glaubensgemeinschaften sagt Johannes Gamnik:
„Wir sind allen gegenüber ganz offen. Im stehe mit den Geistlichen in Kontakt, das ist eine ganz respektvolle Kommunikation, denn wir sind alle in Österreich als Religionsgemeinschaften anerkannt und niemand darf uns als Sekte bezeichnen. Die Basis unseres Glaubens ist dieselbe, denn es ist dieselbe Bibel und dieselbe Heilige Schrift. Nur durch die Kommunikation können wir einander besser verstehen.“
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