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KRITIK AN REGIERUNG

Griss zu „Fall Tina“: Abschiebung war keine Pflicht

(FOTO: zVg., Facebook/@irmgardgriss)

In der „ZIB 2“ am Donnerstagabend kritisierte die Ex-Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes Irmgrad Griss den Innenminister für die Aussage, er sei bei der Abschiebung an den Rechtsstaat gebunden gewesen. Das sei falsch.

Die Abschiebung mehrerer integrierter Schüler aus Österreich nach Armenien und Georgien sorgte gestern für einen Koalitions-Krach zwischen ÖVP und Grünen. Während die Grünen in der Wiener Stadtregierung für die Rückholung dieser abgeschobener Kinder stimmten, stimmte die Partei letztendlich im Nationalrat dagegen – und ging somit mit der Linie des Koalitionspartners ÖVP dacor. Vermutlich um die Wogen zu glätten, entschloss sich Vizekanzler Werner Kogler, der derzeit auch interimistisch als Justizminister fungiert, anschließend zur Einsetzung einer Kindeswohl-Kommission. Die Leitung wird Irmgrad Griss, Ex-Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes, übernehmen.

„Wir werden nicht ,Fall Tina‘ neu entscheiden“
Die Kindeswohl-Kommission habe die wesentliche Aufgabe, die aktuelle Diskussion wieder zu versachlichen, betonte Griss am Donnerstagabend in der „ZiB 2“. Dazu werde man sich nicht nur die geltende Rechtslage, sondern auch die aktuelle Entscheidungspraxis in Österreich, wie auch in anderen Ländern anschauen und, wenn nötig, eine Empfehlung für Verbesserungen abgeben.

Griss betonte jedoch auch, dass man im aktuellen Fall nicht neu entscheiden würde: „Wir sind in diesem Fall nicht die dritte Instanz und werden hier auch nicht neu entscheiden“, sprich: Die abgeschobenen Schüler werden nicht zurück geholt.

„Was der Rechtsstaat ist, entscheiden Menschen“
Dennoch widerspricht die Juristin der Darstellung, man sei an das geltende Recht gebunden gewesen: „Mich hat das schon immer gestört, wenn man sagt, das ist der Rechtsstaat, nur wenn eine Entscheidung unpopulär ist. Denn was Inhalt in dieser Rechtsordnung ist, das bestimmt die Politik und das Parlament. Es ist nicht der Rechtsstaat, der hier verantwortlich zu machen ist, Entscheidungen werden von Menschen getroffen.“

Sprich: Die Aussage von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), er sei bei der Abschiebungs-Entscheidung an den Rechtsstaat gebunden gewesen, sei schlichtweg falsch: „Wir können da sehr wohl was machen“, so Griss, bzw. hätten etwas machen können: Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hätte beispielsweise über den Antrag der Kinder auf humanitäres Bleiberecht entscheiden können, so Griss, und dieses gewähren können. Im konkreten Fall hätten die Eltern zwar offenkundig das Asylverfahren durch wiederholte Anträge hinausgezögert, aber: „Hier geht es aber um die Kinder und die Frage ist, ob das Fehlverhalten der Eltern immer den Kindern voll zuzurechnen ist“, sagte Griss abschließend.

Quellen und Links: