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INTERVIEW

Johannes Rauch: ,,Wir werden Zuwanderung des Pflegepersonals in Österreich brauchen“

(Foto: Bojan Stekic)

Wir sprachen mit dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch über die Cov-Regeln, Impfung, den Personalmangel in der Pflege und das Projekt „Gesund aus der Krise”.

KOSMO: Einheitliche CoV-Regeln werden österreichweit gefordert. Wird es diese geben und was ist Ihre Position dazu?


Johannes Rauch: Es gelten österreichweit derzeit weitgehend einheitliche Regeln, während Wien einige Ausnahmen hat. Die Bundesländer haben die Möglichkeit strengere Regeln als die bundesweit gültigen zu erlassen. Wien hat als einziges Bundesland davon Gebrauch gemacht und in den öffentlichen Verkehrsmitteln eine zusätzliche Maskenpflicht umgesetzt. Ansonsten sind wir in Österreich einheitlich unterwegs und das ist mir wichtig. In den letzten zweieinhalb Jahren hatten wir schon Situationen, bei denen es so viele Corona-Regelungen gab, dass sich die Menschen nicht mehr ausgekannt haben. Wenn Menschen sich nicht mehr auskennen, weil es zu kompliziert ist, dann steigen sie aus. Dann werden die Regelungen auch nicht mehr eingehalten. Jetzt sind wir auf einem guten Weg. Wir sind auch in der besonderen Situation, wo wir erstmals lernen, mit Corona zu leben. Derzeit setzen wir sehr stark auf die Impfung und hocheffektive Medikamente.


KOSMO: Inwiefern kann uns der vierte Stich helfen und wer sollte sich diesen holen? Wird die CoV-Impfung zur Regelmäßigkeit wie die Grippe-Impfung?
Johannes Rauch: Die Impfung ist bei einigen zu Unrecht in Verruf geraten. Die Debatte rund um die Impfpflicht hat uns hierfür nicht geholfen. Die Impfung schützt nämlich nachweislich davor, schwer an Corona zu erkranken.

Mein Appell an alle ist es, sich ihre Impfung zu holen. Die Grundimmunisierung reduziert die Chancen für Erkrankte, auf der Intensivstation zu landen.

Die Corona-Schutzimpfung ist die weltweit am meisten verabreichte Impfung. Milliarden Menschen haben davon profitiert und Millionen sind davor bewahrt worden, schwer zu erkranken oder an der Erkrankung zu sterben. Das Gesundheitsministerium beobachtet die Zahlen sehr genau, vor allem, wenn es auch um internationale Forschungsergebnisse und Nebenwirkungen geht. Wenn es um mögliche Impfschäden geht, gibt es ganz klare Anlaufstellen. Dafür gibt es bei uns im Ministerium und beim Sozialministerium eingerichtete Servicestellen. Man muss außerdem Nebenwirkungen und Schäden unterscheiden. Es ist auch wichtig zu betonen, dass alle Nebenwirkungen vom Arzt gemeldet werden müssen. Ich persönlich kann die Auffrischungsimpfung nur jedem ans Herz legen, sage aber auch: Bitte kontaktieren Sie Ihren Hausarzt oder Hausärztin und lassen Sie sich beraten, ob Sie sich ein weiteres Mal impfen lassen sollen. Die Auffrischungsimpfung ist für alle kostenlos möglich, besonders empfohlen ist sie für alle Risikopersonen sowie Personen ab 60 Jahren.


KOSMO: Laut Prognosen, steigt die Zahl der CoV-Fälle wieder an. Was würden Sie jetzt anders machen als ihre Vorgänger?
Johannes Rauch: Die Krankheit sowie die Situation ändern sich laufend und wir werden mit diesen Wellen leben lernen müssen. Wie lange das dauert, kann ich nicht sagen. Das können auch die Prognosen nicht sagen. Wir schauen aber sehr genau darauf, wer im Spital liegt. Diese Erkenntnis ist wichtig, um die Belastung der Spitäler besser beurteilen zu können. Mein Appell ist klar: Schützen Sie sich besonders im Winter und tragen Sie vermehrt Masken, vor allem an Orten, wo viele Menschen zusammenkommen. Die Einhaltung von einfachen Maßnahmen wird uns gut helfen, durch diese Wellen zu kommen. Wir stimmen uns da auch mit anderen europäischen Staaten ab. Wie gehen diese mit der Pandemie um? Wir wollen und können als Gesellschaft den Krisenmodus nicht auf Jahre hinaus beibehalten, weil wir derzeit mit mehreren Krisen parallel konfrontiert sind. Die Teuerung und Energiepreise sind massive Probleme, vor allem für die vielen Haushalte. Der Krieg in der Ukraine bringt ebenfalls eine schwierige Situation mit sich.

(Foto: Bojan Stekic)


KOSMO: Wiener Spitälern fehlen mehr als 1.800 Arbeitskräfte. Welche Maßnahmen werden Sie hier ergreifen und wie wird der Bund dieses Problem lösen?
Johannes Rauch: Wenn es um Personalmangel geht, dann haben wir den aktuell in fast allen Wirtschaftsbereichen. Und das führt zu ganz schwierigen Situationen, weil die unterschiedlichen Branchen in Konkurrenz zueinander stehen und sich gegenseitig die Arbeitskräfte abwerben. Wir sehen das sogar innerhalb des Gesundheitssystems. Die Spitäler werben das Pflegepersonal von Alten- und Pflegeheimen ab. Ohne qualifizierte Zuwanderung von außen werden wir mit dem Pflegepersonal nicht auskommen. Wir werden Zuwanderung brauchen. Das ist einer der Punkte. Der zweite Punkt ist, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, um die Pflegeberufe attraktiver zu machen. Das haben wir mit der Pflegereform gemacht. 1 Milliarde Euro ist viel Geld. Jetzt muss an der gesamten Kultur gearbeitet werden, wo man den Leuten vermittelt: Ihr seid willkommen.

Wir haben in Österreich in den letzten 20 bis 25 Jahren eine Kultur aufgebaut, die sagt „Alles, was von außen kommt, ist böse und gefährlich.“ Das ist absurd, grotesk und gefährlich. Das schadet uns als Gesellschaft.

Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen, anderseits spielt das Erlernen der Sprache im Gesundheits- und Pflegebereich meist eine wichtige Rolle. Bis zu einem gewissen Grad muss man natürlich auch entgegenkommen. Integration ist keine Einbahnstraße. 


KOSMO: Wird es das Projekt „Gesund aus der Krise”, das psychologische Unterstützung für mehr als 11.000 Kinder und Jugendliche anbietet, auch im kommenden Jahr geben?

Johannes Rauch: Es war mir ganz wichtig, das Projekt weiter zu verlängern. Wir erweitern das Budget dafür sogar auf 20 Millionen Euro. Es hat zu Beginn der Pandemie Schulschließungen gegeben. Das hat zu psychischen Belastungssituationen bei vielen Kindern und Jugendlichen geführt. Also haben wir dieses Projekt gestartet, wo sehr rasch, zielgerichtet und unkompliziert Hilfe angeboten wird. Es ist ein österreic- und europaweites Erfolgsprojekt. Wir haben nämlich bemerkt, dass gerade junge Menschen in diesen zweieinhalb Jahren Pandemie schon massiv darunter gelitten haben und von den zahlreichen Krisen besonders betroffen sind.


KOSMO: Wie sieht, Ihrer Meinung nach, unsere Zukunft aus? Was sind unsere Perspektiven bezüglich Covid?

Johannes Rauch: Die Welt war in den letzten Jahrzehnten nicht mehr in so einer schwierigen Situation. Wie vorhin erwähnt, gibt es derzeit viele parallele Krisen. Wir müssen gemeinsam nach Lösungen suchen, sonst geht sich das nicht aus. Es ist eine gemeinsame Aufgabe. Die Energiekrise, die Gesundheitskrise, die Frage der Klimaveränderung. Was machen wir dagegen? Österreich als kleines Land kann diese Krisen nicht allein lösen. Alle Länder in Europa müssen stärker zusammenarbeiten.