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REPORTAGE

Kadetten aus Bosnien-Herzegowina auf Ausbildung in Österreich

Herausforderungen
In dem umfangreichen praktischen und theoretischen Unterricht arbeiten die zukünftigen Offiziere intensiv an sich selbst und ihren Fähigkeiten. Präsentationstechniken, Führungstechniken, Wirtschaft, Englisch, sowie Russisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch stehen ebenfalls auf dem Lehrplan.

„Von uns wird oft verlangt, über unsere Grenzen hinauszugehen, sowohl bei der Ausdauer als auch gesitig und auch bei unseren weiteren Lebensplänen. Ich nenne Ihnen als Beispiel einen Teil der Ausbildung, der über 15 Tage in den Alpen bei Salzburg stattfand. In der ersten Woche wurde von uns verlangt, dass wir die Grundlagen des Überlebens in den Bergen bei einer Schneelage von über 2 Meter erlernen. Die erste Woche sah so aus, dass wir von 8 Uhr früh bis 16 Uhr Unterricht hatten. Wir erhielten eine Gebirgsausrüstung und marschierten vier, fünf Kilometer hinter unserem Kommandanten, bis wir den Ort erreichten, an dem die Ausbildung stattfinden sollte. Wir lernten, im Falle eines Lawinen-abgangs nach Verschütteten zu suchen, wie wir ihnen helfen, wie wir erste Hilfe leisten und wie wir sie aus einem Gelände, in dem kein Hubschrauber landen kann, dorthin transportieren, wo das möglich ist. Die zweite Woche umfasste ein dreitägiges Überlebenstraining im Schnee in Gruppen von acht bis zehn Mann. Wir haben Biwaks gegraben (Schneehöhlen), die für acht Personen Platz boten. Davor haben wir gelernt, wie wir unsere Körperwärme nutzen können, um unter diesen extremen Bedingungen die Handschuhe oder auch Socken zu trocknen, die tagsüber eingefroren waren. All das hat bei mir enormen Eindruck hinterlassen. Wenn ich mit meinen Altersgenossen darüber rede, was sie so machen, und wenn ich ihnen nur ein bisschen von unserer Ausbildung erzähle, dann glauben die, ich erzähle von einem Film. Aber genau das macht den Reiz aus: Bei uns ist kein Tag gleich, so wie bei anderen Studenten. Jede Woche ist interessant und die Zeit geht sehr schnell vorbei”, diese faszinierende Erfahrung schilderte uns Anel Džaferbegović.

Uns interessierte auch, was passiert, wenn jemand zu große Angst hat, die ihn daran hindert, bestimmte Aufgaben wie den Absprung aus dem Flugzeug auszuführen.

„Jeder muss das tun, was im Lehrplan vorgesehen ist. Was die körperlichen Aktivitäten betrifft, muss jeder den Sport mitmachen, außer er hat ein ärztliches Attest. Wir hatten die Situation, dass einige Kollegen aus verschiedenen Gründen nicht mit uns aus dem Flugzeug gesprungen sind, aber blieb nichts erspart. Sie mussten stattdessen wissenschaftliche Arbeiten schreiben. Außerdem war ich der erste, der wirklich große Höhenangst hatte, und ich wollte mich nicht in 130 Meter Höhe von einem Fels abseilen, weil es keine Pflicht war. Dann habe ich mir überlegt, dass ich in einem Jahr sowieso aus einem Flug zeug springen muss und dass ich die Angst lieber früher besiegen sollte. Ich dachte, ich bekomme einen Herzinfarkt, aber ich habe trotzdem mitgemacht. Ich habe es überlebt und begriffen, dass das etwas ist, das ich jetzt in einer fiktiven Situation mache, aber morgen braucht vielleicht jemand meine Hilfe in einer wirklichen Gefahrensituation. Darum habe ich meine Schwäche überwunden und dafür bin ich der Akademie sehr dankbar”, erzählt Adnan Orman sichtlich zufrieden.

„Es gibt keine größere Ehre, als bei der Hilfe für andere zu sterben.”

Diese jungen Kadetten nehmen alle Herausforderungen auf ihrem Weg unerschrocken an. Im Laufe ihrer Karriere werden mit Sicherheit noch größere Herausforderungen und Gefahren auf sie warten, aber davor fürchten sie sich nicht.

„Es gibt keine größere Ehre, als bei der Hilfe für andere zu sterben. Da gibt es keine Überleg ung, ob man helfen soll oder nicht. Man weiß einfach, dass man das Richtige tut”, sagt Emir Kazazić.

„So ist es. Wir alle tun das aus Liebe, nicht für Geld. Für uns ist nicht wichtig, wer die Menschen sind, denen wir helfen. Wichtig ist nur, dass wir ihnen helfen wollen. Nur Feuerwehr, Polizei und Armee sind dafür da, ihnen zu helfen und ihre Leben zu retten, und damit würden sie nie angeben”, pflichtet Aner Opijač aus Sarajevo seinen Kollegen bei.

Auf die Frage, ob es für sie schwer ist, so weit von der Familie und den Freunden entfernt zu sein, sagen die meisten, dass sie ihnen fehlen, aber dass das nicht so schlimm ist, da sie ja zurückkehren werden.

„Nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung ist unser Plan, in unser Land, Bosnien-Herzegowina, zurückzukehren, wo wir nach dem Vertrag, den wir mit unserem Ministerium unterzeichnet haben, eine Stelle bei den Streitkräften von BIH im Rang eines Leutnants bekommen werden, das ist der erste Offiziersrang. Wir bekommen einen Arbeitsplatz und da beginnt unsere Karriere, denn wir erwerben neue Erfahrungen, lernen unsere neue Umgebung und neue Menschen kennen und haben die großartige Möglichkeit, uns in verschiedenen Ländern der Welt weiter zu bilden”, sagt uns Aner Opijač.

Mit dem erwor-benen Wissen möchten Kadet-ten die Streit-kräfte in BIH unterstützen.

Offizier zu sein, bedeutet…
Am Ende des Gesprächs fragen wir unsere fleißigen und mutigen Kadetten, was es für sie bedeutet, Offizier zu sein.

Anel Džaferović: „Die Arbeit eines Offiziers ist eine ehrenvolle Arbeit und ich finde, dass jeder Offizier vor allem ein Botschafter seines Landes ist, sowohl in der Heimat als auch außerhalb davon.”

Dragan Lajšić: „Wir sind nicht nur von 8 bis 16 Uhr im Dienst, das ist eine Lebensweise ohne Pause und Urlaub.”

Emir Kazazić: „Für mich bedeutet das Offizier-Sein ganz allgemein, stets loyal und zu allem bereit zu sein, was passiert. In den schlimmsten Situationen ist es immer die Armee, die zuerst anrückt und zuerst reagiert. Als Offizier kümmert man sich nicht mehr nur um sich selbst, sondern man hat immer Leute hinter sich, die man führen muss und um die man sorgen muss. Wenn man eine führende Funktion ausübt, denkt man nur auf das Wohl seines Teams.”

Aner Opijač: „Für mich bedeutet der Offiziersberuf Ordnung, Arbeit und Disziplin, und das erwirbt man am besten beim Militär. Vor allem, wenn man in irgendeiner höheren Position ist. In der Armee lernt man, wie man sich im Leben zu verhalten hat, egal, ob es um die Arbeit oder das Privatleben geht. Allein deswegen bekommt man mit diesen Kenntnissen und der hochwertigen Ausbildung die Möglichkeit weiter aufzusteigen. Das heißt, dass man sich selbst und seiner Familie ein gutes Leben bieten kann. Wenn man die Uniform, sein Heimatland und seine Arbeit liebt und man Letzteren durch viel Fleiß und Anstrengung bekommen hat, dann erfüllt das einen Menschen vollends. Man ist bereit, der Gesellschaft in allen Belangen selbstlos zu helfen. Das ist Patriotismus, denn durch die Ausbildung, Anstrengung, Tränen, Blut, aber auch Lachen kommt man zu dem Erfolg, den unsere jüngeren Generationen achten werden und sich zum Vorbild nehmen. Offizier zu sein, heißt Vorbild zu sein.”

Adnan Orman: „In der Armee lernt der Mensch, Mensch zu sein, für das Team zu arbeiten und nicht nur für sich selbst. Man lernt, wie man anderen im Falle eines Krieges oder einer Naturkatastrophe hilft, unabhängig von ihrer Nationalität, Religion und auch unabhängig davon, ob man sie kennt oder nicht. Was mich betrifft: Wir sind noch weit vom Offiziersdasein entfernt, aber ein Offizier ist ein Mensch, der wissen muss, wie er sich gegenüber jeder Person mit einer anderen Einstellung, Religion, Kultur, Sprache, Hautfarbe etc. verhält. Ein Offizier muss Verantwortung für die schlimmsten Dinge übernehmen, die im Leben passieren können. Auch im größten Stress muss er wissen, wie er einen kühlen Kopf bewahren kann.”