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VERHANDLUNGEN

Kickl „nicht regierungsfit“: Steht Blau-Schwarz vor dem Aus?

FOTO: EPA-EFE/DANIEL NOVOTNY
FOTO: EPA-EFE/DANIEL NOVOTNY

Seit mehreren Tagen stocken die Verhandlungen zwischen der FPÖ und der ÖVP erheblich. Die laufenden Gespräche, die bereits letzte Woche nur langsam voranschritten, erreichten am vergangenen Freitag einen neuen Tiefpunkt, als die Parteien in einer kurzen, etwa 40-minütigen Sitzung keine Fortschritte erzielten. Auch die 90-minütigen Gespräche am Montag brachten keine entscheidenden Ergebnisse. Wie die „Heute“ berichtet, sei Herbert Kickl „nicht regierungsfit“.

Obwohl die Verhandlungen in einer „besseren Stimmung“ verlaufen als in der Woche zuvor, bleiben laut Heute die inhaltlichen Differenzen unüberbrückbar. Ein hochrangiger Vertreter der ÖVP äußerte seinen Unmut darüber, dass wichtige Parteianliegen nicht zur Diskussion standen, obwohl sie für die Verhandlungen unverzichtbar sind.

Das zentrale Thema bleibt die Verteilung der Ministerien, insbesondere der umstrittene Anspruch beider Parteien auf das Innenministerium. Der Vorschlag der FPÖ, das Finanz- und das Innenministerium zu besetzen, stößt auf starken Widerstand seitens der ÖVP. Eine hochrangige Quelle betonte: „Es ist völlig unvorstellbar, dass die Blauen beides bekommen – Finanz- und Innenministerium. Herbert Kickl muss seinen Machtrausch beenden.“ Mit einem Stimmenunterschied von nur 2,5 Prozent bei den letzten Wahlen sei eine Alleinregierung der FPÖ unrealistisch, fügte ein Vertreter der ÖVP hinzu.

Auf der anderen Seite zeigt sich die FPÖ weiterhin optimistisch, beharrt jedoch auf ihrer Forderung, das Innenministerium nicht aufzugeben. Ein FPÖ-Vertreter erklärte, dass Themen wie Asyl und Migration von entscheidender Bedeutung für ihren Wahlerfolg waren und dass deshalb das Innenministerium nicht verhandelbar sei.

Weitere Differenzen

Zusätzlich zum Innenministerium sind weitere umstrittene Themen weiterhin ungelöst, die die Koalitionsbildung bedrohen. So fordert die FPÖ unter anderem die Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe und plädiert für die Verlängerung von Wehr- und Zivildienst. Diese Forderungen stoßen auf Widerspruch seitens der ÖVP.

Ein weiterer Konfliktpunkt ist die steuerliche Absetzbarkeit von Kirchenbeiträgen und Spenden an gemeinnützige Organisationen, was für den wirtschaftlich orientierten Flügel der ÖVP ein No-Go darstellt. Auch Sicherheitsfragen führen zu Spannungen, insbesondere Herbert Kickls Vorschlag, sensible Grenzabschnitte mit Zäunen zu versehen, auf den die ÖVP nicht eingeht. Zudem erfordert die Diskussion über die „Fußfessel für Risiko-Asylanten“ weiteren Klärungsbedarf, da auch dieser Punkt in einem 223-seitigen vertraulichen Dossier noch nicht abschließend gelöst ist.

Die ÖVP hat folgende Grundsätze eingebracht:

  • Es muss sichergestellt werden, dass Österreich als verlässlicher Partner innerhalb der Europäischen Union bleibt.
  • Die Volkspartei betonte erneut, dass Österreich seine Partner in der freien, westlichen Welt wählen sollte und nicht in autoritären Regimen. Jeglicher Einfluss Russlands soll möglichst vermieden werden.
  • Die Gewaltenteilung in einem Rechtsstaat, der westlichen Standards entspricht, sowie eine freie und unabhängige Medienlandschaft haben für die ÖVP höchste Priorität.
  • Auf Drängen des wirtschaftlichen Flügels der Partei wurde unterstrichen, dass Abschottung für das exportorientierte Österreich keine Option ist. Angesichts der Rezession sind Wachstumsperspektiven auf internationalen Märkten entscheidend.
  • Ein zentrales Thema für beide Seiten ist das Stoppen illegaler Migration. In der Arbeitsgruppe „Innere Sicherheit“ wurde bereits der Leitsatz vereinbart: „Die Bundesregierung steht für die restriktiv möglichste Asylpolitik unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten.“
  • Extremismus, sowohl von links als auch von rechts, wird von der ÖVP als Problem betrachtet und muss bekämpft werden. Dieser Punkt birgt Konfliktpotenzial: Die FPÖ möchte den Rechtsextremismusbericht des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) stoppen und hat traditionell Schwierigkeiten, sich von den rechtsextremen Identitären abzugrenzen.

Während die Gespräche in der nächsten Krisensitzung weitergeführt werden sollen, treffen sich die Parteichefs Christian Stocker und Herbert Kickl mit ihren engsten Beraterkreisen in Wien. Ob dies die letzte Sitzung dieses Verhandlungszyklus sein wird oder ob sich der politische Stillstand weiter fortsetzt, bleibt abzuwarten.