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VERANTWORTUNG

Kinder als Dolmetscher (Teil 2): „Geduld war beim Übersetzen immer das Wichtigste“

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(FOTO: Manuel Bahrer, iStockphoto)

VERANTWORTUNG DER JÜNGSTEN. Es kommt sehr oft vor, dass Migrantenkinder in Österreich für ihre Eltern in unterschiedlichen staatlichen Behörden und Institutionen dolmetschen oder übersetzen müssen, weil ihre Eltern der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind. KOSMO forschte nach, wie anstrengend die Rolle eines Dolmetschers für ein Kind sein kann und was passiert, wenn Kleine große Verantwortungen übernehmen müssen.

Im Alter von vier Jahren zog Alena, zusammen mit ihrer Familie aus Bosnien-Herzegowina nach Salzburg, wo sie bereits seit 25 Jahre leben. „Dadurch, dass ich zweisprachig aufgewachsen bin, habe ich mit meinen Eltern auf Serbokroatisch und mit meiner Schwester eine Mischung zwischen dieser Sprache und Deutsch gesprochen„, erinnert sich Alena an ihre Kindheit, die neben Deutsch und Serbokroatisch, auch fließend Franzöisch und Englisch spricht.

Als sie mit den ersten Dolmetschtätigkeiten anfing, war für Alena Deutsch bereits ihre Muttersprache, während Selma die Sprache auch erst selbst lernen musste, nachdem sie Bosnien-Herzegowina verließ. „Ich habe vorwiegend für meinen Vater gedolmetscht bis ich 13 geworden bin. Später habe ich nur noch einmal gedolmetscht. Grundsätzlich musste ich nur bei Terminen, die „schwierigeres“ Deutsch abverlangt haben übersetzen, wie etwa bei Anwälten oder vor Gericht. Manchmal habe ich auch Briefe geschrieben, weil es einfach schneller ging„, erklärt uns unsere Gesprächspartnerin. „Es waren nicht besonders viele Situationen, in denen ich dolmetschen musste, aber eben bei diesen Terminen war es so, dass meine Eltern selber zugehört haben und mich nur gefragt haben, wenn sie selbst etwas nicht verstanden haben. Sie haben aber selbständig agiert, ich musste nicht jeden Satz übersetzen. Allerdings war es besonders schwierig, wenn es um z. B. juristisches Fachvokabular ging. Ich hab es zwar auf Deutsch verstanden, musste aber auf Serbokroatisch andere Wörter dafür finden. Das war teilweise gar nicht so einfach, aber zusammen haben wir es geschafft. Wir haben gemeinsam andere Wörter gefunden, oder ich habe angefangen zu erklären und meine Eltern haben ergänzt, weil sie schon wussten, worum es geht. Und wenn nicht, war es immer wichtig geduldig zu sein. Schließlich waren sie auch immer geduldig mit mir.

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„Es war besonders schwierig, wenn es um z. B. juristisches Fachvokabular ging. Ich hab es zwar auf Deutsch verstanden, musste aber auf Serbokroatisch andere Wörter dafür finden“, unterstrich Alena. (FOTO: Manuel Bahrer)

„Es hat mich gefreut, dass ich meinen Eltern helfen konnte und so zu ihrem „Sprachrohr“ werde.“

Uns interessierte, ob es irgendwann dazu gekommen ist, dass sie im Dialog angesprochen wurde und die Person, für die sie gedolmetscht hat, beiseitegelassen wurde. „Das Beiseitelassen passierte nie, aber selbstständig antworten schon, wenn ich die Antwort gewusst habe. Vor allem bei Dingen wie dem Geburtsdatum, usw. Wie ich es schon erwähnt habe, musste ich nicht jeden Satz dolmetschen oder übersetzen„, antwortete Alena und fügte hinzu, dass es nie passierte, dass sie etwas falsch gedolmetscht hat, was negative Konsequenzen nach sich ziehen könnten.

„Für mich ist es immer wichtig zu helfen – wann auch immer es geht. Ich habe das nie hinterfragt, denn man hält einfach in der Familie zusammen“

Auf die Frfage, wie sie sich in der Rolle eines Dolmetscher fühlte und, ob diese Rolle ihre Beziehung zur Familie beeinflusst hat, antwortet sie ehrlich: „Als Kind fand ich es immer ein bisschen traurig, dass meine Eltern sich teilweise nicht so einbringen konnten, wie sie das selbst wollten. Aber eben dann konnte ich ihnen helfen und so zu ihrem ‚Sprachrohr‘ werden. Abgesehen davon, hat es mich gefreut, dass ich ihnen helfen konnte und, dass ihr Deutsch über die Jahre besser wurde. Das Übernehmen dieser Art der Verantwortung hat unsere Beziehung nicht besonders beeinflusst. Eigentlich gar nicht, wenn ich ehrlich bin. Für mich ist es immer wichtig zu helfen, wann es auch immer geht. Ich habe das nie hinterfragt, denn man hält einfach in der Familie zusammen„, abschließend sagt uns Alena. Obwohl sie ihre „Dolmetscherrolle“ erfolgreich erfüllt hat, ist sie der Meinung, dass diese Aufgabe nur den Experten obliegen sollte, weil ihnen ein ganz anderes Vokabular zur Verfügung steht.