Start Aktuelle Ausgabe
REPORTAGE

Luftangriffe 1999: Uranbombardement verseucht Serbien

Die Halbwertszeit für abgereichertes Uran beträgt 4,5 Milliarden Jahre. (FOTO: Getty Images)

KOSMO: NATO-Lobbyisten behaupten, dass abgereichertes Uran ungefährlich ist. Was sagen Sie dazu?
Dr. Velimir Nedeljković: Heute, wo sich bösartige Erkrankungen in der ganzen Welt verbreiten und es (DU) in den Kriegen im Irak, in Lybien, Afghanistan, Bosnien-Herzegowina und Kosovo zum massenhaften Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran gekommen ist, brauchen wir die Wahrheit über das DU. Die auf wissenschaftliche Beweise gegründete Wahrheit ist die stärkste Waffe im Kampf gegen den weiteren Einsatz von Munition mit DU. Die Wissenschaft zeigt klar, dass die Nanopartikel von Aerosolen des Uranoxids, die durch die Explosion von Projektilen mit DU entstehen, für das Leben und die Gesundheit der Menschen ebenso schädlich sind wie für die Umwelt. Zahlreiche Todesfälle im Kosovo und in Südserbien, die durch maligne Erkrankungen hervorgerufen wurden, sind dafür heute die beste Bestätigung.

Dr. Nedeljković: „Die auf wissenschaftliche Beweise gegründete Wahrheit ist die stärkste Waffe im Kampf gegen den weiteren Einsatz von Munition mit DU.“

Kann sich die Kontamination von einer Stelle aus weiterverbreiten, und wie?
Am Ende des Zweiten Weltkriegs, als Japan in die Knie gezwungen war und vor der Kapitulation stand, wurden als Experiment 1945 zwei Atombomben gezündet. Genauso wurde auch die Munition mit dem DU 1999 in Kosovo und Metohija zu experimentellen Zwecken und zur Beseitigung der enormen Mengen an nuklearem Abfall eingesetzt, der sich angesammelt hatte. Man schätzt, dass das allein in den USA ca. eine Million Tonnen ist. Es ist bekannt, dass die Munition mit DU im Wüstenklima ohne Wasserläufe dieselbe Wirkung hat wie im Irak und im Kosovo mit ihrem kontinentalen Klima und ihren kräftigen Wasserläufen. Der Kosovo ist ein kleines Gebiet, das durch das geographische Phänomen der Bifurkation gekennzeichnet ist, d.h. durch das Vorhandensein von Flussläufen, die ihr Wasser in die drei Meeresbecken Adria, Ägäis und das Schwarze Meer leiten. Da diese Meere mit den Ozeanen verbunden sind, kommt es zu einer weltweiten Verseuchung oder einem Ökozid.

Prof. Dr. Nedeljković: „Auf die Wissenschaft basierte Warheit ist die mächtigste Waffe.”

Können sich die Folgen auch über Serbien hinaus erstrecken?
Nach Schätzungen der Internationalen Krebsforschungsagentur für 2018 befand sich Serbien bei der Zahl der Krebserkrankungen im oberen Teil der Tabelle, nämlich auf Platz 12 von 40 Ländern, und bei der Sterblichkeit auf dem zweiten Platz gleich hinter Ungarn. Dazu hat mit Sicherheit die Verseuchung der Umwelt durch das NATO-Bombardement von 1999 beigetragen. Neben der Verbreitung des DU durch Wasserläufe kam es auch zu einer Vertragung toxischer Materialien aus den bombardierten Trafostationen und petrochemischen Komplexen durch Luftströme und über die Nahrungsketten. Der größte Teil der Verschmutzung gelangte über die Donau in das Schwarze Meer. Das Donau-Delta ist eine riesige landwirtschaftliche Fläche, daher ist es kein Wunder, dass sich auch Rumänien bei den Neuerkrankungen an Krebs am oberen Tabellenende befindet.

Dr. Nedeljković: „Serbien befand sich bei der Zahl der Krebs-erkrankungen auf Platz 12 von 40 Ländern.”

Kann die Natur überhaupt „geheilt“ werden, wenn die Halbwertszeit für abgereichertes Uran 4,5 Milliarden Jahre beträgt?
Nach dem Angriff von 1999 hat das Militär das Gelände gesäubert. Die verseuchten Orte wurden abgetrennt und der Zutritt zu ihnen war verboten. Dennoch sind viele Menschen, die daran gearbeitet haben, an malignen Krankheiten erkrankt oder gestorben. An der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Belgrad wurden mehrere Dissertationen zum Thema der Sanierung des mit verschiedenen Giftstoffen verunreinigten Bodens geschrieben, so auch über DU. Denn es gibt landwirtschaftliche Kulturen, die die Fähigkeit besitzen, über ihr Wurzelsystem bestimmte Giftstoffe aus dem Boden herauszuziehen und in ihrem Stamm, den Blättern oder Früchten einzulagern. Nach der Ernte dürfen diese Früchte weder verwendet noch verbrannt werden, sondern müssen genau wie anderer nuklearer Abfall in bestimmten unterirdischen Lagern deponiert werden. Im wissenschaftlich und technologisch hochentwickelten Westen arbeitet man daran, das DU für einen neuen Typ von Atomreaktoren wiederaufzubereiten.

Auf der nächsten Seite geht´s weiter…

Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.