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Führungskrise

Machtkampf in Maranello: Coletta als Vasseur Nachfolger?

Ein Demonstrant schwenkt eine Ferrari-Flagge bei einer Schülerblockade in Nis, Serbien am 1. März 2025, nach einem Dachkollaps mit 15 Toten.
EPA-EFE/DJORDJE SAVIC

Hinter der roten Fassade brodelt es: Ferrari steckt in einer tiefen Krise. Der SF-25 enttäuscht, die Führung wackelt und die Zukunft des Traditionsteams steht auf dem Spiel.

Ferrari steht vor dem Scheideweg: Hinter der Fassade des zweiten Platzes in der Konstrukteurs-WM brodelt es gewaltig bei der Scuderia. Die Anzeichen verdichten sich, dass ein tiefgreifender Umbruch unmittelbar bevorsteht.

Der SF-25 entpuppt sich bislang als herbe Enttäuschung. Von Saisonbeginn an kämpft Ferrari mit gravierenden Leistungsdefiziten, während die Konkurrenz davonzieht. Selbst vereinzelte Lichtblicke wie Hamiltons Sprintsieg in China können die grundlegenden Probleme nicht kaschieren. Trotz kompletter Neukonstruktion und erweiterter aerodynamischer Konzepte verfehlt das Fahrzeug die gesteckten Ziele deutlich. Der Vorsprung von McLaren erscheint mittlerweile uneinholbar.

Nach dem Imola-Wochenende, das trotz schwacher Qualifikation noch versöhnlich endete, forderte das Management beschleunigte Entwicklungsfortschritte. Der erhoffte Durchbruch blieb jedoch aus. Auch die letzte Hoffnung auf eine Wende in Barcelona zerschlug sich. Ferrari hatte darauf spekuliert, durch verschärfte Belastungstests für Frontflügel den Rückstand auf die Spitze zu verringern. Der Große Preis von Spanien machte diese Hoffnung zunichte – die einstige Motorsport-Ikone gleicht derzeit einem zahnlosen Tiger.

Führungskrise bei Ferrari

Mit Loic Serra übernahm im Oktober 2024 ein Mercedes-Abgang die technische Leitung in Maranello. Während sein früherer Arbeitgeber den Verlust des Performance-Direktors bedauert, steht Serra bei Ferrari vor einer völlig neuen Herausforderung. Teamchef Vasseur übertrug ihm direkt eine Führungsposition, ohne dass Serra entsprechende Erfahrung mitbrachte. Branchenkenner bezweifeln inzwischen, ob der Franzose das nötige Format besitzt, um die technische Abteilung zu inspirieren und voranzubringen.

Die zentrale Frage lautet daher: Ist die aktuelle Führungsriege unter Vasseur überhaupt in der Lage, Ferrari für die Regelrevolution 2026 richtig aufzustellen? Auffällig ist, dass Vasseurs Dreijahresvertrag Ende 2025 ausläuft, ohne dass bisher öffentlich über eine Verlängerung gesprochen wurde. Dies hätte dem Team dringend benötigte Stabilität gegeben. Möglicherweise laufen Gespräche im Hintergrund, doch Insider berichten von einer zunehmend frostigen Atmosphäre zwischen Vasseur und der Konzernspitze – ähnlich wie in der Endphase von Mattia Binottos Amtszeit.

Kein Wunder also, dass der Teamchef weiterhin das unentdeckte Potenzial des aktuellen Boliden beschwört, während Neuzugang Hamilton bereits empfiehlt, 2025 abzuschreiben und alle Ressourcen auf das kommende Jahr zu konzentrieren. Ahnt Vasseur bereits, dass er 2026 nicht mehr an Bord sein wird? Von außen lässt sich das schwer beurteilen. Sollte Konzernchef Elkann tatsächlich einen Führungswechsel planen, drängt die Zeit bereits bedrohlich.

Colettas Chance

Gerüchte über eine Verpflichtung von Christian Horner hat der Red-Bull-Teamchef persönlich zurückgewiesen. Er hält an seiner Position in Milton Keynes fest. Wer könnte also mitten in einer technischen Umwälzung das Ruder in Maranello übernehmen? Ein Name taucht dabei immer wieder auf: Antonello Coletta. Der Italiener verantwortet bereits erfolgreich die GT- und Langstreckenprogramme von Ferrari und ist im Unternehmen bestens vernetzt.

Vor einigen Jahren lehnte Coletta das Angebot ab, Binottos Nachfolger zu werden, und konzentrierte sich lieber auf den Langstreckensport. Mittlerweile kann er zwei Le-Mans-Siege vorweisen, und der WM-Titel in der WEC liegt 2025 in Reichweite. Es erscheint durchaus plausibel, dass man ihn erneut für die Formel 1 gewinnen möchte. Sein entscheidender Vorteil: Coletta kennt die internen Strukturen und Schlüsselpersonen. Er wüsste genau, wo Veränderungen ansetzen müssten, um die Scuderia von innen heraus zu reformieren.

Seine Fähigkeiten stellte Coletta bereits zu Beginn der Ära Marchionne unter Beweis. Als Berater identifizierte er brachliegende interne Ressourcen und strukturierte das Team neu, noch bevor Maurizio Arrivabene Teamchef wurde. Coletta wäre eine strategisch kluge Wahl, doch selbst er könnte Ferrari nicht im Alleingang zurück an die Spitze führen. Das Team sucht händeringend nach Ingenieuren für das „Projekt 678“ – den Formel-1-Boliden für 2026. Allerdings zögern viele Fachkräfte, nach Maranello zu wechseln – nicht zuletzt wegen der aktuellen Turbulenzen. Ferrari muss schnell handeln, um die Weichen für 2026 richtig zu stellen.

In jedem Fall steht die Scuderia vor einem entscheidenden Wendepunkt – und möglicherweise vor einem großen Knall.

Die Konzernführung um John Elkann und Benedetto Vigna hatte große Hoffnungen in Fred Vasseurs Projekt gesetzt: Der seit Jänner 2023 amtierende Franzose sollte im letzten Jahr der Ground-Effect-Ära den WM-Titel nach Italien holen, bevor 2026 das neue Reglement greift.