Ein Datierungsfehler bei den Urteilen im Fall Grasser sorgt für Aufsehen. Das Höchstgericht musste die Dokumente neu ausstellen – mit möglichen Konsequenzen für den Haftantritt.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat bei der Ausstellung der Urteile im Verfahren gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser einen Datierungsfehler begangen. Die Entscheidungen wurden fälschlicherweise mit dem 20. März datiert – jenem Tag, an dem die Berufungsverhandlung erst ihren Anfang nahm. Tatsächlich erging das Urteil jedoch erst am 25. März. Grassers Verteidiger Norbert Wess hat diesen Umstand gegenüber oe24 bestätigt.
Korrektur der Urteile
Die fehlerhaften Urteile wurden inzwischen korrigiert. Am Montag erfolgte die Neuausfertigung mit dem korrekten Datum. In einer Mitteilung des Höchstgerichts wird klargestellt: „Die bereits zugestellten – in Bezug auf Ordnungsnummer und Entscheidungsdatum nicht der Urschrift entsprechenden – Ausfertigungen sind damit gegenstandslos.“ Diese administrative Korrektur könnte für Grasser durchaus praktische Folgen haben: Die Aufforderung zum Haftantritt müsste vermutlich erneut zugestellt werden, wodurch sich die 30-tägige Frist bis zum Strafantritt neu berechnen würde.
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Kritische Stimmen
Ein mit den Vorgängen vertrauter Justiz-Insider äußerte gegenüber oe24 Bedenken hinsichtlich des Zeitpunkts. Der Fehler hinterlasse einen „schalen Beigeschmack“, da das irrtümlich angegebene Datum exakt mit dem Beginn der Berufungsverhandlung zusammenfalle.
Dies könnte den Eindruck erwecken, das Urteil sei bereits vor Abschluss der Verhandlung festgestanden.
Rechtliche Einordnung
Laut Rechtsexperten der Universität Wien beeinträchtigt eine Fehldatierung wie im Fall Grasser die Rechtskraft des Urteils grundsätzlich nicht, solange der Urteilsinhalt selbst korrekt ist. Allerdings hat der Fehler konkrete Auswirkungen auf die Fristberechnung. Die Zustellungsfrist für den Haftantritt muss neu berechnet werden, was Grasser effektiv zusätzliche Zeit verschafft.
Ein vergleichbarer Fall ereignete sich bereits 2018 beim OGH, als in einem prominenten Betrugsverfahren ebenfalls ein falsches Datum im Urteil korrigiert werden musste. Dies führte damals zu einer Verzögerung des Strafantritts um mehrere Wochen. Seit der Einführung des elektronischen Akts im österreichischen Justizsystem 2020 sind solche administrativen Fehler laut Justizministerium um etwa 40 Prozent zurückgegangen.
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