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Balkanmeile

„Ottakringer Straße – heute machma Party“: Wie das Nachtleben ausgestorben ist

Ottakringer Straße
FOTO: Google Maps- Screenshot

Vom pulsierenden Nachtleben zur Krisenstimmung: Die legendäre „Balkanmeile“ in Wien kämpft um ihre Existenz – und mit ihr die Gastronomen, die einst tausende Nachtschwärmer anlockten.

Woche für Woche stellten sich einst tausende Wiener die Frage: „Gehma fort?“ Doch die einstige Party-Hochburg entlang der Ottakringer Straße kämpft mittlerweile mit erheblichen Problemen. Grundlegende Veränderungen in der Gastronomie, die Folgen der Corona-Pandemie sowie die anhaltende Inflation haben die Ausgehkultur in diesem Teil Wiens nachhaltig verändert, so Heute.

Die Erkundungstour beginnt am unteren Ende der Ottakringer Straße. Im Café Bonsai an der Hausnummer 19 schildert Betreiberin Vesna R., die das Lokal seit Oktober 2024 führt, ihre Enttäuschung: „Wir hatten mehr Hoffnung, dass es besser werden würde, aber das ist nicht so.“ Die Schaukästen des Cafés erinnern an bessere Zeiten – sie werben noch immer für Übertragungen der Fußball-Europameisterschaft 2024. Früher war die „Balkanmeile“ bei sportlichen Großereignissen regelmäßig überfüllt, sei es während der Heim-EM 2008 oder als Kroatien 2018 sensationell ins WM-Finale einzog.

Neue Konzepte

Weiter die Straße entlang fallen weitere Gastronomiebetriebe ins Auge. Gegenüber vom Café Bonsai befindet sich die „Face Lounge“. Deren Inhaber Philipp J., ein Wiener mit kroatischen Wurzeln und über 30 Jahren Erfahrung in der Clubszene, identifiziert mehrere Probleme der Branche. Die Corona-Krise und die Einführung des Nichtrauchergesetzes hätten viele Betreiber an ihre finanziellen Grenzen gebracht. „Wer überlebt, überlebt. Wer nicht überlebt, den gibt es auch nimmer“, fasst er die Situation nüchtern zusammen.

Besonders jüngere Wiener hätten sich während und nach der Pandemie daran gewöhnt, zu Hause zu feiern. Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat Philipp J. sein Geschäftsmodell angepasst: „Uns ist nur noch übrig geblieben: Zusperren oder ein neues Konzept.“ Seither setzt er auf Karaoke-Abende, Live-Auftritte und spezielle Studentenangebote.

Nur wenige Schritte weiter befindet sich der „Seinfeld Comedy Club and more“. In den Räumlichkeiten, vor denen früher Nachtschwärmer für den Einlass in eine Diskothek anstanden, veranstaltet heute die Kultiverzum Art Fabrik Wien Comedy-Shows. Diese Veranstaltungen füllen zwar die ehemalige Disco und überraschen Besucher mit dem besonderen Ambiente, doch die Zukunft des Standorts bleibt ungewiss – ein „Zu verkaufen“-Schild vor dem Gebäude deutet auf weitere Veränderungen hin.

Beständige Lokale

350 Meter weiter stößt man auf die „Café Bar Laby“, die seit über drei Jahrzehnten besteht. Der langjährige Inhaber hat am Interieur und Konzept kaum etwas verändert – möglicherweise ein Grund für den anhaltenden Erfolg des Lokals. Das „Laby“ bietet regelmäßig Live-Musik und Auftritte bekannter Künstler aus dem Balkan, was weiterhin Publikum anzieht.

Den Abschluss der Tour bildet die „Terminal Gastro Bar“. Das modern eingerichtete Lokal besticht durch sein ansprechendes Design. Im Gespräch mit „Heute“ nennt Barchef Miroslav S. die Corona-Pandemie und die gestiegenen Preise als Hauptgründe für den Besucherrückgang: „Seit der Corona-Zeit ist es viel weniger geworden. Man kann es sich nicht mehr leisten, essen zu gehen. Die Ottakringer Straße ist nicht mehr wie früher.“

Ausgehmeilen im Wandel

Die Herausforderungen der Ottakringer Straße spiegeln einen größeren Trend in Wien wider. Untersuchungen der Stadtentwicklung zeigen, dass sich viele Besucher seit der Pandemie zu alternativen Locations wie der Brauerei Ottakring oder dem Yppenplatz umorientiert haben, während die Balkanmeile trotz früherer kultureller Initiativen unter anhaltendem Publikumsschwund leidet. Dieser Trend trifft auch andere traditionelle Ausgehmeilen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.

Andere europäische Metropolen entwickeln innovative Lösungsansätze. In Budapest und Berlin setzen Gastronomiebetriebe verstärkt auf Kooperationen mit lokalen Kulturinitiativen und flexible Nutzungskonzepte. Pop-up-Events oder die temporäre Umnutzung leerstehender Lokale haben sich als wirksame Strategien erwiesen, um nach den Pandemie-Jahren neue Zielgruppen zu gewinnen und wirtschaftlich zu überleben – Modelle, die auch für die Wiederbelebung der Ottakringer Straße interessant sein könnten.

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