Ein Pikachu-Kostüm sorgt für Aufsehen bei den Massenprotesten in der Türkei. Der skurrile Auftritt lenkt die Blicke auf eine ernste politische Krise.
Die Türkei erlebt derzeit eine massive Protestwelle, die durch die Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu am 19. März ausgelöst wurde. In vielen Städten versammeln sich täglich Zehntausende, um gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğans Machtpolitik zu demonstrieren. Ein besonderer Hingucker unter den Demonstranten ist ein Mann in Antalya, der im Pikachu-Kostüm durch die Straßen zieht, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Der Journalist Ismail Koçeroğlu hat diese außergewöhnlichen Szenen dokumentiert, die schnell in den sozialen Medien viral gingen. Auch der deutsche Moderator Klaas Heufer-Umlauf teilte das Video, das mit der Titelmelodie einer bekannten Fernsehserie unterlegt wurde. Der SPIEGEL hat die Echtheit des Videos bestätigt, indem er die im Video sichtbaren Orte und Bewegungen überprüfte.
Koçeroğlu berichtete dem SPIEGEL, dass viele Menschen die Inhaftierung İmamoğlus als ungerecht empfinden. Am siebten Tag der Proteste schloss sich eine Person im Pikachu-Kostüm den Demonstrationen in Antalya an, wobei das Video am 27. März aufgenommen wurde. Koçeroğlu teilte zudem ein weiteres Video des kostümierten Demonstranten, der offenbar ein junger Mann ist. Er sagte, dass der Mann seit zwei Tagen an den Protesten teilnimmt und es ihm gut geht. Ein Foto, das Pikachu angeblich beim Weglaufen vor der Polizei zeigt, wurde jedoch als mit künstlicher Intelligenz erstellt entlarvt. Experten von GetReal Labs fanden „starke Hinweise auf eine synthetische Erstellung“, insbesondere aufgrund eines falsch geschriebenen Textes auf einem Polizeiwagen.
Erdoğan unter Druck
Die Demonstranten werfen Erdoğan vor, İmamoğlu durch die Justiz ausschalten zu wollen, da ihm Chancen zugerechnet werden, Erdoğan bei der nächsten Präsidentschaftswahl zu schlagen. Für Samstag ist eine Großdemonstration in Istanbul geplant, zu der die Opposition aufgerufen hat. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International fordern die Regierung auf, die Repressionen gegen friedliche Demonstranten zu beenden.
Die Polizei geht mit harter Hand gegen die Protestierenden vor, wobei es Berichte über brutale Gewalt gibt. Der Oppositionspolitiker Sezgin Tanrıkulu beschuldigte die Einsatzkräfte auch sexueller Gewalt. Während genaue Zahlen zu verletzten Demonstranten nicht veröffentlicht werden, spricht die Polizei von über hundert verletzten Beamten. Dennoch reißen die Proteste nicht ab. Tausende Menschen demonstrieren den neunten Abend in Folge in Städten wie Izmir, Istanbul und Ankara. Zahlreiche Festnahmen wurden gemeldet.
Laut einer Umfrage wird der Protest von einer Mehrheit der türkischen Bevölkerung unterstützt.
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