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Analyse

Präsidentenwahl 2022: welcher Kandidat passt zur Balkan-Community?

(Foto: iStock/graphia76)
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Eine Analyse über die Wahlpolitik der einzelnen Kandidaten zur Bundespräsidentenwahl. In wieweit passen die Vorstellungen der Kandidaten zum Lebensstil der Balkan-Community in Österreich?

Amtssitz eines Bundespräsidenten ist die Hofburg. Wer Ende des Jahres dort einzieht, entscheiden wahlberechtigte Bürger am Sonntag dem 09. Oktober 2022. Denn da wird von den österreichischen Staatsbürgern ein neuer (oder schon tätiger) Bundespräsident gewählt. Zur Auswahl stehen sieben Kandidaten. Ein bunter Mix an Anwärtern für das höchste Amt im Staat.

KOSMO analysiert für seine Leser die Wahlpolitik jedes Kandidaten. Welcher Bundespräsident passt am ehesten zur Balkan-Community?

Alexander Van der Bellen

Beginnen wir mit der Analyse bei unserem aktuellen Bundespräsidenten: Alexander Van der Bellen.

Ein Bundespräsident im Ausnahmezustand. Corona, politische Korruption, Regierungswechsel, 69 Angelobungen. Die Last, die Van der Bellen bislang abfedern musste, ist wohl gewaltig. Und trotzdem. Seine restlichen Mitstreiter scheinen nur Negatives über ihn berichten zu können. Egal ob bei der Elefantenrunde im ORF oder bei Corinna Milborn auf Puls24, Van der Bellen glänzt mit Abwesenheit während sich alle anderen Kandidaten darüber mokieren und nicht müde sind ihre Redezeit dafür zu opfern den amtierenden Bundespräsident schlecht zu reden.

Nichtsdestotrotz wird Van der Bellen wohl auch den restlichen TV-Interviews bis zur Wahl fern bleiben. Dabei spielen mehrere Gründe eine Rolle. Erstens wurde ihm zugetragen, dass es wohl besser wäre solche spontanen Interviews auszulassen, da sie ihm mehr schaden als nutzen könnten. Außerdem hatte bislang kein amtierender Bundespräsident an solchen Fernsehinterviews teilgenommen. Wie sich der aktuelle Fall der Wien Energie auf Van der Bellens Stimmen auswirken wird, ist noch nicht ganz klar.

Das Programm zur Wiederwahl steht fest und ist mit seinen Sujets ganz klar auf dem Thema Österreich aufgebaut. Zudem erklärt sein Team auf der Wahlhomepage: „Alexander Van der Bellen wird auch in Zukunft sehr verantwortungsvoll, unabhängig und nach bestem Wissen und Gewissen klare Entscheidungen treffen.“ Dem kann man entnehmen, dass er vor hat genauso weiter zu machen wie bisher. Neuerungen sind wohl nicht geplant. Wem der Führungsstil von Van der Bellen zugesagt hat, der hat seinen Kandidaten schon gefunden.

Michael Brunner

Der Rechtsanwalt wartet mit sieben Punkten in seinem Wahlprogramm auf. Hierbei konzentriert sich der MFG-Kandidat auch auf die eigentliche Rolle des Bundespräsidenten. Der aktuelle Amtsinhaber, Van der Bellen, würde es unterlassen, seinen ihm „auferlegten Verpflichtung zu entsprechen.“ Er führt laut Brunner sein Amt also nicht richtig aus. Zudem wirft Brunner der Bundesregierung vor, „gegen die Grund- und Freiheitsrechte der Bevölkerung gesetzwidrig verstoßen“ zu haben. Die Bevölkerung wurde demnach mit „unrichtigen“ Zahlen zur Corona Pandemie getäuscht.

Weitere Punkte seines Wahlprogrammes sind, gegen die innerstaatliche Korruption vorzugehen sowie die Neutralität Österreichs zu unterstützen. Die russischen Sanktionen sollten, würde Brunner Bundespräsident werden, seiner Meinung nach aufgehoben werden.

Weiter ist diversen Interviews noch zu entnehmen, dass der Rechtsanwalt bei der Asylpolitik eine Reform anstrebt um Asylverfahren schneller voranzutreiben. Außerdem steht Brunner hinter der Legalisierung von Cannabis in Österreich.

Gerald Grosz

Der Kolumnist, Autor und ehemaliges FPÖ und BZÖ Mitglied tritt mit dem adaptierten Wahlslogan „Make Austria Grosz Again“ an. Und wie Donald Trump würde auch Grosz die Regierung entlassen. Laut offizieller Homepage des Kandidaten wäre das seine erste Amtshandlung. Zudem würde Grosz nur eine Regierung angeloben, von der er sicher ist, dass sie gegen die Impfpflicht ist und das Epidemiegesetz fallen lässt.

Mit 306.659 Facebook-Fans, 46.500 Instagram-Follower und 38.436 Twitter-Follower will Grosz die Wahl im Social-Media-Alleingang gewinnen. Nur mit Hilfe von ehrenamtlichen Helfern und dem Internet. Denn Geld sammelt der ehemalige und jetzt reanimierte Politiker nicht. Er lässt sich auch von keiner Partei unterstützen. Denn in „Zeiten der Inflation und Teuerung ist es schändlich, auf Kosten der Steuerzahler millionenschwere Wahlkämpfe zu veranstalten„.

Walter Rosenkranz

Ein Kandidat der FPÖ, der mit dem Slogan „Holen wir uns Österreich zurück!“ auftritt. Rosenkrank stellt Themen wie Freiheit, Neutralität, Wohlstand, Sicherheit, Souveränität und die Zukunft in den Fokus. Was das heißt, soll hier aufgeschlüsselt werden.

Das Wahlprogramm des Juristen ist übersichtlich aufgeschlüsselt. Er konzentriert sich ebenso wie alle Kandidaten auf aktuelle Themen: Corona, Krieg, Teuerungen. Dabei ist ihm die Abschaffung der Corona-Maßnahmengesetze ein großes Anliegen. Bezüglich des Ukraine-Krieges, steht Rosenkranz für eine Friedensinitiative an Stelle von Sanktionen. Auch seine Sicherheitspolitik sieht im Bezug der Einwanderung Maßnahmen vor, stärker gegen illegale Einwanderer aufzutreten. Laut Rosenkrank tut die Regierung momentan nichts, „um die Sicherheit unserer Grenzen zu garantieren„. Damit würden importierte Kriminalität und hohe Kosten für das österreichische Sozialsystem geschaffen.

Dominik Wlazny

Politik so volksnah wie ein Sechsertragerl„, verspricht Wlazny alias Marco Pogo mit seiner Bierpartei. Der Jungspund in der Gruppe der Anwärter hatte als einer der ersten Kandidaten seine 6.000 Unterstützungserklärungen abgeliefert. Bei jungen Wählen erfreut er sich reger Beliebtheit. Sein Wahlprogramm bearbeitet die wichtigsten Themen die Österreich gerade beschäftigen: Teuerung, Bildung, Kinderarmut, Gewalt an Frauen und das Gesundheitswesen. Dabei darf man nicht vergessen, dass Wlazny nicht nur der Initiator der Bierpartei oder Musiker ist, sondern auch selbst Mediziner und in einer Impfstraße ausgeholfen hat.

Mit dem Slogan „Red‘ ma drüber“ tritt Wlazny zur Wahl an. Reden würde er gerne über die Teuerungs-Maßnahmen der Regierung. Einmalzahlungen machen laut Wlazny keinen Sinn. Die Krise kann nur mit dauerhaften Maßnahmen wie einem Preisdeckel abgemildert werden. Zudem sieht der Mediziner Handlungsbedarf bei der erneuerbaren Energie. Er fordert Medienkompetenz als Unterrichtsfach an Schulen, damit Kinder in der Lage sind Fake News rechtzeitig zu erkennen. Außerdem würde der Bundespräsidentenkandidat Anreize für den Beruf der Pflege einrichten, sowie mehr Studienplätze für Mediziner schaffen wollen.

Tassilo Wallentin

Der einzige Kandidat, der von Frank Stronach unterstützt wurde ist Tassilo Wallentin. Zusammen mit der Präsentation seines Wahlprogramms bat der 48-jährige Krone-Kolumnist und Rechtsanwalt auch um Spenden für seinen Wahlkampf, weil das finanzielle Polster von Stronach nun schon ausgeschöpft wurde. Was noch interessant an diesem Kandidaten ist: Wallentin tritt ohne eine Partei in den Wahlkampf – hatte sich aber vorher der FPÖ genähert. Mit einem sexistischen Instagram-Posting (bereits gelöscht) machte er im Endeffekt auf sich aufmerksam.

In seinem Wahlprogramm plädiert der Rechtsanwalt für die Abschaffung des Bargeldes. Die Sanktionen gegen Russland sind ebenso ein großes Thema bei Wallentin. Vermutlich würde er für die Beendigung derer einstehen, zumal seine Wahlslogans „Hurra-Sanktionen“ und Österreich als Land mit Dritte-Welt-Problemen in den Mittelpunkt stellen.

Heinrich Staudinger

Man müsste meinen der Mehrheitseigentümer einer Waldviertler Schuhfabrik und Eigentümer der GEA hätte genug zutun. Doch nun tritt der ehemalige Van der Bellen-Unterstützer in den Vordergrund und stellt sich in den Dienst von Kleinunternehmern. Er tritt für bessere Rahmenbedingungen im Unternehmertum ein: Wirte, Schneider, Bäcker, Metzger und viele weitere Berufsgruppen sollen dadurch unterstützt werden.

Staudinger stellt sich als einziger Kandidat ohne politischen Hintergrund zur Wahl. Seine politische Einstellung scheint einen Weg zwischen rechts und links zu gehen. In Corona-Fragen stellt er sich auf Seiten der Impfgegner und fordert die Regierung auf, eine etwaige Diskriminierung von nicht geimpften Personen zu unterbinden.

Vor zehn Jahren erregte Staudiger internationale Aufmerksamkeit, als er sich von Freunden und Kunden Geld lieh, weil ihm seine Bank keinen Kredit gewährte. Ihm wurde von der Finanzmarktaufsicht vorgeworfen das Geschäft eines Bankbetriebes unerlaubt auszuüben.

Die Unterstützung von Sozialprojekten in Österreich sind ihm ebenfalls wichtig. Auch 15.000 Schuhpaare im Wert von rund 800.000 Euro spendete er letztes Jahr für Bedürftige und Flüchtlinge.

Schlussanalyse

Dieses Jahr stellt sich zwar keine Frau zur Wahl, aber die Männer die kandidieren, könnten nicht unterschiedlicher sein. Ein bunter Mix, aus dem es auszuwählen gilt. Im Oktober können 6.362.681 Wahlberechtigte ihr Kreuzchen machen gehen. Wer bei der Balkan-Community ganz vorne dabei ist, lässt sich nur erahnen. Aber einige Kandidaten sind wohl näher dran als andere.

So kann man schon im vorhinein – um realistisch zu bleiben – alle FPÖ und FPÖ-nahen Kandidaten ausschließen. Das wären: Grosz, Rosenkranz und Wallentin. Diese drei Anwärter haben bei der Balkan-Community wohl keine Chance.

Bleiben noch vier.

Bei Michael Brunner ist die politische Richtung nicht gleich klar erkennbar. Zwar steht die MFG gegen die Corona-Schutzmaßnahmen der Regierung, aber die Mitglieder der Partei setzen sich so ziemlich aus allen Richtungen zusammen. Im Grund eint sie ein Touch von Verschwörungstheorien und Fake News. So machte die QAnon, eine amerikanische Gruppe von Verschwörungstheoretikern mit rechtsextremen Hintergrund, Werbung für die MFG. Brunner fällt aber deshalb nicht gleich aus der Liste der für die Balkan-Community geeigneten Kandidaten. Denn wie man weiß, werden Verschwörungstheorien und Fake News am Balkanstaaten groß geschrieben. Immerhin müssen Montenegro, Kosovo, Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Serbien laut Reporter Ohne Grenzen mit „erkennbaren Problemen“ in Sachen Journalismus und Medienfreiheit kämpfen.

Heinrich Staudinger tritt hingegen ohne politische Partei auf. Er ist Unternehmer und hat bislang keinen politischen Hintergrund vorzuweisen. Sein Mittelweg zwischen links und rechts sowie die ablehnende Haltung gegenüber Corona-Impfungen könnte für einige Balkan-Wähler der Anreiz für ein Kreuzchen sein.

Dominik Wlazny wird als Spaßvogel gesehen. Seine Ernsthaftigkeit gegenüber dem Amt müsste – nicht nur bei Balkan-Wählern – besser zum Ausdruck gebracht werden. Viele erinnern sich nur noch an Interviews, an die er sich selbst nicht erinnert (vgl. Milborn-Interview). Trotzdem scheint sein Wahlprogramm dem zu entsprechen, was wohl einige Wahlberechtigte beschäftigt. Stimmen wird er aber wohl nur von den jüngeren Wählern der Balkan-Community erhalten.

Alexander Van der Bellen. Beständigkeit ist das was viele am Balkan schätzen. Die Frage ist, ob in Zeiten von Teuerungen und Pandemien die Beständigkeit immer noch ein Thema sein kann, oder ob sich etwas ändern muss. So werden sich viele Wahlberechtigte, die letztes Mal Van der Bellen gewählt haben, vermutlich nach einem neuen Kandidaten umsehen.

Aber welcher Hofburg-Kandidat Ihr Kreuzchen erhält, bleibt am Ende Ihnen selbst überlassen.

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Sandra Plesser
Als zweites Kind jugoslawischer Gastarbeiter wurde Sandra in Wien geboren und studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Während ihrer Tätigkeit als Redakteurin bei Advanced Photoshop, mokant und Der Standard baute sie mittels Weiterbildungen ihr Wissen im Bereich Social Media-, Content- und Veranstaltungsmanagement aus. Nach drei Jahren in der Eventorganisation widmet sie sich bei KOSMO wieder ihrer Passion: dem Journalismus.