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KRISE

Quo vadis, SPÖ? Die schweren Zeiten der Sozialdemokratischen Partei Österreichs!

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FOTO: spoe.at/Sarah Hierhacker

Wahlniederlagen, Millionenschulden und Diskussionen über die hohen Honorare von Parteiberatern: Nie befand sich die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) in einer schwereren Situation als heute.

Die Ausstellung über „Das rote Wien“ im Stadtmuseum, die noch bis zum 20. Jänner kommenden Jahres dauert, dokumentiert sehr eindrucksvoll die Geschichte einer politischen Bewegung, deren soziale und kulturelle Reformen noch heute im Wiener Alltag gegenwärtig sind. Zeitgleich mit dieser Ausstellung über die Erfolge der sozial sensiblen Politik der SPÖ seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts, durch die diese Partei mit Recht zu einer Großmacht in der politischen Landschaft Österreichs geworden ist, war die Atmosphäre nur einige Straßenzüge entfernt, im Sitz der Partei in der Löwelstraße, vermutlich niemals schlechter…

Nach einer weiteren Wahlniederlage bei den steirischen Landtagswahlen im letzten Monat, bei denen es die SPÖ nur auf 22,9 Prozent der Stimmen brachte (ein Verlust von 6,4 Prozent), reichte der dortige Parteivorsitzende Michael Schickhofer seinen Rücktritt ein. Bedenkt man, dass die Partei bereits zuvor sowohl bei den Parlaments- als auch bei den Europawahlen Verluste eingefahren hatte, wurde auch jenen, die sich nur wenig für Politik interessieren, eines kristallklar: Die SPÖ steckt in der Krise. Und zwar nach Meinung vieler in der größten Krise ihrer Geschichte.

Der Trend der Wahlverluste
Klar ist, dass diese Krise, deren Folgen auch weder die Verluste noch die Skandale der FPÖ mildern konnten, nicht erst seit gestern besteht. Denn der Trend der Wahlverluste begann bereits 2006, nicht lange nachdem die SPÖ wieder zur führenden Kraft geworden war und das österreichische Kanzleramt übernommen hatte. Unter der Führung von Werner Faymann verzeichnete die Partei 2008 bei den Landtagswahlen Niederlage nach Niederlage. Die einzige Ausnahme bildete damals Kärnten. Als dann Christian Kern die Parteiführung übernahm, erwachte noch einmal die „Hoffnung auf bessere Zeiten“, aber gerade mit ihm verlor die SPÖ endgültig die Vormachtstellung, mit der die Partei seit 1970 an der Macht gewesen war, unterbrochen nur von den Jahren 2002 bis 2006. Auch seine Nachfolgerin Pamela Rendi-Wagner konnte die erhoffte Wende offensichtlich nicht herbeiführen, denn unter ihr verzeichnete die Partei in diesem Jahr die schlechtesten Ergebnisse bei Parlamentswahlen, die sie je hatte.

Finanzdebakel
Als würden die schlechten Wahlergebnisse nicht bereits genug über die Situation aussagen, in der sich die Partei derzeit befindet, sprechen inzwischen auch die Meldungen von ihrer katastrophalen finanziellen Situation eine ähnliche Sprache. Ein Schuldenberg von 15 Millionen Euro zwingt die SPÖ zu unpopulären Maßnahmen, und das gerade zu einer Zeit, in der die Partei ohnehin gegen ihren Popularitätsverlust ankämpft. Die Parteichefin Pamela Rendi-Wagner befand sich daher im vergangenen Monat in der Situation, nicht nur Niederlagen zu erklären, sondern auch ein Viertel der SPÖ-Mitarbeiter zu entlassen: 27 von 102 Angestellten in der Löwelstraße erhielten statt Weihnachtsgrüßen Kündigungsschreiben.

Pamela Rendi-Wagner ist mit einer immer größeren Zahl innerparteilicher Kritiker konfrontiert. (FOTO: Facebook Pamela Rendi-Wagner)

„Menschlich tut es mir leid, dass wir diese Maßnahmen ergreifen müssen. Aber leider gibt es zu diesem Kurs der Stabilisierung der Parteifinanzen keinerlei Alternativen. Wir müssen jetzt mit weniger Mitarbeitern noch mehr erreichen“, sagte Rendi-Wagner, die erstmals in der Öffentlichkeit zugestand, dass sie bei ihrem Amtsantritt als Parteichefin einen Schuldenberg von 14 Millionen Euro vorgefunden hatte. Dass dieser in der Zwischenzeit noch weiter gewachsen ist, dafür sind die zahlreichen Wahlkämpfe verantwortlich, deren Kosten in keiner Weise vermeidbar waren, erklärte Rendi-Wagner.

Schulden von 14 Millionen zwingen die SPÖ, ein Viertel ihrer Mitarbeiter zu entlassen.

Obwohl es logisch ist, dass die Partei mit den Wahlverlusten auch einen guten Teil ihrer öffentlichen Förderungen verliert, sind erneut die „teuren“, nach Meinung vieler sogar zu teuren, Manager und Berater der Partei ins Blickfeld gerückt. Auch wenn die Partei sofort reagierte und die Verträge mit einigen Managern kündigte oder „verbilligte“, ebbt die Kritik auch innerhalb der Partei nicht ab. Schon früher, vor der derzeitigen Krise, hatten sich viele Parteimitglieder an den enormen Bezügen wie denen von Nedeljko Bilalić gestört, der für seine Beratungstätigkeit monatlich 24.000 Euro kassierte. Auch wenn Bilalićs Vertrag im Zuge des neuen Sparkurses auf 8.000 Euro monatlich verringert wurde, fordern innerhalb der Partei immer mehr Stimmen den Rückzug der „zu teuren Manager und PR-Leute“. Die Atmosphäre wurde auch dadurch nicht besser, dass Rendi-Wager und das Parteipräsidium unmittelbar nach den Parlamentswahlen beschlossen, Christian Deutsch trotz der größten Niederlage der Parteigeschichte vom Wahlkampfleiter in die Position des Hauptgeschäftsführers der Partei zu befördern. Viele sahen gerade in diesem Schritt eine falsche Botschaft und stellten fest, dass „Deutsch jetzt für die Niederlage sogar belohnt wurde“.

Der innerparteiliche Konflikt kulminierte, als die Sozialistische Jugend die Präsidiumssitzung nach der Ernennung Deutschs zum neuen Geschäftsführer der Partei verließ. Julia Herr, die Vorsitzende der SPÖ-Jugendorganisation, forderte nach den steirischen Wahlen dringend die Einberufung aller Parteigremien. „Die nächste große reguläre Parteiversammlung, der Bundesparteitag, ist erst in zwei Jahren. Das ist definitiv zu spät. Die SPÖ muss jetzt möglichst schnell eine Reihe neuer Ideen hervorbringen und mehr Leute müssen die Chance erhalten, mitzuwirken und die Politik der Partei mitzugestalten. Der Reformprozess muss möglichst bald beginnen“, sagte Herr und fügte hinzu, dass sie dabei nicht an Reformen in Form der „Diskussion über Einzelpersonen“ dachte, sondern an eine Diskussion über die Themen, die zum Hauptfundament der künftigen sozialdemokratischen Politik werden sollten.

Der Druck steigt
Mit jeder Niederlage und mit jeder schlechten Nachricht – und davon gab es im vergangenen Monat in der Löwelstraße viele – werden die kritischen Stimmen lauter, sei es von den bekannten Parteirebellen wie Rudi Fußi, dem einstigen Berater von Christian Kern, der den Rücktritt von Pamela Rendi-Wagner forderte, sei es von Leuten wie Peter Kaiser, dem Vorsitzenden der Kärntner SPÖ, der im vergangenen Monat von einer „notwendigen Revolution innerhalb der Partei“ sprach. „Es ist Zeit, dass sich die SPÖ ernsthaft auf den Kampf gegen den Neoliberalismus einstellt“, schrieb Kaiser in einem Brief an das Parteipräsidium.

Die Ernennung von Christian Deutsch zum neuen Geschäftsführer hat die österreichischen Sozialdemokraten gespalten. (FOTO: spoe.at)

Auch wenn er im Gegensatz zu Fußi nicht den Rücktritt von Rendi-Wagner forderte, ist ganz klar, dass auch die Landesparteipolitiker aufgrund der gegenwärtigen Situation alarmiert sind. Dabei darf nicht vergessen werden, dass im kommenden Jahr Wahlen in der Hauptstadt anstehen, die noch heute der stärkste Rückhalt der Sozialdemokraten ist und die, erinnern wir uns an die oben erwähnte Ausstellung, nicht umsonst das „rote Wien“ genannt wird. Die Tatsache, dass sich weder Ibiza noch die Casino-Affäre der letzten schwarz-blauen Regierung positiv auf die Wahlergebnisse der SPÖ als stärkster Oppositionspartei ausgewirkt haben, ist wahrlich besorgniserregend. Mit Besorgnis erfüllt viele auch die Frage, wie die Sozialdemokraten im kommenden Jahr in Wien abschneiden werden, vor allem, nachdem sich in den Parlamentswahlen gezeigt hat, dass die konkurrierende Grüne Partei in einigen Wiener Stadtbezirken die meisten Stimmen gesammelt hat.

WIEN: Die Lokalwahlen 2020 werden zum Stresstest für die SPÖ.

„Aber Wien ist Wien. Wenn wir aus irgendeinem Grunde auch hier verlieren, spätestens dann wird es zur totalen Spaltung kommen“, prophezeit unsere Quelle innerhalb der Partei. Auf jeden Fall ist die Lage in keiner Hinsicht glänzend oder beneidenswert, egal aus welcher innerparteilichen Position man die Situation auch betrachtet. Rendi-Wagner steht erst kaum über ein Jahr an der Parteispitze und ist bereits mit Stimmen konfrontiert, die ihren Rücktritt fordern. Auch wenn Politik heute oft eine „One-Man-Show“ bzw. eine „One-Woman-Show“ ist: klar ist, dass die heutige Situation der Partei nicht in der Verantwortung einer einzelnen Person liegt….

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14,9 Millionen Euro betragen die Schulden der SPÖ.
25 % oder 27 Mitarbeiter der Parteizentrale wurden gekündigt.
2 Wechsel an der Parteispitze seit 2016.