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KULTUR

Senad Basic ,,Es ist schwer, die Heimat ganz aus sich zu löschen“

Senad-Basic
(Foto: zVg.)

Der Film ,,Bosanski lonac“ ist eine Koproduktion Kroatiens, Österreichs und Bosnien-Herzegowinas, der Regisseur ist Pavo Marinkovic. In der Hauptrolle finden wir einen der besten bosnisch-herzegowinischen Schauspieler, Senad Basic, mit dem wir anlässlich der Filmvorführung in Österreich gesprochen haben.

KOSMO: Es gibt nicht viele Filme, die sich mit dem Leben der Gastarbeiter beschäftigen. Warum ist dieses Thema Ihrer Meinung nach wichtig?

Senad Basic: Es ist wichtig, denn es stellt sich die Frage: Im Krieg dableiben oder weggehen? Der Krieg ist ein Orkan menschlichen Irrsinns, und die, die da hineingeraten, unfreiwillig, auf einer der beiden Seiten des Krieges, können wählen – bleiben oder gehen. Faruk Šego hat gewählt zu gehen und nicht in sein Land zurückzukehren. In seiner Heimat gibt es nichts außer Gräbern. Er ist nicht aus dem Krieg weggegangen, um zurückzukehren, vor allem, weil er das Wichtigste, das er hatte, verloren hat: sein Mädchen und seine Liebe. Er hat seine Muse verloren, die ihn inspiriert hatte, Dramatiker zu werden. Die Entscheidung, Jugoslawien zu verlassen und niemals zurückzukehren, ist die schwerste Entscheidung, denn man muss die Verbundenheit zu seinem Land abschneiden, so wie es Džoni Štulić getan hat. Es ist schwer, sich ganz von der Heimat zu befreien.

Hat sich Ihre Meinung über die Menschen, die Gastarbeiter geworden sind, während der Dreharbeiten zu diesem Film geändert, bzw. wann haben Sie die Lebensweise dieser Menschengruppe besser kennengelernt?

Meine Meinung hat sich nicht geändert. Hier in Sarajevo und auf meinen zahlreichen Reisen durch die Welt während des Krieges und nach dem Krieg hatte ich Gelegenheit, die Ex-Yu-Diaspora gut kennenzulernen. Ich habe übrigens auch einen Bruder in Dänemark, der mit seiner Familie dorthin ausgewandert ist und nicht zurückkehren wird. Er hat für sich und seine Familie sogar Grabstätten in Dänemark gekauft. Er ist gegangen, um nie zurückzukehren. Das Faszinierende an der Emigration ist das Heimweh und die Art, wie jeder Emigrant dagegen kämpft: einige verleugnen es einfach, in anderen zerreißt es die Identität und Souveränität.

Ich muss hier an Tarkovski und seinen wunderbaren Film „Nostalgija“ erinnern. Das Heimweh besteht in jedem Emigranten, und  meine Reisen durch die Welt haben mir geholfen zu verstehen, wie jeder individuell dagegen ankämpft. Einigen fällt der Kampf leicht, andere zerreißt es auf verschiedene Weise.

(Foto: zVg.)

Wie wird der Mikrokosmos der Ex-Yu-Gemeinschaft in Österreich im Film dargestellt?

Je weiter eine Person vom Gebiet des ehemaligen Jugoslawien entfernt ist, desto stärker wird die Verbundenheit der Diaspora auf nationaler Grundlage. Österreich ist für die Emigranten vom Balkan nahe und viele von ihnen halten noch immer fest zusammen, so als wären sie irgendeiner Naturkatastrophe entflohen und warteten auf ihr Ende. Dabei denken sie darüber nach, ob sie bleiben oder zurückkehren sollen. Im Falle der Ex-Yu-Emigration ist es dazu gekommen, dass der Frieden schlimmer ist als der Krieg selbst.

Amateurhafte Politik und Demokratie haben in der Friedenszeit ihre finstersten Seiten gezeigt, voller Korruption und Hass aufgrund nicht verwirklichter Kriegsziele aller Seiten. Diese Situation ist der Grund, weswegen viele Emigranten sich entscheiden, nicht zurückzukehren, sondern ein neues Leben zu beginnen und sich in den Gesellschaften zu assimilieren, in denen sie jetzt leben.

Da Sie auch auf Deutsch gedreht haben: Wie schwierig war das für Sie und wie finden Sie die deutsche Sprache?

Sehr schwer. Ich habe Filme auf Englisch, Italienisch, Romani und Slowenisch gedreht, aber das Drehen auf Deutsch war das Schwerste für mich. Mit einem guten Lehrer, den mir die Produzenten besorgt hatten, bin ich irgendwie mit der deutschen Sprache klargekommen, mit einer Sprache, die ich überhaupt nicht kenne. Professionell nehme ich Rollen in Sprachen, die ich mir ganz ungekannt sind, als willkommene Gelegenheit, sie zu lernen. Erst jetzt sehe ich, dass ich die Schwierigkeit der deutschen Sprache unterschätzt habe. Zum ersten Mal habe ich begriffen, wie ähnlich und wie drastisch verschieden sie vom Englischen ist.

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