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KULTUR

Senad Basic ,,Es ist schwer, die Heimat ganz aus sich zu löschen“

Was glauben Sie, wie geht es Menschen, denen es wie Faruk schwerfällt, sich in ein ambivalentes Leben in einem fremden Land einzufügen? Wie finden sie in ihrem Leben zu einem Gleichgewicht?

Am schwersten ist es für Emigranten, die sich nicht anpassen wollen, die Sprache nicht lernen wollen, die Gesellschaft und die Regeln, die anders sind als die am Balkan, nicht verstehen wollen. Sie werden oft zu Wirtschaftsemigranten und tief innerlich denken sie noch immer an Rückkehr. Das Land, aus dem sie stammen, zieht sie sehr an. Sie idealisieren es oft auf unrealistische Weise, was zu Täuschungen führen kann. Wenn sie zurückkehren, wächst paradoxerweise ihr Wunsch, erneut wegzugehen.

Wie die Gnus wechseln sie ständig zwischen zwei Orten. Sie haben kein wirkliches Gleichgewicht im Leben, sondern nur die Illusion eines Gleichgewichts mit einer ständigen Unzufriedenheit, egal, wo sie sich gerade befinden. Sie leben in einem Kompromiss, der sie auslaugt. Die Entscheidung zu gehen oder zu bleiben muss endgültig sein, denn nur mit einem klaren Standpunkt kann man ein erfülltes Leben führen.

(Foto: zVg.)

Faruk sagt im Film: „Die Vorstellung muss stattfinden, ohne die Vorstellung werde ich ausgewiesen.“ Kann Kunst in diesem Sinne in die Poren einer Gesellschaft eindringen, in der sie sonst nicht stark vertreten ist?

Die Kunst glorifiziert die Regierung, das System, und die Kunst kritisiert die Regierung, das System. Sie kritisiert und zeigt mit dem Finger auf gesellschaftliche Mängel und Fehler. Für Faruk Šego ist Kunst in diesem Film ein Mittel, mit dem er versucht, seine Entscheidung umzusetzen, in Österreich zu bleiben und niemals zurückzukehren. Eigentlich hat er keine Heimat mehr.

Seine Heimat war Jugoslawien. Mit dem Zerfall Jugoslawiens ist auch er zu Bruch gegangen, hat seinen Willen und seine Energie verloren, Kunst zu schaffen. Bei der schrecklichen Explosion Jugoslawiens hat er einen Splitter abbekommen, der noch immer in ihm steckt. Dieser Splitter paralysiert und hindert ihn, das zu tun, was er am besten kann: zu schreiben. Erst mit der Ausweisung aus Österreich wird sein Bedürfnis zu schreiben, Kunst zu schaffen, wieder geweckt.

Welche Reaktion erwarten Sie beim österreichischen Publikum auf die Premiere des Films „Bosanski lonac“?

Irgendwer hat geschrieben, dass unser Film eine traurige Komödie ist, und das hat mir sehr gefallen. Europa ist voller Emigranten aus allen Teilen der Welt, auch aus Jugoslawien. Ich erwarte, dass das Publikum, das den Film ansieht, egal, ob das Österreicher oder Emigranten sind, ihn verstehen und unsere Geschichte mögen wird. Der Regisseur, Pavo Marinković, sagt gerne, dass es in dieser Geschichte, „Bosanski lonac“, autobiographische Elemente gibt: „Faruk Šego ist und ist nicht Pavo Marinković“. Mir persönlich hat es sehr viel Spaß gemacht und es war eine neue Erfahrung, mit diesem wunderbaren Autoren- und Schauspielerteam zu arbeiten. „Bosanski lonac“ kann einen nicht kalt lassen, und weil ich ihn so mag, bin ich überzeugt, dass ihn auch das österreichische Publikum mögen wird.