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PROTESTE

Serbien in Aufruhr: Studenten fordern Vucics Rücktritt

FOTO: EPA-EFE/ANDREJ CUKIC
FOTO: EPA-EFE/ANDREJ CUKIC

In Serbien dauern die Proteste von Studierenden an, die den autoritären Präsidenten Aleksandar Vucic erheblich unter Druck setzen. Ein Bericht des Boulevardblatts „Informer“ über einen möglichen Rücktritt des Präsidenten löste zusätzliche Spekulationen aus.

„Ich möchte keinen Kommentar abgeben, insbesondere nicht zu diesem Zeitpunkt. Wir werden in den kommenden Tagen darüber sprechen“, sagt Vucic am Rande des Westbalkan-Gipfeltreffens in Brüssel. Vucic reagierte bisher zurückhaltend und erklärte gegenüber dem TV-Sender N1, nicht auf die Aufforderungen der Opposition, das Land zu verlassen, eingehen zu wollen. Er betonte, dass er nicht vor „vor dem Abschaum davonlaufen, der in Serbien alles ausgeraubt und privatisiert hat“.

Einsturz des Bahnhofs als Auslöser

Die Proteste begannen nach dem tragischen Zusammenbruch eines Bahnhofsvordachs in Novi Sad am 1. November, bei dem 15 Menschen ums Leben kamen. Das Gebäude war erst im Sommer nach vierjährigen Renovierungen wieder eröffnet worden. Viele Studierende, Aktivisten und Oppositionspolitiker vermuten, dass Korruption die Qualitätsmängel der Renovierungsarbeiten verursacht hat. Die Sanierungsarbeiten wurden von zwei chinesischen Firmen sowie weiteren, den Behörden nahestehenden Unternehmen durchgeführt. Der Bahnhof spielt eine wichtige Rolle in einem chinesischen Infrastrukturprojekt der „Neuen Seidenstraße“ zur Bahnverbindung zwischen Budapest und Belgrad.

Trotz der Verhaftung mehrerer Personen, darunter des zurückgetretenen Infrastrukturministers Goran Vesic, aber auch seiner baldigen Freilassung, konnte die Wut der Öffentlichkeit nicht gemindert werden. In der Folge legte auch Handelsminister Tomislav Momirovic sein Amt nieder.

Forderungen bleiben unerfüllt

Im Bemühen, die Lage zu beruhigen, veröffentlichte die Regierung auf Anregung von Vucic Dokumentationen zur Renovierung. Es wurde jedoch schnell festgestellt, dass diese Unterlagen unvollständig waren. Vucics Ankündigung, die Finanzmittel für staatliche Universitäten zu erhöhen, fand bei Studierenden und Professoren wenig Anklang, da sie auf die Einhaltung eines verfassungsgemäßen Systems drängen. Die Forderungen seien nicht durch den „guten Willen“ des Präsidenten zu erfüllen, sondern durch funktionierende Institutionen, erklärten Studierende der Belgrader Philosophischen Fakultät.

Petar Saratlic, ein bedeutender Studentenaktivist, betonte, die Studierenden wüssten genau, welche Befugnisse gemäß der Verfassung Vucic zustünden. Daher richteten sie ihre Forderungen an unabhängige staatliche Institutionen.

Trotz des autoritären Regierungsstils von Vucic, der seit 2017 im Amt ist, betonte er bei einem Regierungstreffen: „Es wird keine bunte Revolution in Serbien geben, auch keine gewaltsame Machtübernahme“. Dennoch bleiben die Proteste unvermindert aktiv und äußern sich täglich in 15-minütigen Verkehrsblockaden, die an die Tragödie von Novi Sad erinnern und die Verantwortlichen an ihre Verpflichtung erinnern. Bei den Protestaktionen kommt es immer wieder zu Vorfällen, wie neulich, als in der Nähe der Universität Belgrad eine Demonstrantin von einem Fahrzeug erfasst wurde.