Bundeskanzler Christian Stocker spricht im KOSMO-Interview über Budgetdisziplin, Arbeitsmarkt, Migration und geplante Reformen – und erklärt, wie Österreich trotz Sparkurs zukunftsfit bleiben soll.
KOSMO: Trotz des größten Sparpakets in der Geschichte der Republik kündigen Sie gleichzeitig Investitionen in Wirtschaft und Standort an. Wie soll dieser Spagat gelingen, ohne das Ziel der Budgetkonsolidierung zu gefährden?
Christian Stocker: Die Budgetsanierung ist eine der drängendsten Aufgaben und auch die Grundlage für viele Maßnahmen, die wir geplant haben. Gleichzeitig müssen wir unseren heimischen Wirtschaftsstandort durch zielgerichtete und treffsichere Maßnahmen stärken und unsere Unternehmerinnen und Unternehmer unterstützen. Solche Maßnahmen müssen nicht unbedingt viel Geld kosten, um effektiv zu sein. Wenn wir etwa im Bereich der Deregulierung und Entbürokratisierung an den richtigen Schrauben drehen, können wir wichtige Impulse für unsere Wirtschaft setzen, die heimischen Unternehmen spürbar entlasten und für konkrete Verbesserungen sorgen.
Sie fordern, dass „wir wieder mehr arbeiten müssen“, um den Wohlstand zu sichern. Welche konkreten Maßnahmen plant die Regierung, um die Arbeitszeit zu erhöhen?
Christian Stocker: Den Wohlstand unseres Landes verdanken wir insbesondere all jenen Menschen, die jeden Tag arbeiten gehen und damit einen wertvollen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten. Deshalb ist es wichtig, die Rahmenbedingungen für Vollzeitbeschäftigte zu verbessern und den Umstieg von Teilzeit auf Vollzeit attraktiver zu gestalten. Mit der weitestgehenden Abschaffung des geringfügigen Zuverdienstes bei Bezug von Arbeitslosengeld soll erreicht werden, dass mehr Menschen in eine Vollzeitbeschäftigung wechseln – was zur Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Arbeitsstundenvolumens beiträgt und so auch den Fachkräftemangel lindert.
Wie wollen Sie das tatsächliche Pensionsantrittsalter an das gesetzliche Alter heranführen, und welche Unterstützung ist für ältere Beschäftigte vorgesehen?
Christian Stocker: Wenn wir den tatsächlichen Pensionsantritt ein Jahr näher an das gesetzliche Pensionsantrittsalter heranführen, entlasten wir das Budget um rund 2,5 Milliarden Euro – und das jedes Jahr. Um das umzusetzen, haben wir bereits die ersten Maßnahmen auf den Weg gebracht: Ab 2026 wird bei der Korridorpension das Antrittsalter und die erforderliche Versicherungszeit angehoben. Zudem wird auch die Möglichkeit einer Teilpension geschaffen.

Die Aussetzung der Inflationsanpassung bei Familienleistungen trifft laut Expertinnen und Experten vor allem Frauen und einkommensschwache Haushalte. Wie begegnet Ihre Regierung der Kritik, soziale Ungleichheiten damit weiter zu verschärfen?
Christian Stocker: Österreich hat die höchsten Familienleistungen in Europa. Das wird auch in Zukunft so bleiben, weil uns Familien mit Kindern ein zentrales Anliegen sind. Durch die Aussetzung der Valorisierung wird niemand weniger Geld erhalten. Stattdessen wird lediglich die automatische Erhöhung für zwei Jahre ausgesetzt – bei der Familienbeihilfe geht es etwa um einen Betrag von rund 4,20 Euro pro Monat und Kind, der durch den Entfall der Valorisierung nun nicht zusätzlich dazukommt.
„Den Wohlstand unseres Landes verdanken wir insbesondere all jenen Menschen, die jeden Tag arbeiten gehen.“
Die Verteidigungsausgaben sollen deutlich steigen. Wie genau soll die Erhöhung umgesetzt werden und welche konkreten Modernisierungsschritte sind für das Bundesheer vorgesehen?
Christian Stocker: Für Österreich ist eine aktive Beteiligung an der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unerlässlich und in unserem ureigensten Interesse, wenn wir den höchsten Grad an Sicherheit für Österreich und die Menschen in unserem Land erreichen wollen. Im aktuellen Regierungsprogramm haben wir verankert, dass wir die Verteidigungsausgaben bis 2032 auf zwei Prozent des BIP anheben werden. Sicherheit gewinnen wir auch dann, wenn wir unsere Verteidigungsfähigkeit erhöhen. Wenn Österreich besser verteidigt ist, ist auch Europa besser verteidigt.
Sie betonen immer wieder die Belastung der öffentlichen Systeme durch Migration. Welche langfristigen Strategien verfolgt Ihre Regierung, um diese Herausforderungen zu bewältigen und gleichzeitig humanitären Verpflichtungen gerecht zu werden?
Christian Stocker: Wir haben einerseits in Österreich Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Asylzahlen zu reduzieren, andererseits aber auch auf europäischer Ebene Druck gemacht, illegale Migration zu verringern. Ich freue mich, dass wir mit Kommissar Magnus Brunner einen Vertreter Österreichs in Brüssel haben, der dazu einen wichtigen Beitrag leistet. Die europäische Asyl- und Migrationspolitik enthält viele Impulse, die von Österreich ausgegangen sind. Die europäischen Vorhaben, wie den Asyl- und Migrationspakt oder den Vorschlag für ein neues Rückführungsgesetz, halte ich für richtig und gut.
Sie haben angekündigt, die wahlfreie Zeit für wichtige Reformen nutzen zu wollen. Welche Vorhaben stehen konkret auf Ihrer Agenda und wie wollen Sie deren Umsetzung nachhaltig sichern?
Christian Stocker: Als Bundesregierung haben wir uns neben der notwendigen Budgetkonsolidierung auch darauf verständigt, gemeinsam Reformen in Struktur und Verwaltung anzugehen – denn es braucht mehr als nur Sparsamkeit, um Österreich zukunftsfit zu machen. Deshalb haben wir bereits im Regierungsprogramm festgehalten, dass wir in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Energie dort tiefgreifende Veränderungen vornehmen, wo sie notwendig und sinnvoll sind. Das ist eine gesamtstaatliche Herausforderung, die eine gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern und Gemeinden braucht. Nach dem Budgetprozess starten wir jetzt gemeinsam den Reformprozess.
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