Start Infotainment Gourmet
Baisermasse

Süßer Genuss, dunkle Geschichte: Die Kardinalschnitte

(FOTO: wikimedia/Herbert Frank)
(FOTO: wikimedia/Herbert Frank)

In den süßen Genüssen der österreichischen Konditorei hat sich ein Dessert als unverkennbarer Klassiker etabliert. Die Kardinalschnitte. Ihre luftige Eischneemasse, die auf zartem Biskuit ruht und mit Marillenmarmelade gefüllt ist, hat sie zu einer weltweit beliebten Mehlspeise gemacht. Doch ihr Ursprung liegt in einer weniger süßen Zeit der österreichischen Geschichte.

Die Kardinalschnitte wurde von Ludwig Heiner, dem Begründer der K.u.K. Hofzuckerbäckerei L. Heiner in Wien, kreiert. Dies geschah anlässlich des Allgemeinen Deutschen Katholikentages, der vom 7. bis 12. September 1933 stattfand – eine Zeit, die als Austrofaschismus in die Geschichte eingegangen ist. Die Farben Gelb und Weiß der Biskuit- und Baisermasse symbolisieren die Farben des Vatikans, ein Hinweis auf den religiösen Hintergrund der Kreation.

Kardinal Theodor Innitzer

Es wird angenommen, dass Heiner das Dessert zu Ehren von Kardinal Theodor Innitzer kreiert hat, der ein regelmäßiger Gast in der Konditorei war. Wie die Hofzuckerbäckerei L. Heiner auf ihrer Webseite berichtet, konnte sich auch Kardinal Theodor Innitzer der süßen Versuchung der Kardinalschnitte nicht entziehen.

„Anschluss“ an Nazi-Deutschland

Doch die Herkunftsgeschichte der Kardinalschnitte ist nicht ohne Kontroversen. Der Katholikentag, zu dessen Ehren die Kardinalschnitte kreiert wurde, wurde von Kanzler Engelbert Dollfuß für seine politischen Zwecke genutzt. Er hielt eine Begrüßungsrede, in der er den austrofaschistischen Ständestaat propagierte. Die Bischöfe und Innitzer, eine laut „Standard“ „kontroverse Figur“, unterstützten Großteils seine Pläne. Zudem unterzeichneten Innitzer und die Bischöfe 1938 eine Erklärung an das Volk, bei der Volksabstimmung für den „Anschluss“ an Nazi-Deutschland zu stimmen. Ein Begleitbrief wurde von Innitzer mit „Heil Hitler!“ signiert.

Gesunde Eiscreme statt satten Kalorien

Die Kardinalschnitte ist also mehr als nur ein süßer Genuss. Sie ist ein Teil der österreichischen Geschichte, der auf eine dunkle Zeit hinweist. Heute wissen wohl die wenigsten, wie die Kardinalschnitte zu ihrem Namen gekommen ist. Ob diese Kenntnis das Genusserlebnis beeinflusst, muss jeder für sich selbst entscheiden. Doch eines ist sicher: Die Kardinalschnitte bleibt ein unverzichtbarer Bestandteil der österreichischen Konditorei.

Sandra Plesser
Als zweites Kind jugoslawischer Gastarbeiter wurde Sandra in Wien geboren und studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Während ihrer Tätigkeit als Redakteurin bei Advanced Photoshop, mokant und Der Standard baute sie mittels Weiterbildungen ihr Wissen im Bereich Social Media-, Content- und Veranstaltungsmanagement aus. Nach drei Jahren in der Eventorganisation widmet sie sich bei KOSMO wieder ihrer Passion: dem Journalismus.