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AUCH NACH 25 JAHREN

UN-Repräsentant: Balkan-Krieg geht bei vielen im Kopf weiter

(FOTOS: Wikimedia Commons/ICTY staff, Facebook/Figlhaus Wien)

Bei einem Wiener Gesprächsabend der Akademie für Evangelisation warnte der UNO-Diplomat für Bosnien und Herzegowina, Valentin Inzko, vor einer Abwanderung qualifizierter Jugendlicher ins Ausland. Diese sei seiner Meinung nach der zu hohe Preis für einen fehlenden gemeinsamen Neubeginn.

Der Kern des Gesprächs war, dass die heutigen Krisen der Welt nur solidarisch und in einem „Geist der Wahrheit“ nachhaltig gelöst werden könnten. In diesem Sinne lobte der hohe Repräsentant der UNO für Bosnien und Herzegowina die EU auch als Positiv-Beispiel für einen gelungenen gemeinsamen „kompletten Neubeginn“. Die Union sei derzeit das erfolgreichste Friedensprojekt überhaupt, mache leider aber gegenwärtig „schlechte PR-Arbeit“, so Inzko. Der Diplomat sprach damit das Problem an, dass der Balkan-Krieg bei vielen Menschen im Kopf weiter vorhanden sei.

Auch nach 25 Jahren existiert der Balkan-Krieg noch in vielen Köpfen
Bei vielen Menschen auf dem Balkan gehe der vor 25 Jahren beendete Krieg im Kopf noch immer weiter, schilderte der Hohe Repräsentant. Weniger auf die einfachen Leute, wohl aber auf manche Politiker treffe dies zu: So würden viele Politiker weiterhin öffentlich Kriegsverbrecher, die rechtskräftig in Den Haag verurteilt wurden, verherrlichen und Kriegsziele beibehalten. Das zeige sich laut Inzko auch an den weiter vorhandenen Bestrebungen zur Errichtung einer unabhängigen Republik Srpska.

Auch wenn es nie hundertprozentige Gerechtigkeit geben werde, sei trotzdem die Suche nach Wahrheit, die zumindest in den Verurteilungen der größten Kriegsverbrecher zum Ausdruck gekommen sei, sehr wichtig, betonte Inzko weiter.

Hoher Preis für anhaltende Kriegsstimmung
Der Preis für die weiter aufrechte Kriegsstimmung sei enorm, mahnte der vor allem in Sarajevo tätige UN-Vertreter: Nicht zuletzt trage diese Situation dazu bei, dass Flüchtlinge nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren wollten und dort fehlten – und mit ihnen auch viele Begabungen und Talente. Als Beispiel nannte Inzko hier die österreichische Justizministerin Alma Zadić (Grüne): Die aus dem bosnischen Tuzla stammende Juristin habe ihre Volksschule „im Keller absolviert“, ehe sie als zehnjährige mit ihrer Familie nach Österreich floh, so Inzko.

Problemlösung nur gemeinsam
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken brauche es vor allem eines: „Wir müssen das Bewusstsein dafür schärfen, dass wir die Probleme unserer Zeit nur gemeinsam oder gar nicht bewältigen werden“, schloss Valentin Inzko. Man müsse weiter Schritte nach vorne gehen anstatt zurück und dieser Schritt nach vorne sei die Solidarität, die Hoffnung gebe.