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INTERVIEW

Unsere Hoffnungen der österreichischen Medizin – Kanita Selimović-Nuhanović

FOTO: Igor Ripak

FACHÄRZTE. Ihre Wege und ihre Spezialisierungen sind unterschiedlich, aber eines ist ihnen allen gemeinsam: der Wunsch, anderen Menschen fachlich und menschlich zu helfen, aber auch die Entscheidung, ihren Beitrag zur österreichischen Medizin zu leisten.

KOSMO hat die Ehre, Ihnen diese bescheidenen jungen Leute als Vorbild und Beispiel vorzustellen. Nach Miodrag Ognjanović, wollen wir euch Kanita Selimović-Nuhanović vorstellen – Doktorin in der fachärztlichen Ausbildung der Gastroenterologie und Hepatologie.

LESEN SIE AUCH: Unsere Hoffnungen der österreichischen Medizin – Miodrag Ognjanović

  

FACHÄRZTE. Ihre Wege und ihre Spezialisierungen sind unterschiedlich, aber eines ist ihnen allen gemeinsam: der Wunsch, anderen Menschen fachlich und menschlich zu helfen, aber auch die Entscheidung, ihren Beitrag zur österreichischen Medizin zu leisten.

 

Die unbarmherzigen Umstände der 90-er Jahre, die uns allen bekannt sind, haben die damals zehnjährige Kanita und ihre Familie nach Österreich verschlagen. Der durchlebte Krieg hat auch die Wahl ihres künftigen Berufs beeinflusst. Ich erinnere mich, dass damals die Nachrichten voller Bilder und Informationen über die Gefallenen und Verwundeten in den Krankenhäusern waren. Ärzte gaben Interviews. ‚Wir haben nicht genug Ärzte. Wir haben keine Medikamente! Wir brauchen dringend Ärzte!‘ Das waren Momente, in denen ich gewünscht habe, ich wäre älter und ich wäre diese Ärztin, die helfen und retten könnte. Soweit man so etwas ohne entwickeltes Bewusstsein und mit der reinen Naivität eines hilflosen Kindes entscheiden kann, bin ich sicher, dass genau dieser durchlebte Krieg und die Bilder der hilflosen Menschen und der Kinder, die um Hilfe schreien, meine Entscheidung beeinflusst haben, Ärztin zu werden.“, erzählt Dr. Selimović-Nuhanović offen, was niemanden gleichgültig lässt.

„Die Menschen schätzen ihre Gesundheit erst,
wenn sie sie verlieren. Darum ist meine Definition von Gesundheit: Prävention!“

Mit derselben Offenheit gesteht uns diese Ärztin, dass ihr Weg vom Flüchtlingskind bis zu diesem Erfolg steinig war. „Ich war ein klassisches Flüchtlingskind, das seine ersten Schritte in Österreich ohne jede Sprachkenntnis, ohne ein richtiges Dach über dem Kopf, ohne jedwede Sicherheit gemacht hat… Wir sind hier in eine Flüchtlingsunterkunft, ein sogenanntes Lager, gekommen, und das hieß: viele Menschen in einem engen Raum, alte, junge, gesunde und kranke. Meine Eltern mussten sofort beginnen, von früh bis spät zu arbeiten, und ich war plötzlich das einzige Kind in der Klasse, das kein Wort Deutsch verstand.“, erinnert sie die Ärztin an diese schwere Zeit und fährt fort: „Ich glaube, dass viele Kinder in den ersten Schultagen in einem fremden Land schöne Erfahrungen machen. Ich bin leider gleich zu Beginn ausgelacht worden. Ich wusste, wenn ich versuche, in meiner Sprache etwas zu sagen, dann versteht mich niemand und die Kinder werden noch mehr lachen. Darum bin ich fast ein ganzes Jahr lang stumm geblieben. Darum wurde ich in Deutsch nicht benotet, war aber in Mathematik und ähnlichen Fächern, die keine Worte erfordern, sehr gut.“

FOTO: Igor Ripak

Aber trotz all dieser Schwierigkeiten verlor Kanita nie die Motivation, was noch heute der Satz über ihre weiteren Karrierepläne beweist: „So wie der Mensch lernt, solange er lebt, so studieren auch die Ärzte weiter, solange sie leben. Das richtige Lernen beginnt erst mit der Arbeit. Mein Plan ist, mich in meinem Fach aktiv weiterzubilden und eine gewissenhafte und gute Ärztin zu werden und zu bleiben. Und ich will niemals vergessen, dass ich die Arbeit nicht um meiner selbst und meines Status willen mache“, erzählt die Ärztin und fügt hinzu: „Das, was mich als Gesundheitsbedienstete und als Mensch schmerzt, ist die Tatsache, dass Menschen mancherorts, zum Beispiel auch in meiner Heimat, gezwungen sind, Geld zu sammeln, um ihre Kinder behandeln zu lassen. Als Ärztin, die in einem ziemlich gut organisierten System arbeitet, in dem so etwas undenkbar ist, denke ich darüber nach, wie sehr mich die Leiden meiner Landsleute mitleiden lassen und wie sehr mich meine Hilflosigkeit schmerzt“, unterstreicht Dr. Selimović-Nuhanović. Und wer ist für diese Ärztin die Medizin? „Auch ich habe Ärzte, an die ich mich um Hilfe wende. Aber ich bin nicht nur eine sehr anspruchsvolle Ärztin, sondern auch eine sehr anspruchsvolle Patientin“, bekennt die Doktorin mit einem breiten Lächeln.