Start Aktuelle Ausgabe
REPORTAGE

Vergewaltigungsdrogen treiben in den Wiener Clubs ihr Unwesen

K.O. Tropfen
K.O. Tropfen (FOTO: iStock)

GEFAHR. Vergewaltigungsdrogen, oder auch K.O. Tropfen genannt, sind einfach und ohne Rezept erhältlich. Eine leicht erhöhte Dosis dieser Tropfen kann aber zu Atemnot und letztendlich zum Tod führen.

K.O.-Tropfen oder K.O.-Mittel stellen in vielen Ländern eine enorme Gefahr für Frauen dar. In Nachtclubs oder Bars kommt es nicht selten vor, dass Frauen nach nur einem Glas Wein oder Bier ihr Bewusstein und die Kontrolle über ihren eigenen Körper verlieren. Davon ausgehend, dass sie betrunken sind, machen sie sich auf den Weg nach Hause – alleine! Sie wachen am nächsten Tag an einem fremden Ort auf, ohne die leiseste Ahnung, wie sie dort gelandet sind und – was daran am schlimmsten ist – ohne jegliche Erinnerungen an die Nacht zuvor.

Ihr ganzer Köprer schmerzt, sie haben einen schrecklichen Kater bzw. Kopfschmerzen und manche von ihnen auch die Spuren von einem sexuellen Missbrauch. Johnna (der echte Name ist der Redaktion bekannt) war das Opfer dieser gefährlichen Drogen und erzählte uns ihre Geschichte…

„An einem Abend vor ungefähr vier Jahren zog ich mit paar Freunden durch die Häuser. Unser Weg führte uns in einen sogenannten „Jugoclub“. Gerade einmal 15 Minuten dort, brachte uns der Kellner ein Glas Sekt pro Kopf. Wir stießen an, und die Nacht konnte beginnen. Doch irgendwie nahm der Abend schnell eine unangenehme Wende.

Ich verließ den Club, alleine, da ich eigentlich nach paar Minuten wieder zurückkommen wollte. Ich schnappte also nach Luft, ohne Jacke, ohne Geld, ohne Handy. Ab diesem Zeitpunkt weiß ich gar nichts mehr“, erzält Johanna die schreckliche Geschichte.

„Alles weitere erfuhr ich am nächsten Tag durch Erzählungen meiner Mutter und meiner besten Freundin. Meine Mutter suchte mich drei Stunden in ganz Wien, da niemand wusste wo ich war. Sie rief an verschiedenen Polizeistellen an, bis eine bestätigt hatte, dass sie ein Mädchen, das zu der Beschreibung passt, gefunden hatten. Sie kam zu mir und der Polizist erzählte ihr, ich sei mit dem Taxi gefahren, ohne es bezahlen zu können. Als der Taxifahrer bemerkte, dass ich kein Geld bei mir hatte, brachte er mich direkt zur Polizeiwache. Ich weiß gar nicht wie lange ich durch Wien gefahren bin, wie lange ich bei der Polizei verweilte, einfach nichts. Meine Mama fuhr mich nach Hause und ich schlief ein. Ich kann mich absolut an gar nichts in dieser Zeit erinnern. Als ich aufwachte, kam meine Mutter zu mir, voll verheult, und ihr Blick zeigte mir, was für Sorgen sie sich gemacht hatte. Sie erzählte mir alles was sie wusste und fragte mich, ob ich mich an irgendwas erinnern kann, ob ich ihr erzählen kann, was passiert ist. Aber ich konnte nicht. Im Laufe des Tages fuhren wir ins Spital, wo mir eine Urinprobe entnommen wurde und unser Verdacht wurde bestätigt: KO-Tropfen“, verriet uns Johanna.

„Meine Mutter suchte mich drei Stunden in ganz Wien, da niemand wusste wo ich war.“

Isolierter Fall?
Johanna war anscheinend nicht das einzige Opfer der gefährlichen K.O. Tropfen. In den Medien sind immer wieder Geschichten über Frauen zu lesen, die wegen dieser Tropfen beinahe ums Leben gekommen sind. In welchem Ausmaß sind die K.O. Tropfen in Österreich vertreten und wie viele Vorfälle sind bisher registriert – das haben wir den 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien gefragt.

„Wir, als 24-Stunden Frauennotruf, haben natürlich keine österreichweite Zahlen, sondern nur aussagen können, wie viele Beratungen wir hier bei uns haben. Aussagen über ganz Wien können wir nicht machen und schon gar nicht über andere Bundesländern oder ganz Österreich. Die Wiener Beratungsstelle erfasst das Thema KO-Tropfen  seit 2014 in ihrer Beratungsstatistik. Es gab im heurigen Jahr bisher 8 Erstkontakte (= Fälle) dazu am Telefon. Letztes Jahr waren es insgesamt 24 und im Jahr 2017 28 Erstkontakte. Infolge eines Erstkontaktes ergeben sich meist weitere Beratungskontakte – entweder telefonische Beratung, per E-Mail oder nach Terminvereinbarung auch persönliche Beratungen vor Ort im 24-Stunden Frauennotruf. Im laufenden Jahr verzeichnen wir bisher 28 Beratungen zu KO-Mitteln. Im gesamten Vorjahr gab es 131 Beratungen zu KO-Mitteln”, so Mag.a Martina K. Steiner, die stellvertretende Leiterin des 24-Stunden Frauennotrufs.

In erster Linie geht es um junge Frauen, die im Zuge vom Fortgehen oder bei Festen (durchaus auch im „Freundeskreis”) Opfer von KO-Mittel Verabreichung wurden und sich dann bei dem 24-Stunden Frauennotruf melden.

Der Frauennotruf ist eine Anlaufstelle für Opfer der K.O. Tropfen, an die sie sich jederzeit mit der Bitte um Hilfe und Beratung wenden können. „Wir nehmen die Frau ernst, sie kann uns in einem absolut vertraulichen Rahmen schildern, was passiert ist. Wir können sie im ersten Schritt unterstützen, indem wir ihr alle möglichen Informationen geben betreffend Wirkung von KO-Mitteln und sie auch darüber aufklären, wie wichtig es ist (zeitnah!) Beweise zu sichern. Denn, für den Fall, dass sie sich zu einer Anzeige entschließt, auch wenn dies erst nach einer gewissen Zeit erfolgt, sind diese Sachbeweise und Gedächtnisprotokolle (die man auch mit Schilderungen von Personen, die etwas beobachtet haben könnten, ergänzen sollte) maßgeblich für eine erfolgreiche Strafverfolgung.“

Johanna hatte ein großes Glück, dass der Taxifahrer sie in die Polizeiwache.
Johanna hatte großes Glück, dass der Taxifahrer sie in die Polizeiwache brachte. (FOTO: KOSMO)

Das Gift lauert in kleinen Fläschchen
Dass viele Frauen wegen K.O.Tropfen oder – Vergewaltigungsdrogen – nicht nur vergewaltigt wurden sondern fast gestorben sind oder schwere innere Verletzungen erlitten haben, hat mehrere Gründe. Zum einen sind die K.O. Tropfen leicht erhältlich (ohne Rezept und über das Internet) und zum anderen kann eine höhere Dosis den Tod verursachen. Sogar die beliebte, deutsche Aufdecker-TV-Sendung „Galileo” hat die Gefahr dieser Tropfen getestet und gezeigt, dass die Vergewaltigungsdrogen leicht zu einem lebensgefährlichen Gift werden können. Die Tropfen sind farb- und geruchlos, schmecken salzig bis seifig, sind jedoch in Mixgetränken kaum wahrnehmbar.

Zum einen sind die K.O. Tropfen leicht erhältlich (ohne Rezept und über das Internet) und zum anderen kann eine höhere Dosis den Tod verursachen.

„Wir sprechen mittlerweile von KO-Mitteln, da diese nicht nur in flüssiger Form vorkommen bzw. verabreicht werden können. Die Substanzen sind so mannigfaltig, die mit KO Wirkung verabreicht werden können. Viele davon sind in ihrer ursprünglichen Verwendung als Medikamente und Beruhigungsmittel auf dem Markt. Eine der gängigen, verbotenen Substanzen ist GHB, bzw. umgangssprachlich auch ’Liquid Ecstasy’, ’Liquid E’, ’Liquid X’ oder ’G’ bekannt. GBL z. B. wird hauptsächlich als Lösungsmittel in der Industrie eingesetzt und immer wieder missbräuchlich als KO-Mittel verwendet”, so Mag.a Sabine Gasser und Mag.a Stephanie Staubauer, Gesundheitspsychologinnen und Beraterinnen im 24-Stunden Frauennotruf.

K.O.-Tropfen wirken unterschiedlich, je nach körperlicher Verfassung, wie lange die letzte Mahlzeit zurückliegt, Alkoholgenuss, Medikamenten- oder Drogenkonsum. Je nach Dosierung reicht die Wirkung von Entspannung, sexueller Enthemmung bis hin zu tiefer Bewusstlosigkeit, die auch lebensbedrohlich sein kann.

K.O.-Tropfen sind farb- und geruchlos, schmecken salzig bis seifig, sind jedoch in Mixgetränken kaum wahrnehmbar.

„KO-Mittel können zu Beginn euphorisierend wirken und in höheren Dosierungen schließlich zu einem tiefen, komaartigen Schlaf bis hin zur Bewusstlosigkeit und zum Tod führen. Anzeichen für eine Vergiftung durch K.O. Mittel sind: plötzlicher Schwindel und Übelkeit, Wahrnehmungsschwierigkeiten, Bewusstseinstrübung, Dämmerzustand (’Gefühl, wie in Watte gepackt’), Willenlosigkeit, eingeschränkte Beweglichkeit bis hin zur Regungslosigkeit, Erinnerungslücken bis hin zur Amnesie, Euphorie (anfänglich).

„KO-Mittel können zu Beginn euphorisierend wirken und in höheren Dosierungen schließlich zu einem tiefen, komaartigen Schlaf bis hin zur Bewusstlosigkeit und zum Tod führen.”

Nachwirkungen: Der Konsum von K.O. Mittel wird Opfern meist erst im Nachhinein bewusst. Sie erwachen zu Hause oder an einem fremden Ort und wissen nicht, wie sie dorthin gekommen sind. Betroffene fühlen sich, als wären sie extrem ’verkatert’ und matt. Noch länger können sie unter körperlichen Beschwerden wie Erbrechen, Kopfschmerzen oder Schwindel leiden. Betroffene wissen häufig nicht, was geschehen ist und ob oder in welcher Form und von wem ihnen möglicherweise Gewalt angetan wurde. Oft gibt es nur ein vages Gefühl, dass es zu einem sexuellen Übergriff oder zu einer Vergewaltigung gekommen ist. Anzeichen für körperliche oder sexuelle Übergriffe sind zum Beispiel Blutergüsse, zerrissene oder fehlende Kleidung, Schmerzen im Unterleib oder Spermaspuren. Für Betroffene ist es sehr belastend, mit Gedächtnislücken und der bleibenden Unsicherheit zu leben und nur vage Fantasien über das Geschehene zu haben. Beratende Gespräche können weiterhelfen”, so Mag.a Gasser und Mag.a Staubauer.

Da die K.O.-Tropfen vielfältig sind, unterliegen nur einige von ihnen dem Suchtmittelgesetz. Das ist der Grund, warum andere leicht auf dem Markt zu finden sind. „Nicht alles, was als KO-Mittel zum Einsatz kommt, ist ursprünglich für diesen Zweck produziert worden. Die missbräuchliche Verwendung diverser Substanzen ist praktisch nicht vermeidbar.

Ganz vergessen darf man auch nicht, dass übermäßiger Alkoholkonsum auch zu einem KO-Zustand führen kann. Sei er selbst herbeigeführt oder bewusst durch eine andere Person, ist unerheblich. Denn: Eine Person, die den Zustand einer wehrlosen Person für sexuelle Übergriffe ausnutzt, macht sich nach § 205 StGB (Sexueller Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person) strafbar”, so Mag.a Karin Dietz, Juristin und Beraterin im 24-Stunden Frauennotruf.

Wie man sich vor K.O.-Mittel schützen kann und welche Maßnahmen man ergreifen soll, wenn man das Opfer von K.O.-Mitteln wird, könnt ihr auf der nächsten Seite lesen…