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REPORTAGE

Vollblut-Ingenieur: Der Mann, der sich weigert, alt zu werden!

Ich wählte die Freiheit

Obwohl mein Kollege und ich in größter Geheimhaltung geplant hatten, gemeinsam in Paris zu bleiben, gab er, als wir dort angekommen waren, den Plan aus Angst auf. Selbst, dass ich blieb, machte ihm Todesangst. Er wusste, dass ihn in Jugoslawien eine lange und quälende Untersuchung erwartete.

Ich war arm und wusste, dass es am besten wäre, bei Armen um Hilfe zu fragen, und das waren die Studenten. Ich ging in ein Studentenheim, dann in eine Mensa, wo mich Griechen aufnahmen, deren Sprache ich kannte, weil meine Mutter ja Griechin war. Ich gebe zu, dass ich Angst vor der Zukunft hatte, denn ich gehörte nirgendwo hin. Sofort brachte man mich zur Polizei, wo der Beamte sagte: ’Er hat die Freiheit gewählt.’ Ich durchlief das vorgeschriebene Verfahren und dann war ich tatsächlich frei – mit dem Status eines politischen Emigranten. Das war im Sommer 1959.

Ich hatte einen Platz zum Schlafen und zum Essen und, was am wichtigsten war, einen Ausweis, mit dem ich arbeiten durfte. Ich sprach die Sprache, denn die hatte ich in der Schule gelernt, und mein Vater hatte, als mein Bruder und ich klein waren, manchmal gewollt, dass wir zu Hause Französisch sprachen.

FOTO: Radule Bozinovic

Die erste Arbeit fand ich in einer großen französisch-amerikanischen Firma, die Installationen an Ölquellen machte und in der Ölraffinerie tätig war. In den ersten beiden Monaten habe ich als Techniker dort probegearbeitet und hatte die Aufgabe, eine Rohrleitung für große Ölinstallationen in Algier zu konstruieren. Bei dieser Arbeit zeigte sich, wie gut es war, dass ich die Entwurfsgeometrie im Studium so gut gelernt hatte, und meine Arbeitgeber waren sehr zufrieden. Ich blieb ca. dreieinhalb Jahre in der Firma, verbesserte mein Französisch und bildete mich fort. Ich war sowohl privat als auch beruflich integriert und fühlte mich frei und entspannt.

Aber ich hatte noch immer die Luftfahrt im Blut, und darum begann ich, in dieser Branche nach einem neuen Arbeitsplatz zu suchen. Als politischer Emigrant erwartete ich nicht, dass ich in der militärischen Industrie arbeiten könnte, die dort ‚Nord Aviation‘ heißt, und habe darum im zivilen Sektor, bzw. in der ‚Sud Aviation’ nach Arbeit gefragt. Aber über Kontakte, die ich an der Fakultät hatte, an der ich meine Fortbildungen gemacht und meine Zusatzprüfungen bestanden habe, bin ich doch mit der ‚Nord Aviation‘ in Kontakt gekommen. In dieser Zeit wurde an einem neuen Programm und an einem Problem mit der Concorde gearbeitet, und ich habe in einer französischen Kleinstadt begonnen, an der theoretischen Verbesserung der Aerodynamik des Flugzeugs zu arbeiten. Mit dieser Problematik hatte ich mich schon beschäftigt, seitdem es in Mostar aufgrund meiner mangelnden Erfahrung wegen der Vibration am Flugzeug zu dem Unfall gekommen war.

Das Privatleben kam dem Beruf in die Quere

Aus privaten Gründen habe ich Frankreich verlassen und bin wieder zurückgekehrt. Insgesamt habe ich mit Unterbrechungen neun Jahre in diesem Land gelebt. In dieser Zeit war ich auch Stipendiat der ‚Nord Aviation‘, was eine große Anerkennung für meine Kompetenz und Innovativität war. Einige Zeit habe ich in einer großen Firma den Posten des Chefkonstrukteurs für Kessel gehabt. Das hatte keinen direkten Bezug zu Flugzeugen, aber ich konnte meine Kreativität zeigen. Als ich mich entschied, wieder in Jugoslawien zu leben, fragte mich niemand, warum ich das Land verlassen hatte. Ich sah nur in meinem Militärausweis, dass ich in den niedrigsten Rang der Luftwaffe zurückversetzt worden war, aber das erschütterte mich nicht. Ich schwor mir, mich mit den pathologischen Erscheinungen in der Gesellschaft und bei der Arbeit, die mich das erste Mal in die Welt hinausgetrieben hatten, abzufinden. In großen Firmen arbeitete ich an der Thermik, die ich in Frankreich studiert hatte, und wurde gut bezahlt, und dennoch war das alles sehr mühsam. Aber ich passte mich irgendwie an, auch wenn meine Kreativität immer unterdrückt wurde.

In meinem Berufsleben bin ich von Bereich zu Bereich, von Projekt zu Projekt und von Land zu Land gehüpft, aber in alles, was ich gemacht habe, habe ich irgendetwas Eigenes eingebracht, irgendeine innovative Technik. Ich möchte nicht unbescheiden sein und das Patente nennen, aber ich betone, dass meine Basis die Kenntnisse waren, die ich an der Maschinentechnischen Fakultät in Belgrad erworben hatte. Die Weiterbildung in Frankreich und die Erfahrungen aus der Praxis haben dazu beigetragen, dass man mich überall aufgenommen hat, wo ich anklopfte, egal, ob ich zum ersten Mal gekommen bin oder bereits dort war. Meine Ausreisen aus meinem Heimatland hatten niemals etwas mit einer inneren Pathologie zu tun. Das erste Mal bin ich ausgereist, weil ich das Regime nicht ertragen konnte, obwohl ich noch jung war. Denken Sie daran, Jugend bedeutet nicht automatisch Unernst und Unreife. Ich war von Natur aus ein Mensch, der Sicherheit in der Gesellschaft gesucht hat. Da ich aus einer Familie von Intellektuellen stamme, hatte ich seit meiner Kindheit eine Vorstellung davon, was im Verhalten der Menschen gut ist und was schlecht. Außerdem ist die Suche nach besseren Bedingungen etwas Gesundes.

Die größte Bremse in meinem Leben waren meine familiären Verpflichtungen, die mich häufig auch gegen meinen wahren Willen von Land zu Land getrieben haben, egal, ob das Jugoslawien, Frankreich oder Griechenland oder am Ende auch Österreich war. Ich wollte immer das Beste und habe mich rückhaltlos und aufopfernd eingesetzt.