Die Weltgesundheitsorganisation ist von ihrer ursprünglichen COVID-19-Haltung abgerückt und sprechen sich nun gegen nationale Lockdowns aus.
Großbritanniens Gesandter Dr. David Nabarro von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) appellierte gestern an die Staats- und Regierungschefs der Welt, damit aufzuhören, „Lockdowns als primäre Bekämpfungsmethode“ gegen das Coronavirus einzusetzen. Vielmehr sehe die WHO nationale Lockdowns in der Corona-Pandemie nun als „Mittel der letzten Wahl“, da diese große negative Nebeneffekte haben können.
WHO nun gegen Lockdowns
„Ich möchte es noch einmal sagen: Wir in der Weltgesundheitsorganisation treten nicht für Lockdowns als primäres Mittel zur Kontrolle dieses Virus ein“, sagte Nabarro. Und weiter: „Die einzige Zeit, in der wir glauben, dass ein Lockdown gerechtfertigt ist, besteht darin, sich Zeit zu verschaffen, um Ressourcen umzustrukturieren, neu zu gruppieren, wieder ins Gleichgewicht zu bringen und erschöpftes Gesundheitspersonal zu schützen. Aber im Großen und Ganzen würden wir das lieber nicht tun.“
Zwar könnten strikte Beschränkungen dabei helfen, Ansteckungsketten zu unterbrechen und zur Erholung des Gesundheitswesens beizutragen, allerdings habe dies seinen Preis, betonte gestern, Donnerstag, auch bereits der Europa-Direktor der WHO, Hans Kluge: So sei bei strikten Lockdown-Maßnahmen mit einem Anstieg bei psychischen Erkrankungen und häuslicher Gewalt zu rechnen.
Neben möglichen gesundheitlichen und psychischen Auswirkungen, gäbe es durch die Einschränkungen auch einen großen wirtschaftlichen Schaden. Nabarro sprach etwa vom Zusammenbruch der Tourismusindustrie und sagte auch voraus, dass sich das Ausmaß der Armut und Unterernährung von Kindern in der Welt bis zum nächsten Jahr „verdoppeln“ werde, während er davor warnte, dass die Abriegelungen „arme Menschen um ein Vielfaches ärmer“ machen:
„Schauen Sie sich an, was mit dem Armutsniveau passiert – es scheint, dass wir bis zum nächsten Jahr eine Verdoppelung der weltweiten Armut haben könnten. Es kann gut sein, dass sich die Unterernährung von Kindern mindestens verdoppeln wird, weil die Kinder in der Schule keine Mahlzeiten bekommen und ihre Eltern in armen Familien nicht in der Lage sind, sich das zu leisten.“, so Großbritanniens Gesandter Nabarro.
Massive Ausbreitung in Europa
WHO-Europa-Direktor Hans Kluge betonte zugleich, dass Europa wieder zum Zentrum der Pandemie geworden sei. Auch die Todesfallrate sowie die Zahl der Spital-Patienten steige wieder an. Allerdings sei eine Ausweitung der Testkapazitäten im großen Stil nicht mehr möglich, angesichts der massiven Ausbreitung des Virus.
Das Europa-Direktorat der WHO umfasst 53 Länder, darunter auch Russland und mehrere postsowjetische Staaten in Zentralasien. Bis Donnerstag wurden in der Region nach WHO-Angaben mehr als zehn Millionen Coronavirus-Fälle nachgewiesen.
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