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UNTERSUCHUNG

Neue Islamstudie: „Radikalisierte Jugendliche sehen den Westen als Feind“

Ednan Aslan Islamstudie Radikalisierung
(FOTO: Zeliha Eliaçık / SETA Avrupa Araştırmaları)

Der Islam-Wissenschaftler Ednan Aslan veröffentlichte seine Studie zur Radikalisierung Jugendlicher, welche die mit großer Wahrscheinlichkeit für hitzige Diskussionen sorgen wird.

Im Auftrag des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) untersuchte der Wissenschaftler die „Rolle der Religion in islamistischen Radikalisierungsprozessen“. Im Frühling 2016 wurden mittels sogenannter Biographieforschung die Lebenswelten von Jugendlichen in Gefängnissen und Jugendeinrichtungen untersucht.

Die 29 Studienteilnehmer befänden sich in unterschiedlichen Radikalisierungsphasen, wobei 15 davon aufgrund terroristischer Straftaten in Haft sitzen.

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Die Ergebnisse, der am Montag von Kenan Güngör veröffentlichten Studie, haben die Gesellschaft aufgerüttelt. Medien berichteten davon, dass junge Muslime eine Gefahr sind. Aber das stimmt nicht so ganz, erzählt der Studienautor.

 

Aslan selbst war erst vor Kurzem aufgrund der polarisierenden Studie zu „Islam-Kindergärten“ auf allen Titelblättern. Diese soll von Beamten des Außenministeriums nachträglich bearbeitet worden sein.

Bisher wurde angenommen, dass betroffene Jugendliche eher geringe Kenntnisse über den Islam und dessen Inhalte verfügen. Dies hätte sich laut Aslan nicht bestätigt, da unter anderem ein großer Teil der Befragten aus einem gläubigen Elternhaus stammte und somit bereits vor der Radikalisierung mit dem Islam vertraut sind.

Narrativ-biographische Interviews
Wie aus den Studienergebnissen ersichtlich, hat sich gezeigt, dass sich die Interviewten während des Prozesses der Radikalisierung aktiv mit Inhalten, Normen und Wertvorstellungen der islamischen Lehre beschäftigen. Dieses Verständnis von islamischer Theologie, in der Studie als „Salafismus“ bezeichnet wird vonseiten des Wissenschaftlers wie folgt definiert:

„Ein ganzheitliches, religiöses und gesellschaftspolitisches Konzept, das alle Bereiche des Lebens, von persönlichen Beziehungen über die staatliche Regierungsform, regelt. Dies äußert sich in der persönlichen Anstrengung, den Normen und Anforderungen dieser Theologie gerecht zu werden – angefangen von der täglichen religiösen Praxis, dem richtigen Umgang mit der sozialen Umwelt (oder der Vermeidung) über Sprache und Kleidung,“

Radikalisierendes soziales Umfeld
Weiters geht aus der Studie hervor, dass sich der Salafismus auf „allgemein anerkannte klassische Werke der islamischen Lehre“ stütz und sich Betroffene in den meisten Fällen nicht isoliert radikalisieren. „Innerhalb des radikalen Milieus spielen bestimmte Moscheen, die eine Lehre verbreiten, die unausweichlich zum Salafismus führt, sowie religiöse Autoritäten eine zentrale Rolle.“

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Auch wenn in den vergangenen Wochen und Monaten das Internet als radikales bzw. radikalisierendes Milieu präsentiert wurde, so zeigte sich in der Untersuchung, dass die persönlichen und realen (von Angesicht zu Angesicht) Verbindungen den viel wichtigeren Faktor darstellen.

Eine der zentralsten Bestandteile des radikalisierenden Umfelds sei vor allem die Missionierungsarbeit. „Der niederschwellige Zugang zu diesem Milieu in Verbindung mit der Anforderung der Missionierung macht die Mitglieder sowohl zu Trägern als auch Vermittlern dieser Theologie.“ Personen mit größerem theologischen Wissen als würden laut Studie als „Autoritäten“ innerhalb des Umfeldes fungieren.

Abgrenzung, Abwertung und Entfremdung
In der Studie heißt es weiter, dass „die radikalen Gruppen und Individuen sich als die einzig wahren Muslime sehen“, was zu einem Gefühl der Entfremdung führe. Dies entsteht vor allem durch die Abgrenzung und Abwertung der Mehrheitsgesellschaft und anderer Muslime. „Die soziale Umwelt wird als verkommen wahrgenommen. Hinzu kommen die Ablehnung der Demokratie und die Hervorhebung der Scharia als Gesellschaftsgrundlage.“

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Westen als Feindbild
Diese Selbstwahrnehmung als wahren und rechtschaffenen Gläubigen, welche schlussendlich auch zur starken Entfremdung von der Gesellschaft außerhalb des radikalisierenden Milieus führe, stellt gleichzeitig die Grundlage für die ideologische Instrumentalisierung des Fremdseins dar: „Die Konstruktion des Westens als Feind der muslimischen Welt spielt eine zentrale Rolle für das Selbstverständnis der radikalisierten Personen“, heißt es in der Studie.

Link zur Studie „Islamistische Radikalisierung – Biografische Verläufe im Kontext der religiösen Sozialisation und des radikalen Milieus“