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INTERVIEW

„Das neue Gesetz soll vor allem die Kinder schützen“

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(FOTO: KOSMO)

KOSMO traf die Wiener Stadträtin für Umwelt und Wiener Stadtwerke zum Interview Ulli Sima zum Interview und sprach über Listenhunde, das AKW Mochovce sowie über die Versorgung der Hauptstadt mit erneuerbarer Energie.

KOSMO: Die neue Tierhaltungsverordnung ist sehr umstritten. Es gibt sehr viele Interpretationen des Gesetzes. Wie funktioniert das Gesetz tatsächlich?
Ulli Sima: Wir hatten einen schlimmen Vorfall in Wien, bei welchem letzten Herbst ein kleines Kind von einem Kampfhund, dessen Besitzerin stark alkoholisiert war, tödlich verletzt worden ist. Ehrlich gesagt, war das für mich sehr schlimm, denn ich habe selbst zwei Kinder. Mir war sofort klar, dass man alles daransetzen muss, dass so etwas in Wien nie mehr passieren darf. Mein Ziel ist, dass unser verschärfter Maßnahmenkatalog dazu führt, dass es so was nie wieder in unserer Stadt gibt.

Wir haben mit der Polizei ein umfassendes Paket geschnürt, in dem wir die Regelungen für die sogenannten Kampfhunde weiter verschärft haben. Der Hundeführschein beinhaltet jetzt zwei Teile. Er muss gemacht werden, solange der Hund noch ein Welpe ist und dann erneuert werden, wenn der Hund zwei Jahre alt ist. In diesem Alter kann man den Charakter des Hundes besser abschätzen. Des Weiteren haben wir für die Kampfhunde eine generelle Maulkorbpflicht in der Öffentlichkeit vorgeschrieben. All diese schlimmen Vorfälle, welche wir in Wien hatten, wären verbeidbar gewesen, wenn die Hunde einen Maulkorb getragen hätten. Damit aber dieses Paket in der Praxis gut funktioniert, haben wir es mit entsprechenden hohen Mindeststrafen versehen. Wer zum Beispiel keinen Hundeführerschein besitzt, muss mindestens 1.000 Euro Strafe zahlen. Mit diesem klaren Signal wollen wir die Ernsthaftigkeit dieser Regelungen unterstreichen. Der von Ihnen angesprochene umstrittene Paragraph wird in der Öffentlichkeit von gewissen politischen Parteien, vor allem der FPÖ, absichtlich falsch dargestellt. Das Gesetz sieht vor, dass ein Hund nur dann eingeschläfert wird, wenn er einen Menschen tödlich oder lebensgefährlich verletzt. Dies war bisher nur einmal der Fall und zwar nach dem furchtbaren Vorfall mit dem Rottweiler, der den kleinen Waris letzten Herbst getötet hat. Die generelle Maulkorbpflicht für Kampfhunde soll solche Vorfälle verhindern. Es geht hier übrigens um alle Hunderassen und nicht nur um Listenhunde, wie von vielen mit Absicht völlig falsch interpretiert.

„Ein besonderer Appell und Bitte, den ich an alle Raucher richten möchte, ist die Zigarettenstummel nicht auf den Boden zu werfen. Sie sind in Österreich sogar das wesentlich größere Problem als die Plastiksackerl.“

Und wenn ein Hund z.B. einen Einbrecher angreift?
Diesbezüglich gibt es im Gesetz eine klare Differenzierung, damit es zu keinen Missinterpretationen kommt. Wir haben dies auch in den erläuternden Bemerkungen noch einmal klargestellt: Wenn es zu einer Selbstverteidigungssituation kommt, wird das Tier nicht eingeschläfert! Ich sage auch gleich dazu, dass es einen solchen Fall in Wien noch nie gegeben hat. Es wird zwar oft in den sozialen Netzwerken heiß darüber diskutiert, aber unsere Recherchen haben ergeben, dass es in diesem Zusammenhang in Wien noch nie eine Meldung gegeben hat – weder bei der Polizei noch bei uns. Was es wohl gibt und das mittlerweile fast jede Woche, sind Übergriffe gegen Unschuldige, unbeteiligte Dritte. Ein Mädchen geht mit dem Chihuahua der Familie spazieren und der kleine Hund wird von einem Kampfhund vor den Augen der Familienmitglieder getötet. Wie kommen Kinder oder andere Hunde dazu, dass sie lebensgefährlich verletzt oder sogar getötet werden, weil ein Halter verantwortungslos ist und seinen Hund nicht unter Kontrolle hat?

Ebenso hat sich die Tierärzteschaft gegen die generelle Maulkorb- und Leinenpflicht ausgesprochen. Diese sei „erhebliche Einschränkung der natürlichen Verhaltensweisen und widerspricht damit den im Tierschutzgesetz verankerten Grundsätzen.“ Wie stehen Sie zu dieser Argumentation?
2010 haben wir eine Volksbefragung durchgeführt mit der Frage, ob es erwünscht ist, dass Halter von Kampfhunden einen Hundeführschein machen müssen. 89 Prozent der Wienerinnen und Wiener haben sich dafür ausgesprochen. Nach diesem eindeutigen Zuspruch haben wir den Hundeführschein eingeführt. Nach dem tragischen Vorfall im Herbst waren wir der Meinung, dass wir handeln müssen und aus diesem Grund haben wir das Gesetzt weiterentwickelt. Diese Entscheidung soll zum Schutz der Allgemeinheit sein. Man muss in Betracht ziehen, dass der Hund den Maulkorb nur dann trägt, wenn er auf der Straße ist. Dass die Tierärztekammer jetzt diese Argumentation heranzieht, macht mich fassungslos. Ich habe dem Präsidenten der Tierärztekammer geschrieben, dass mich dieses Statement sehr überrascht hat, da er bzw. die Kammer auch vorher nie den Kontakt mit uns gesucht haben.

Aufgrund der öffentlich großen Diskussion rund um Bissattacken und Listenhunde wurden Sie in Sozialen Medien persönlich angegriffen. Wie gehen Sie damit um?
Wir klagen, weil das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Jeder der meint, dass er im Web schreiben kann was er will, wird schnell draufkommen, dass so was recht teuer werden kann. Wir haben das erste Verfahren mittlerweile schon gewonnen. Diese Person muss jetzt ziemlich hohe Kosten tragen und ist noch dazu vorbestraft. Mir ist es wichtig da klar festzuhalten, dass so was absolut inakzeptabel ist. Das Zweite ist, dass man sich nicht täuschen lassen darf. Es sind eigentlich wenige, die auf Facebook solch eine Stimmung verbreiten. Wenn man jedoch die Bevölkerung fragt, dann bekommt man den Zuspruch der Mehrheiten. 80 bis 90 Prozent der Befragten unterstützen unseren Weg. Aber es werden auch seitens politischer Partien, vor allem der FPÖ, bewusst Halbwahrheiten verbreitet, um Hass zu schüren. Sie beflügeln diese Postings.

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