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Kontrollwahn

Albanischer Kodex“: Mann überwachte Ehefrau mit Kameras in jedem Raum

Symbolbild
FOTO: iStock/Mila Naumova

Ein 46-jähriger Mann aus Kärnten steht unter schwerwiegenden Anschuldigungen: Er soll seine Ehefrau mittels GPS-Trackern und in allen Räumen installierten Kameras permanent überwacht haben. Seine Handlungen rechtfertigte er angeblich mit einem patriarchalischen Wertesystem.

Der Beschuldigte, der 2017 aus Nordmazedonien nach Österreich kam und derzeit in Untersuchungshaft sitzt, verfolgt die Verhandlung mit äußerlicher Gelassenheit. „Meine Frau und meine drei Kinder bedeuten mir alles, ich liebe sie!“, erklärt er und zeigt sich ratlos über die Flucht seiner Gattin ins Frauenhaus sowie die aus seiner Sicht „absurden“ Anschuldigungen. Er behauptet, die Ehe sei normal verlaufen und die Überwachungskameras in der Wohnung hätten ausschließlich dem Schutz der Kinder gedient.

Schwere Vorwürfe

Mit deutlicher Empörung trägt Staatsanwältin Barbara Baum die Anklagepunkte vor: „Ein derartiger Fall ist mir in meiner Laufbahn noch nicht begegnet – der Beschuldigte hat seine Frau über zehn Jahre hinweg misshandelt“, ihr gedroht, soziale Kontakte untersagt und selbst intime Entscheidungen wie die Einnahme der Pille oder Friseurbesuche kontrolliert. Die permanente Überwachung rechtfertigte er mit einem albanischen Regelwerk aus dem 15. Jahrhundert. Dieser Kodex definiert den Mann als uneingeschränktes Familienoberhaupt mit vollständiger Entscheidungsgewalt über Frau und Kinder.

Der vom Angeklagten zitierte „Kanun“-Kodex schreibt tatsächlich eine strikt patriarchalische Familienordnung vor, in der der Mann als oberste Autorität gilt. Diese historischen Normen stehen jedoch im direkten Widerspruch zur österreichischen Rechtsordnung und werden selbst in der nordmazedonischen Diaspora heute kritisch gesehen.

Verteidigung widerspricht

Die Verteidiger Philipp Tschernitz und Mirsad Musliu bemängeln die Ermittlungsarbeit als einseitig und ausschließlich auf den Aussagen der Ehefrau basierend. „Nicht einmal das Mobiltelefon wurde forensisch untersucht!“, kritisieren sie. Zudem seien angebliche Drohbriefe fehlerhaft übersetzt worden – die Kommunikation erfolgte im nordmazedonischen Gege-Dialekt (albanischer Dialekt, der in Teilen Nordmazedoniens gesprochen wird).

Richter Gerhard Pöllinger-Sorre steht nun vor der komplexen Aufgabe, zwischen Stalking, das der weinende Angeklagte einräumt, und fortgesetzter Gewaltausübung, die mit bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden kann, zu differenzieren.

Experten weisen darauf hin, dass die Installation von GPS-Trackern und Kameras zur lückenlosen Überwachung von Ehepartnern nach österreichischem Recht grundsätzlich unzulässig ist und als Stalking bzw. schwere Nötigung strafrechtlich verfolgt werden kann. In vergleichbaren Fällen wurden in Österreich bei nachgewiesener fortgesetzter Kontrolle und Gewalt bereits mehrjährige Haftstrafen verhängt.

Die Verhandlung wurde vertagt.

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