Gegen Walter Rosenkranz, den Nationalratspräsidenten, haben die Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen (JöH) am Mittwoch wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch Anzeige erstattet.
Der Vorwurf lautet, Rosenkranz habe die Weiterleitung eines Antrags der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung der Immunität von FPÖ-Abgeordneten absichtlich verzögert. Dies ist erforderlich, um Ermittlungen wegen möglicher Verstöße gegen das Verbotsgesetz aufnehmen zu können.
Umstrittenes Begräbnis als Ausgangspunkt
Im Fokus der Ermittlungen stehen die FPÖ-Mandatare Harald Stefan, Martin Graf, Klubdirektor Norbert Nemeth sowie der ehemalige Abgeordnete Johann Gudenus. Ihnen wird vorgeworfen, an einem Begräbnis teilgenommen zu haben, bei dem das Lied „Wenn alle untreu werden“, welches auch von der NS-Schutzstaffel verwendet wurde, gesungen wurde. Laut FPÖ handelte es sich um eine Version des Liedes aus dem Jahr 1814.
Steiermark-Wahl beeinflusst?
Die Verzögerung der Antragsweiterleitung durch Rosenkranz wird von der JöH mit den steirischen Landtagswahlen in Verbindung gebracht. Der Präsident der JöH, Alon Ishay, kritisierte in einer Aussendung: „Walter Rosenkranz hat in seinem ersten Monat alle Befürchtungen bestätigt, die es vorab hinsichtlich seiner Nominierung gab. Er veranstaltete exklusive FPÖ-Treffen mit Viktor Orban im Parlament und forderte von der Polizei, jüdische Studierende vom Shoah-Denkmal am Judenplatz räumen zu lassen“.
FPÖ-Rosenkranz hat heute versucht, das Gedenken an die Novemberpogrome am Judenplatz zu instrumentalisieren. Trotz seiner Drohungen uns zu räumen, haben wir ihm entschlossen & friedlich den Weg versperrt. pic.twitter.com/9tXrDHpXvd
— Jüdische österreichische Hochschüler:innen (@joehwien) November 8, 2024
Weiters stellte er seine Überparteilichkeit in Frage: „Nichts in seiner Rolle als Nationalratspräsident scheint unbefangen oder überparteilich zu geschehen. Die demokratischen Kräfte im Nationalrat sollten sich spätestens jetzt die Frage stellen, ob der rechtsextreme Burschenschafter Rosenkranz als zweithöchster Beamter der Republik tragbar ist.“
Antrag mit Verzögerung von neun Tagen
Bisher war kein Sprecher von Rosenkranz für ein Statement verfügbar. Laut der Geschäftsordnung des Nationalrats ist er verpflichtet, Anträge „sofort nach dem Einlangen“ an den Immunitätsausschuss weiterzuleiten. „Der Standard“ berichtete jedoch, dass der Antrag erst neun Tage nach Eingang dem Ausschuss zugewiesen wurde.
Der Verfassungsjurist Heinz Mayer zeigt sich skeptisch über die Erfolgsaussichten der Anzeige, da der Nationalratspräsident kein Vollzugsorgan sei. Allerdings könne Rosenkranz mit politischer Zweidrittelmehrheit abgesetzt werden, sollte er für untragbar gehalten werden. Mayer sieht dies als politisches, nicht juristisches Verfahren.
Amtsmissbrauch
Ehemaliger JöH-Präsident und Jurist Bini Guttmann sieht dennoch Anzeichen für Amtsmissbrauch. Er argumentiert politisches Kalkül zugunsten der FPÖ hinter der Verzögerung. Auch SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim und ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl fordern umgehende Aufklärung der Vorwürfe.
Es bleibt abzuwarten, wann der Immunitätsausschuss über die Aufhebung der Immunität beraten wird. Die politische Immunität von Parlamentariern wird üblicherweise dann aufgehoben, wenn das zu untersuchende Verhalten nicht im Zusammenhang mit ihrer politischen Tätigkeit steht. Dies dürfte beim Begräbnisbesuch zutreffen.
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