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INTERVIEW

Anwalt im Ring: „Boxen kann Straftaten verhindern!“

Florian Höllwarth
FOTO: Daniel Schaler

Der Strafrechtsanwalt Florian Höllwarth (49) besitzt zweifellos Durchsetzungsvermögen.

Im Alter von 30 Jahren entschied sich der Grazer Schulabbrecher und jahrelange Taxifahrer, sein Leben völlig umzukrempeln. Er machte die Matura nach, studierte Jus in Graz und Wirthscaft an der WU Wien und verteidigt heute in seinem Berufsalltag vor allem Menschen, die wegen Körperverletzungen, fahrlässigen Tötungen, Morden und anderen schweren Delikten angeklagt sind. Und wenn er nicht gerade im Gerichtssaal ist oder seine Mandanten in U-Haft besucht, dann findet man den Strafrechts-Experten vor allem im Boxring. Der Jurist ist seit Jänner 2018 auch amtierender Präsident des Österreichischen Boxverbandes.

Aktuell arbeitet der boxende Anwalt an einem heißen Fall: Er verteidigt einen 26-Jährigen Wiener, gegen den in Kürze Anklage wegen zweifachen versuchten Mordes am Praterstern erhoben wird. „Mein Mandant behauptet, provoziert worden zu sein und erst im Eifer des Gefechts das Faustmesser gezückt zu haben. Wenn das Urteil auf zweifachen Mordversuch lauten sollte, dann drohen ihm 15 bis 20 Jahre Haft. Es steht viel auf dem Spiel“, sagt Höllwarth, der uns in seiner Kanzlei im neunten Bezirk empfängt.

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Ilija Tufegdžić ist einer der bekanntesten Sicherheitsexperten aus unserer Community. Jahrelang bewachte er Botschaften, Konsulate, riesige Konzerte, bekannte Clubs, Politiker und Sänger wie Ceca Svetlana Ražnatović.

 

„Die Kids von der Strasse holen“
„Viele meiner Klienten sind einstige Strassenkids aus sozialen Brennpunkten und zerütteten Familienverhältnissen. So auch dieser Klient“, fügt der leidenschaftliche Boxer hinzu. „Ich sehe große Chancen im Boxsport, einen kriminellen Weg von potenziellen zukünftigen Tätern zu verhindern“, sagt er im KOSMO-Interview. Sein Vorschlag: Boxen in gut organisierten Klubs als Präventionsmaßnahme für potenzielle zukünftige Täter.

KOSMO: Sie wollen mit Boxsport Straftaten verhindern. Ist das richtig?
Höllwarth: Ja, aber es muss nicht das Boxen alleine sein. Jeder Sport, der in einem geordneten, gut organisierten Rahmen stattfindet, ist für jede Person förderlich, vor allem aber für Leute mit problematischen sozialen und familiären Background. Aber ein potenzieller Straftäter, wenn wir am Boden der Tatsachen bleiben, steht eben nicht auf Yoga. Ihn interessiert wohl eher der Kamfsport. Und das Boxen stellt für die aktuellen Tätegruppen oft einen Ausweg aus der persönlichen und sozialen Krise dar. Man muss diese Chance für die Gesellschaft nutzen.

Wie stellen sie sich das genau vor?
Heute liest man hierzulande fast täglich von Afghanen, Syrern, Türkern, Tschetschenen, ja auch Serben, Bosniern, Kroaten, dass sie in verschiedene Delikte verwickelt sind. Die Gratis-Zeitungen bringen das täglich und es entsteht ein gewisses Bild, welches dann auch noch mit Zahlen aus den Kriminalitätsstatistiken belegt wird. Der Staat muss sich in dieser Hinsicht ein Versagen zugestehen, vor allem in pädagogischer Hinsicht. Es wird Zeit, dass wir anhand der aktuellen Tätegruppen Strategien, Programme und unkonventionelle Methoden anwenden, die wirklich hilfreich sind. Man könnte Auffangprogramme für diese Gruppen aufbauen. Wenn ich etwa an ein Verfahren denke, das alleine kostet den Staat 30 bis 40 tausend Euro. Mit dem Strafvollzug reden wir schon von hunderttausenden Euros. Man könnte damit viel Geld in der Zukunft sparen. Und Jugendkriminalität ist nun mal ein brandaktuelles Thema.

Höllwarth & Nader
Höllwarth zusammen mit Marcos Nader. (FOTO: zVg.)

Geben sie uns bitte Beispiele, wie das funktionieren soll.
Gehen wir einfach von der Tätergruppe aus. Aber auch die hat meistens eine Vorgeschichte, entweder aus einem sozialen Brennpunkt, aus ärmlichen Verhältnissen oder aus schwer zerütteten Familien, die meistens Täter mit schweren Kindheiten hervorbringen. Es fängt meistens mit einem kleinen Diebstahl an und endet dann im schlimmsten Fall bei Mord. Beim ersten Delikt muss man meiner Ansicht nach schon unkonventionelle Maßnahmen anwenden. Im Box-Club lernt der Jugendliche oder junge Erwachsene, Autoritäten zu respektieren, sich auf Augenhöhe zu begegnen, Leistung zu bringen und bekommt sportliche und private Perspektiven aufgezeigt. Ich sehe das selber, wenn ich im BOUNCE-Club trainiere. Und ich bin dort 4 bis 5 mal die Woche, gemeinsam mit meinem Freund und Europameister Marcos Nader.

Boxen sie im Bounce Club gemeinsam mit der oben erwähnten „Tätergruppe“?
Es sind auf jeden Fall sehr viele Leute mit Migrationshintegrund dort. Und es sind wunderbare Menschen, vom Anwalt, über den Bauarbeiter bis zum Arbeitslosen. Dort treffen sich alle Gesellschaftsschichten, auch Frauen und Kinder machen mit. Aber ich denke eben, dass der dort stattfindenden Boxsport besonders für Jugendliche mit potenziellen Täterprofil förderlich ist. Wir brauchen mehr solcher Clubs wie BOUNCE und mehr zielgruppengerechte Angebote. Viele der Jugendlichen irren in der Stadt herum, kommen auf blöde Gedanken, aber suchen eigentlich nur nach Vorbildern, nach Führungsfiguren. Wenn Eltern etwas verabsäumt haben oder Jugendliche einen problematischen Background mit sich bringen, dann sollte die Gesellschaft versuchen, dass noch gerade zu biegen. Man muss den Jugendlichen das geben, wonach sie eigentlich suchen. Denn niemanden interessiert vor Gericht, wie schwer ihre Kindheit war. Eine schwere Kindheit ist zurecht keine Ausrede für eine Mord z.B. Ich bin der festen Überzeugung, dass man gefährdete Jugendliche durch Sport wieder in geordnete Bahnen bringen kann, um nicht Konflikte oder eben Straftaten in Zukunft zu verursachen. Es ist eine win-win-Situation für den Staat und die Gesellschaft.

Florian Höllwarth
FOTO: Daniel Schaler

Also, besser präventiv statt resozialisierend?
Nein, ich denke, dass die Resozialisierung auch noch immer gut ist. Aber in der Prävention muss unsere Zukunft sein.

Welche Gemeinsamkeiten haben Sie eigentlich mit ihren Klienten? Wieso haben sie sich gerade für das Strafrecht spezialisiert?
Ich habe sicher keine alltägliche Biographie, vom Schulabbrecher zum Anwalt. Ich bin in Graz viel Taxi gefahren, vor allem in der Nacht. Da lernte nicht nur das Nachtleben, sondern gewisse Personengruppen kennen, lernte ihre „Sprache“ und ihre Eigenheiten kennen. Ich habe mich schon immer für die menschliche Psyche interessiert und konnte mich anfangs nicht entscheiden, ob ich Jus oder Psychologie studiere. Zum Glück habe ich mich für Jus entschieden. Das Strafrecht bietet einem genug Einblicke in die menschliche Psyche.

Dieses Jahr werden sie ihren ersten Boxkampf bestreiten. Wie wichtig ist ihnen das Boxen?
Sehr, ich bin 3-5 x die Woche im Training. Ich liebe das Boxen, weil es viele Parallelen zu meinem Job als Anwalt gibt. Ich kann nicht zuschlagen, ohne zu überlegen. Es fördert den Geist und man muss vorbereitet sein.

Kampfsportvereine gibt es viele. Man liest auch von Kampfsporttrainings von rechtsradikalen, islamistischen und anderen extremen Gruppen. Wie gehen sie damit als Präsident des österreichischen Boxverbandes um?
Es ist natürlich wesentlich, um welche Clubs es sich handelt. Viele Vereine gehören unserem Verband aus gutem Grund nicht an. Für Rassismus, Homophobie oder sonstige Ausgrenzungen stehe ich weder als Anwalt noch als Präsident des österreichischen Boxverbandes zur Verfügung.  Natürlich kann man Kampfsport auch negativ anwenden, keine Frage. Aber genau aus diesem Grund sollten wir den Kamfsport gesellschaftlich gut aufstellen. Er bietet uns die einmalige Chance, viele gefährdete Personen von der Straße zu holen.

Mehr Infos über Rechtsanwalt Florian Höllwarth: https://ra-hoellwarth.at

Mehr Infos zum Bounce Box-Club: http://www.bounce.at

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Vor fünf Jahren sah die Welt für den bekannten Wiener Boxer Marcos Nader noch ganz anders aus.