BALKANROUTE

ARD Wien: „Brüssel, Berlin und Co ignorieren kroatische Grenzgewalt“

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Nurten Yilmaz (SPÖ, rechts im Bild) kämpft für die Rechte vergessener Menschen auf der Balkanroute. Sie warnt vor einem zweiten Moria in Bosnien. Foto: SOS Balkanroute, Andrea Beer (BR)

„Vor aller Augen“, lautet der Titel eines Berichts des deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehens ARD, der nun für Aufsehen sorgt.

Im Mittelpunkt des aufwendig recherchierten und informativen Berichts: Die Gewalt gegen Geflüchtete entlang der kroatischen EU-Außengrenze, über die mittlerweile zahlreiche angesehene Medien – unter anderem „The Guardian“ – berichtet haben und die von NGOs vor Ort bereits seit Jahren zum Thema gemacht wird. Der Artikel geht dem Thema auf den Grund, wieso trotz zahlreichen Berichten und Beweisen nicht gegen die Gewalt gegen Flüchtlinge politisch in Europa vorgegangen wird.

Auch KOSMO hat mehrfach über die Vorwürfe gegenüber der kroatischen Polizei berichtet, aber bisher hat Kroatien immer wieder von offizieller Seite jegliche Vorwürfe abgewiesen.

„So geht das nicht!“
Mittendrin statt nur dabei: Nurten Yilmaz, österreichische Nationalratsabgeordnete der SPÖ, die selbst in Bosnien mit den AktivistInnen von SOS Balkanroute vor Ort war und die Horror-Lager entlang der EU-Außengrenze besucht hat. ARD erinnert in diesem Zusammenhang, dass Yilmaz die einzige NR-Abgeordnete vor Ort war und seit Juni 2020 mittels Anträgen im österreichischen Parlament versucht, Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen.

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Nurten Yilmaz war als einzige Nationalratsabgeordnete in Bosnien, um sich selbst ein Bild der Lage zu machen. Foto: Ben Owen-Browne (SOS Balkanroute)

„So geht das nicht!“, sagt die Abgeordnete im ARD-Interview und meint die Ablehnung der türkis-grünen Regierung gegenüber ihrem Antrag, den sie gleich zweimal im Parlament einbrachte. In diesem verlangte sie, unterstützt von den NEOS und Helmut Brandstätter, ein stärkeres Engagement Österreichs beim Kampf gegen die Grenzgewalt und die fürchterlichen Zustände, in denen tausende Geflüchtete in Bosnien-Herzegowina leben müssen.

Gespräch mit Botschafter
„Yilmaz forderte Innen-, Justiz- und Außenminister der österreichischen Bundesregierung auf, die Grenzgewalt zu thematisieren, in Brüssel, aber auch gegenüber der kroatischen Regierung. Doch weder Karl Nehammer (ÖVP), noch Alma Zadić (Grüne), noch Alexander Schallenberg (parteilos) machten in Zagreb Druck“, erinnert der ARD im Bericht. Ebenso gab Yilmaz im Interview bekannt, bereits auch mit dem kroatischen Botschafter in Österreich Daniel Glunčić über die illegalen Push-Backs gesprochen zu haben. Er hätte sich dabei überrascht gezeigt.

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„Inzwischen ist sogar von Folter die Rede. Es vergeht kaum eine Woche, in der keine Fotos von Flüchtenden und Migranten veröffentlicht werden, deren Körper mit Striemen und Blutergüssen übersät sind. Im Oktober 2020 dokumentierte die Hilfsorganisation Danish Refugee Council die Aussagen einer Gruppe von 23 Flüchtenden und Migranten. Uniformierte mit Sturmhauben hätten sie gezwungen, sich nackt auszuziehen – berichten die Männer – und sie anschließend einen nach dem anderen brutal geschlagen – mit Stöcken, Peitschen und Tritten. Einer der Männer berichtet von sexualisierter Gewalt mit einem Ast“, berichtet der ARD.

„KRANK UND SCHOCKIEREND“: Ärztliche Befunde bestätigen die Vorwürfe gegen Kroatien (VIDEO).

Gepostet von KOSMO am Mittwoch, 21. Oktober 2020


Yilmaz will Merkel kontaktieren
Im Bericht kommt neben Yilmaz auch Erik Marquardt von den deutschen Grünen zu Wort. „Es sind mitnichten nur einzelne NGOs, die dort von Pushbacks sprechen, sondern es ist auch die EU-Delegation in Bosnien, es ist das UNHCR, es ist die eigene Menschenrechtsbeauftragte in Kroatien – eine staatliche Behörde – die davon ausgeht, dass es dort viele Pushbacks gibt. Und man sieht doch die Gewalt auch überall“, so Marquardt.

Nachdem sie in Österreich an der Ablehnung der türkis-grünen Mehrheit im Parlament gescheitert ist, will Yilmaz nun der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel schreiben. „Unerträglich!“, twittert die Abgeordnete den Bericht des ARD.

Den Bericht des ARD könnt ihr hier lesen!