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(FOTO: Balkan Stories)

Zabranjeno pušenje begeht mit einer beinahe jugoslawienweiten Tournee das Jubiläum eines der maßgeblichen Alben des YU-Rock: Das ist Walter. Balkan Stories war beim Auftaktkonzert in Skenderija in Sarajevo, um euch das Phänomen Zabranjeno pušenje näherzubringen.

Es sind Tausende. Die Eingänge der Konzerthalle im Komplex Skenderija sind teilweise wegen Überlastung geschlossen.

Zabranjeno pušenje lädt zum Jubiläumskonzert, und eine Stadt kommt.

40 Jahre ist das Album „Das ist Walter“ als. Es war das erste Album der 1980 in einer Garage gegründeten Band, die mehr oder weniger im Alleingang eine neue Richtung im YU Rock aufmacht: New Primitivism.

Der Großteil der Besucher heute war damals gar nicht auf der Welt.

Das liegt sicher auch daran, dass der Eintritt kostenlos ist. Auch dank Sponsoring durch Sarajevsko und der Stadt Sarajevo.

(FOTO: Balkan Stories)

Mehr Sarajevo ist vielleicht Sevdah

Aber wie oft kann man eine Band feiern, die mehr als jede andere Die Sarajevoer Band ist?

Mehr Sarajevo ist allenfalls Sevdah.

Einige der größten jugoslawischen Bands der 60-er, 70-er und 80-er kamen aus der Hauptstadt der damaligen Sozialistischen Republik Bosnien.

Indexi, Bijelo Dugme, die erfolgreichste Band Jugoslawiens, relativ gesehen größer als Taylor Swift, Crvena Jabuka, Plavi Orkestar.

Keine freilich hat diese Stadt so verkörpert wie Zabranjeno pušenje, keine die Stadt so sehr auf die musikalische Landkarte gesetzt.

Das Kernelement waren immer die Texte, gehalten im spezifischen Dialekt der bosnischen Hauptstadt.

(FOTO: Balkan Stories)

Für alle außerhalb Sarajevos, auch in Bosnien, waren die Lieder immer auch eine sprachliche Entdeckung – und spielten die Sarajlije in die Herzen der Einwohner des restlichen Jugoslawien, und heute des ehemaligen Jugoslawien. Beinahe des ganzen, jedenfalls.

Die einzige Parallele im deutschsprachigen Raum sind einzelne Austropopper, die mit Liedern im meist Wiener Dialekt in Deutschland reüssierten. Wie viele auch nur annähernd die Qualität von Zabranjeno pušenje erreichten, ist eine andere Frage.

Rebellen von Anfang an

Diese Texte waren immer aufmüpfig. So weit man eben gehen konnte in Jugoslawien.

„Ne razumiješ ti to, druže sudija“, heißt es etwa in Zenica Blues, dem populärsten Lied aus dem Album „Das ist Walter“.

Rythmisch einfacher wäre gewesen: Ne razumiješ to, druže sudija.

Der Song ist erkennbar eine Cover-Version von Johnny Cash’s „San Quentin“ – und eigentlich ein ganz anderes Lied, und doch wieder eine Abrechnung mit dem Gefängnissystem wie das Original.

In gewisser Weise ist Zenica Blues eine Vorarbeit zu einer der erfolgreichsten zeitgenössischen bosnischen Bands: Dubioza Kolektiv. Und nicht nur Zenica Blues, auch viele weitere Songs des New Primitivism nehmen das hintergründige und doppelbödige Geblödel von Dubioza Kolektiv vorweg, mit dem die beißende Kritik erst so richtig ankommt.

New Primitivism und Zabranjeno pušenje, das war Aufbegehren gegen die herrschenden Zustände, gegen den etablierten Musikbetrieb und gleichzeitig gegen die Kommerzialisierung des Protests in Form von Jugoslawiens Punkszene.

So gesehen war Zabranjeno pušenje gesellschaftspolitisch eine Art Anti-Punk Punk. Musikalisch hörbarerweise nicht.

Nicht nur in ihrer Verwurzelung im Sarajevoer Idiom, bei gleichzeitiger Transzendierung der intellektuellen Grenzen der Stadt, war und ist Zabranjeno pušenje DIE Sarajevoer Band.

Auch politisch ist sie es.

Der verdammte Krieg. Oder ewige Feindschaft.

Zabranjeno pušenje spaltete sich während des Bosnienkrieges. Nenad Janković aka Dr. Nele Karajlić, der bisherige Frontman der Band, zog mit Bruder Dražen Janković, damals aka Seid Little Karajlić, nach Beograd – und geriet dort ins Fahrwasser von Emir Kusturica und dem serbischen Nationalismus der 1990-er. Seine Formation heißt heute „No Smoking Orchestra“. Dass Emir Kusturica dort mitspielt, sollte alles über die politische und künstlerische Ausrichtung der Band aussagen.

Zabranjeno pušenje, unter dem bisherigen Haupttexter und Gitarristen Davor Sučić alias Sejo Sexon, blieb in der belagerten Stadt. Sie, und nur sie darf den Originalnamen auch für die bisherige Diskographie verwenden.

Sejo Sexon hat Nele Karajlić bis heute den Verrat an der Band und an allem, wofür sie stand, nicht verziehen. Die Abneigung ist gegenseitig. Man geht einander aus dem Weg.

Beograd ist einem stillschweigenden Übereinkommen das Revier von „No Smoking Orchestra“.

Bosnien und Kroatien gehören Zabranjeno pušenje. Die Vojvodina und der Rest des ehemaligen Jugoslawien sind sozusagen neutrales Gebiet.

Im Vorjahr verstieß Nele Karajlić gegen die bisherige Usance. Er wollte in Zagreb auftreten. Sejo Sexon verklagte ihn. Karajlić soll gerichtlich verboten werden, öffentlich Lieder von Zabranjeno pušenje aus der Zeit vor der Spaltung der Band aufzuführen, die Sejo geschrieben hatte.

Das Konzert wurde abgesagt.

So bringt die Jubiläumstour von „Das ist Walter“ Zabranjeno pušenje unter anderem nach Novi Sad, nach Bitola, nach Rijeka und interessanterweise sogar nach Knjaževac. Beograd fehlt auffälligerweise.

Das Gemeinsame, das es einmal gab, als neuer Protest

Für die Fans in der Skenderija besteht keine Gefahr, dass sie die Beograder Abspaltung mit dem Sarajevoer Original verwechseln könnten.

Sie tanzen, schunkeln, singen mit, was das Zeug hält, winken, wenn Sejo sie dazu aufruft. Das tut er oft.

Jünger ist keines der Bandmitglieder geworden. Auch wenn Sejo eine starke Präsenz auf der Bühne hat, die Leichtigkeit der 80-er hat er nicht mehr. Da bindet man das Publikum mehr ein.

Auch inhaltlich hat sich die Band gewandelt.

Brachte man früher so viel Kritik wie möglich an der Bürokratie des sozialistischen Jugoslawien und an seinen als leer empfundenen Ritualen unter, ist die Kritik an den heutigen zuständen eine nostalgische geworden.

Man vergleiche etwa diese beiden Songs: Danas je Dan Republike aus dem Album Pozdrav iz zemlje Safari von 1987 und Čovjek starog kova aus dem März 2024.

Bratsvo i jedinstvo, das Gemeinsame, das es einmal gegeben hat, als Aufbegehren gegen den korruption Nationalismus, der das ehemalige Jugoslawien gewaltsam zerstört hat und seine Überreste seitdem nach und nach auffrisst.

Und das immer mit dem Blick auf das, was man als Seele Sarajevos bezeichnen kann. Wenn eine Stadt so etwas wie eine Seele haben kann.

Älter sind sie geworden. Rebellen sind sie geblieben.

Rebellen sind sie geblieben bei S. Rebellen, die eine bessere Vergangenheit gegen eine düstere Zukunft verteidigen. Auf dass aus dieser Vergangenheit doch noch etwas gedeihen kann.

(FOTO: Balkan Stories)

Leisere Rebellen sind sie geworden. Das kommt mit dem Alter.

Die Fans sind nicht leiser als früher. Zabranjeno pušenje, einer Band aus den 80-er Jahren, ist es gelungen, jede Generation von Teenagern seit der Bandgründung für sich einzunehmen.

(FOTO: Balkan Stories)

Und so viele junge Leute auf einem Konzert sind nun mal vieles, nur eines nicht: Leise. Da reißen sie auch die Alten mit, zeigen ihren Eltern und ihren Großeltern den Charme der ewigen Rebellen von einer neuen Seite.

Balkan Stories, Christoph Baumgarten

Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.

Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.